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Raffgier und UneinsichtigkeitSo inszenierte Andrea Horitzky ihren Rücktritt

Lesezeit 4 Minuten

Andrea Horitzky

Köln – Dieser Rücktritt war seit langem – genauer: seit Bekanntwerden der unappetitlichen Details – fällig. Das wussten alle, nur eine wusste es nicht: die Rücktrittlerin selbst, Andrea Horitzky. Am Dienstag nun erreichte nach Wochen eines quälenden Sichverweigerns und Hinhaltens die Öffentlichkeit die Nachricht, auf die sie gewartet hatte: Die ehemalige CDU-Landtagskandidatin legt ihre Parteiämter mit sofortiger Wirkung nieder.

Alles in Ordnung? Nein, denn die Inszenierung des Rücktritts sagt viel aus über das Selbstverständnis einer Politikerin, die sich offensichtlich nicht mit eigenen Fehlern befassen will, die mit Retourkutschen von diesen ablenkt und die Schuld grundsätzlich bei anderen sucht. Da wird eine „mediale Schlammschlacht“ geltend gemacht und auf den Kölner CDU-Vorsitzenden Bernd Petelkau eingedroschen, der, selbst involviert in die Börschel-Affäre, mit Steinen aus seinem Glashaus werfe.

Recht ist nicht gleich Moral

Der Vorwurf an Petelkaus Adresse ist triftig. Nur: Werden eigene Verfehlungen weniger erheblich, indem man auf andere zeigt? Und die Medien? Diesbezüglich sitzt Horitzky einer interessierten Selbsttäuschung auf: Die Medien haben keine Hexenjagd betrieben, sondern im öffentlichen Interesse Licht in einen unbestritten dubiosen Vorgang gebracht.

Alles zum Thema Bernd Petelkau

In einem engen juristischen Sinn ist an dem, was Horitzky getan hat, vielleicht gar nicht mal etwas auszusetzen – wenngleich hier ein abschließendes Urteil solange nicht möglich ist, wie das städtische Rechnungsprüfungsamt seine angekündigte Stellungnahme nicht abgegeben hat. Aber Recht ist eben noch etwas anderes als Moral.

Horitzky hätte Hotel-Deal nicht eingehen dürfen

Worum geht es? Horitzky hat ihr Dellbrücker Hotel zu für sie selbst außerordentlich günstigen finanziellen und Laufzeit-Konditionen als Flüchtlingsunterkunft zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt, als die Stadt wegen des nachlassenden Flüchtlingsstroms darauf gar nicht mehr angewiesen war. Dennoch kam es zu jenem Vertragsabschluss, bei dem Horitzkys gute Beziehungen zur städtischen Politik sicher nicht hinderlich waren – um es einmal so zu formulieren.

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Wie nun also? Horitzky hätte sich diesem Geschäft unter allen Umständen verweigern müssen – nicht in Kenntnis des Strafgesetzbuches, wohl aber aus einem elementaren Gefühl für das heraus, was eine Politikerin als Privatperson tun darf – und was nicht. Dieser Comment mag informell und im einzelnen Fall schwer zu definieren sein, aber es gibt ihn. Und nicht zuletzt das und sei es intuitive Wissen darum, was in dieser Hinsicht geht und nicht mehr geht, bestimmt die individuelle Eignung für eine mit verantwortlichem Handeln im öffentlichen Raum verbundene Position.

Raffgier oder Uneinsichtigkeit?

So kann man sich darüber streiten, was der größere Skandal ist: die mit kommunaler Ämterhilfe bediente Raffgier oder die Uneinsichtigkeit in das, was hier schiefgelaufen ist. Sicher: Tränenreiche Schuldbekenntnisse vor laufenden Kameras haben auch etwas Verlogenes, aber Horitzkys selbstgerechte Haltet-den-Dieb-Attacke ist dies nicht minder.

Freilich weist ihr Fall über sich selbst hinaus: Horitzky ist schließlich nicht die/der erste Politiker(in), der/die Ämter verliert, zurücktreten muss, weil da offensichtlich ein interner Kompass für das Angemessene, Statthafte, allgemein Rechtfertigungsfähige beschädigt wurde.

Keine Eigenart des Kölner Klüngels

Köln liefert derzeit frei Haus ein weiteres Beispiel dieser Art mit der Börschel-Affäre. Aber wer sich die Geschichte spektakulärer politischer Rücktritte in den vergangenen Jahrzehnten – von Jürgen Möllemann über Christian Wulff bis zu Karl Theodor von Guttenberg – ansieht, der erkennt, dass es sich dabei nicht um eine Spezialität des Kölner Klüngels handelt.

Die genannten Fälle sind übrigens im einzelnen sehr unterschiedlich gelagert, ihnen gemeinsam ist die fehlende Sensibilität der jeweils Betroffenen, die Erwartung, trotz Ruchbarwerdung doch irgendwie noch durchzukommen und die Sache wie die Annäherungen einer lästigen Fliege auszusitzen. Und das uneinsichtige Beleidigtsein, wenn diese Strategie nicht aufgeht.

Politiker in realitätsferner „Raumschiff-Situation“

Tatsächlich scheint es die gegenüber der Alltagsrealität systemisch abgeschottete Raumschiff-Situation der Politik zu sein, die in dafür Anfälligen das Gefühl reifen lässt, ihnen stehe zu, was da für sie in einem diffusen Feld zwischen privat und öffentlich, einem dichten Netz als solcher gar nicht einmal ins Bewusstsein dringender wechselseitiger Begünstigung und Vorteilsnahme so alles nebenbei abfällt.

Wenn der Rücktritt oder Posten-Verzicht dann unausweichlich wird, ist seine Dramaturgie oft nicht nur deshalb wenig erhebend, weil der zur Reaktion Gedrängte wenig oder nichts begreift und es dadurch für sich selbst und andere nur noch schlimmer macht.

Vielmehr sind die Motive der Drängenden auch nicht immer die edelsten: Die Rücktrittsforderungen an Horitzky etwa dürften weniger der Einsicht in die Sache, als vielmehr der Furcht vor einem Glaubwürdigkeitsverlust der Partei und ihrer Bestrafung durch den Wähler geschuldet gewesen sein.

Wählervertrauen ist ausschlaggebend

Die Erfahrung lehrt, dass Politiker nur dann gehen müssen, wenn die je eigene Gruppe erkennt, dass sie für sie zu einer existenziellen Belastung werden. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe etwa sah sich bis zum Ende seiner Amtszeit mit Vorwürfen der Stasi-Verwicklung konfrontiert. Trotzdem wechselte er 1998 problemlos auf den Posten des Bundesverkehrsministers. Andere hätten die ständigen unaufgeklärten Vorhaltungen die Karriere gekostet, Stolpe nicht. Warum? Er war in der Bevölkerung beliebt, galt als Wahllokomotive – und dies immunisierte ihn auch in seiner Partei gegen alle möglichen Rücktrittsforderungen.