Ein Land, in dem vielerorts intakte Sport- und Schwimmhallen fehlen, sollte nach Lesermeinung zunächst den Breiten- anstelle des Spitzensports fördern.
LeserbriefeDeutschland nicht Olympia-tauglich
Wollen wir Olympische Spiele in Deutschland? – Stephan Klemm (Pro) und Christian Löer (Contra) im Streitgespräch der Woche (17.8.)
Olympia in Deutschland: Hindernisse auf Kommunal- und Landesebene
Aus meiner Sicht als jahrzehntelanger Funktionsträger in verschiedenen Sportbereichen im Spitzensport ist es ein einzigartiges Faszinosum, an Olympischen Spielen im eigenen Land oder auch anderen Orts teilzunehmen. Wenn die Sportwettbewerbe unter einigermaßen fairen Bedingungen stattfinden, dann haben die Wettkämpfe und die daraus resultierenden persönlichen Kontakte oft lebenslang Bestand über viele Grenzen hinweg. Im Konzert der Besten mitzukämpfen und dann auch noch in die Medaillenränge nach langen entbehrungsreichen Trainingsjahren zu kommen, ist selbstbestärkend und mitreißend für andere. Das ist die emotional glänzende Seite der Medaille.
Auf die inakzeptablen Verzerrungen im Leistungssport – Doping, ungeklärte Geschlechtsdefinitionen, politisch nicht-anerkannte Teilnehmer und Teilnehmerinnen – möchte ich hier nicht eingehen. Ich folge da mehr den kritischen Gedanken von Christian Löer zum Thema. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass schon seit über 15 Jahren gerade im Schulsport leistungsbestimmende Positionen geräumt wurden. Bundesjugendspiele ohne gesunden Konkurrenzgedanken etwa sind für alle sportaffinen Kinder eher eine Lachnummer.
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Schulsport, leistungsorientierte Sportschulen und Stützpunktanbindungen sind über die Jahre an sehr vielen Stellen durchlöchert worden. Die Kommunen – insbesondere die „Sportstadt“ Köln – schafft es in diesen Einrichtungen nicht, für intakte Sport- und Schwimmhallen zu sorgen. Solche und weitere Leckagen sind seit Jahren hinderliche Begleitmusik auf Kommunal- und Landesebene zum Thema „Olympia in Deutschland“. In NRW gibt es kein international vorzeigbares Leichtathletik-Stadion.
So gesehen sind unsere Voraussetzungen für die Spiele in 16 oder gar 20 Jahren sehr nachholbedürftig, was die sportbezogene Infrastruktur angeht. Darüber hinaus wissen wir heute überhaupt nicht, wie eine Bundesregierung für das Jahr 2040 Zusagen machen kann. Die bisherigen Abrechnungen mit IOC, UEFA und Fifa sind geradezu grotesk. Dort, wo Einkünfte bei Großveranstaltungen erwirtschaftbar werden, greifen die drei vorgenannten Institutionen nach schweizerischem „Vereinsrecht“ kernig ab. Auf den nicht geringen Infrastruktur- und Sicherheitskosten bleiben die Ausrichterländer sitzen. Charlie Held Köln Ehemaliger Sportdezernent der Bezirksregierung Köln
Bekenntnis zum Leistungssport unangebracht
Olympia in Paris und der vermeintlich mageren Medaillenausbeute im internationalen olympischen Jagdgeschehen sind zahlreiche Kommentare und Stellungnahmen zur Gegenwart und Zukunft des Leistungssports geschuldet, die mehr Geld, mehr Akzeptanz, mehr Professionalisierung, mehr Leistungsethos, bessere Rahmenbedingungen etc. fordern. Bei allem Respekt für die genannten Argumente bietet Olympia 2024 erneut die Gelegenheit zu einer gedanklichen Umorientierung: Ist jetzt tatsächlich ein Bekenntnis zum Leistungssport das Gebot der Stunde oder vielmehr ein Nachdenken über den Stellenwert von Bewegung in unserer Gesellschaft?
Eine Kurzanalyse hierzu macht Folgendes erneut deutlich: Eine planvolle Bewegungsförderung in der Früherziehung – Fehlanzeige; Leibeserziehung und Sportunterricht in der Grundschule – zu über 70 Prozent fachfremd angeleitet; Ausfallstunden im Sekundarbereich – vorrangig Sport, Musik und Kunst; sozialer und institutioneller Zugang zu vielen Bereichen des Sports – selektiv; Prävention und Rehabilitation durch Bewegung, Spiel und Sport – unzureichend abgesichert; Inklusion und Sport – mehr Wunsch als Realität!
