Beim Konzert mit Yefim Bronfman und dem NDR Elbphilharmonie Orchester standen mit Rachmaninow und Tschaikowsky ein Klavierkonzert und die „Schicksalssinfonie“ auf dem Spielplan.
Yefim Bronfman und Alan GilbertNeuer Zugang zu oft gehörter Sinfonie
Der Kopfsatz aus Peter Tschaikowskys vierter Sinfonie gilt als ausgesprochen schwierig – selbst dann, wenn ein Dirigent nicht mehr damit im Sinn hat, als ihn einigermaßen heil über die Bühne zu bringen. Im philharmonischen Meisterkonzert schienen Alan Gilbert die ständigen metrischen Überblendungen und Schwerpunkt-Verlagerungen der Musik aber geradezu ein Stachel zu sein: Er wählte nicht nur ein ungewöhnlich langsames Grundtempo, sondern bremste einzelne Phrasen und Übergänge zusätzlich aus.
Damit machte er es sich und dem NDR Elbphilharmonie Orchester noch schwerer, die rhythmische Feinabstimmung zu kontrollieren. Der manisch gehetzte Vortrieb des Hauptthemas verwandelte sich auf diese Weise in ein zielloses Kreisen, das schlendernde Seitenthema ging wie in Bleischuhen – eine Musik, die sich beständig müht und windet, ohne aus ihren Fesseln und Zwängen zu gelangen.
Musik, die sich müht und windet
Man mochte über diese Lesart geteilter Meinung sein, aber sie folgte konsequent ihrer eigenen inneren Wahrheit. Und nachdem man die Sinfonie dutzendfach als effektvolle Tourneenummer russischer Mittelklasse-Orchester erlebt hat, wird man kaum beklagen wollen, dass ein Dirigent der berühmten Partitur einmal ganz andere Fragen stellte und ihr damit auch neue Einsichten abgewann.
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Die beiden Mittelsätze liefen eher unspektakulär ab. Im Finale setzte der Maestro dem musikalischen Fluss dann wieder auffällige Barrieren, die aber im Sog der aufpeitschenden Schlussstrecke vollständig weggerissen wurden – das verfehlte seine Wirkung im Saal natürlich nicht. Auch gelegentliche Unebenheiten und Ansatzprobleme der Bläser waren nach diesem furiosen Finaltaumel schnell vergessen.
Ein Stoiker am Klavier: Yefim Bronfman
Seine typisch deutsche Klanglegierung konnte das Orchester dabei kaum verleugnen. Mehr noch als bei Tschaikowsky wurde das im dritten Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow hörbar. Alan Gilbert legte es offenbar bewusst darauf an, das Stück nicht als virtuosen Reißer ablaufen zu lassen, sondern als sinfonisch konzipiertes Konzert in Brahms-Nachfolge. Schon die eröffnende Unisono-Melodie des Klaviers wurde von Klarinetten und Fagotten dicht eskortiert; auch im weiteren Verlauf saß das Orchester dem Solisten Yefim Bronfman massiv im Nacken.
Der usbekisch-amerikanische Pianist ließ sich davon aber nicht beirren: Wie üblich war sein Spiel eher gewichtig als elegant, eher auf die stabile Mitte als auf die leuchtende Oberstimme konzentriert. Bronfman ist ein Stoiker am Klavier; er verschwendet keine Energie an Selbstdarstellung oder dekorative Gesten. Gleichwohl fehlte es seiner Interpretation nicht an generösem Schwung und Ausdruckskraft – und so dankte ihm das Publikum am Ende auch mit stehenden Ovationen.