Ist da tatsächlich ein erneutes Bekenntnis zum Leistungssport das Gebot der Stunde? Zumal seit langem das sogenannte Pyramidenmodell – vom kindlichen Sportengagement und -interesse zum Olympiasieg – eine Legende ist. Die in den Beiträgen genannten Vorschläge zum Leistungssport gelten in anderen gesellschaftlichen Bereichen unter dem Gesichtspunkt von Relevanz und Nachhaltigkeit in viel höherem Maße. Ein Nachdenken darüber sei im Nachklang von Paris 2024 und als Vorüberlegung für eine Olympiade in Deutschland nicht nur erlaubt, sondern ist dringend geboten. Prof. Dr. Gerd Hölter Bornheim
Sportstätten in NRW: Nicht Olympia-tauglich
Es trifft nicht zu, dass wir wenig in den Sport investieren. Nur werden die Finanzmittel von Staat, Sponsoren, Fernsehsendern und die Ausgaben von Werbegeldern sehr ungleich verteilt. Der ganz überwiegende Teil fließt in den Fußball, ein wenig noch in Handball und Eishockey sowie in den Wintersport. Fast alle Großstädte haben auf Drängen der Fußballvereine Stadien in städtischem Besitz von Mehrzweckstadien in reine Fußballarenen umgebaut – so in Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Bremen, Hamburg und Stuttgart. Jeder Umbau dürfte eine dreistellige Millionensumme gekostet haben.
Daher gibt es in Deutschland nur noch drei (!) Stadien, wo man eine Leichtathletik-EM oder -WM ausrichten könnte. Keines davon steht in Nordrhein-Westfalen, das sich selbst als Sportland bezeichnet. Genauso wenig gibt es in NRW eine Schwimmhalle mit 50-Meter-Becken, Sprungbecken und einigen Tausend Zuschauerplätzen. In zwei der drei Kernsportarten der Olympischen Spiele ist NRW als Ausrichter auf internationaler Ebene seit Jahrzehnten nicht existent.
Der Fußball ist der einzige Sport, wo selbst in der siebten Liga bereits Geld gezahlt wird, damit die Spieler ihrem Hobby in einem bestimmten Verein nachgehen. Geld, für das es anscheinend genügend Sponsoren gibt, die anderen Sportarten fehlen. Und welche Motivation ist es für Jugendliche, andere Sportarten intensiv zu betreiben, wenn selbst ein durchschnittlicher Bundesligaspieler etwa eine halbe Million Euro im Jahr verdient, während die Sporthilfe noch nicht einmal einen Tausender im Monat zahlt? Gernot Ratajek-Greier Wiehl
Olympia 2024: „Mir persönlich reicht der zehnte Platz vollkommen!“
Ich verstehe die Aufregung über das Ergebnis der deutschen Sportler bei den Olympischen Spielen in Paris nicht. Während jeglicher Nationalismus in Deutschland verpönt wird, regt man sich jetzt über den zehnten Platz von insgesamt über 200 teilnehmenden Nationen im Medaillenspiegel auf und fordert mehr Geld für die Unterstützung des Spitzensports. Wie jeder weiß, sind die öffentlichen Haushalte der Kommunen, der Länder und des Bundes verschuldet, und es gibt unzählige dringliche Bedürfnisse. Wenn überhaupt sollte man eher den Breitensport als den Spitzensport, von dem ja nur sehr wenige profitieren, mit Steuergeldern unterstützen. Mir persönlich reicht der zehnte Platz vollkommen! Dr. Christiane Aschoff-Ghyczy Köln
Olympische Spiele in Deutschland unter keinem guten Stern
Nachdem deutsche Bewerbungen für Olympische Spiele mehrmals scheiterten, ist jetzt die Rede von 2040 als Jahr für die Austragung dieses Sportfests in Deutschland. Die Geschichte zeigt allerdings, dass Olympische Spiele in Deutschland unter keinem guten Stern stehen. In Berlin 1936 wurden die Spiele von den Nazis als Propagandashow missbraucht. In München 1972 fing Olympia heiter an, doch durch die Ermordung israelischer Sportler legte sich ein Schatten über diese Olympiade.
Es wird keine Olympischen Spiele mehr in Deutschland geben, auch weil Deutschland ein Fußballland ist. Da war die WM 1974 und 2006 und die EM dieses Jahr. Bei der WM 2006 war die Welt zu Gast bei Freunden hierzulande. Die Deutschen wiederum sind lieber Gäste in Ländern, in denen Olympische Spiele stattfinden. Übrigens gibt es einen Kontinent, der die Spiele noch nie austragen durfte. Es wäre eine ideale Gelegenheit, die Olympischen Spiele von vielem überflüssigen und dazu noch megateuren Ballast zu befreien und sie zu einem Sportereignis zu machen, das zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Erik Noras Köln
Ausrichtung von Olympischen Spielen nicht Diktaturen überlassen
Wenn wir nicht wollen, dass die Olympischen Spiele in Staaten wie Nordkorea, China, Russland und anderen stattfinden, müssen wir uns darum kümmern, dass sie in demokratischen Länder abgehalten werden können. Das bedeutet auch in Deutschland. Ich würde mich sehr darüber freuen. Jürgen Jokiel Köln
„Mit Work-Life-Balance bekommt man keine Medaillen!“
Der deutsche Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen 2024 hat ein Dilemma der deutschen Gesellschaft offenbart: Die kulturelle Leistung der Deutschen hat sich in den letzten Jahren am Mittelmaß orientiert. Das gilt nahezu für alle gesellschaftlichen Bereiche. Die Schulnoten erodieren nach oben. Wer kein Einser-Abitur hat, ist bereits auffällig. Gleichzeitig rutschen wir in den Pisa-Vergleichen ab und Lehrherren und Unis klagen über schlecht vorgebildete Auszubildende und Studierende. Die Gesellschaft ergeht sich in Work-Life-Balance und die Wirtschaft dümpelt.
Die Sozialversicherungsträger schlagen Alarm, aber die Leistungsempfänger leben sich auf Kosten der Allgemeinheit aus. Man geht vorzeitig in den Ruhestand, lebt seinen „Anspruch“ auf Krankschreibung aus und reduziert seine Arbeitszeit. Gleichzeitig arbeiten immer mehr Rentner weiter. Ein recht großer Teil offensichtlich auch aus Spaß an der Arbeit. Und die „woke“ Politik und Gesellschaft fördert das durch ihre Statements. Warum sollte es im Sport anders sein?
„Made in Germany“ – von den Alliierten als Diskriminierung erdacht, aber durch viel Arbeit zum Qualitätsmerkmal entwickelt – ist dem Mittelmaß gewichen! Doch wer zur Elite gehören will, muss frühzeitig gefördert werden und lange und hart an sich arbeiten. Die Breite der Bevölkerung muss ebenso gefördert werden, weil das der Schmelztiegel für die Leistungsträger ist. Nur aus diesem Reservoir können sich die Medaillenanwärter durch Sonderförderung entwickeln. Das gilt für Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung, Arbeit und Sport gleichermaßen. Doch mit Work-Life-Balance bekommt man keine Medaillen! Wolfgang Tries Köln
Olympia-Bewerbung: Profilierung und Imagepolitur für die Politik?
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst trötet mal wieder das „Hohe Lied von Olympia“. Er behauptet, 95 Prozent der Wettkampfstätten wären vorhanden – sie sind dann aber offensichtlich gut versteckt. Schulsport fällt aus. Zumindest in Köln müssen Schulkinder in umgebauten Überseecontainern schwimmen lernen. Diese werden tageweise und mit Lkw-Einsatz vor die entsprechenden Schulen gefahren. Städtische Schwimmbäder begrenzen die Anzahl der Besucher, weil kein Aufsichtspersonal vorhanden ist – einige Bäder können deshalb gar nicht öffnen.
Sportvereine können Schulturnhallen nicht mehr nutzen, weil diese mittlerweile marode sind und deshalb von amtlicher Stelle gesperrt wurden. Die Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden. Wenn NRW in Sachen Wettkampfstätten doch so toll aufgestellt ist, stellt sich die Frage: Wo sind die Sportstätten und warum dürfen Schüler und Schülerinnen und Mitglieder von Sportvereinen sie nicht nutzen? Oder geht es bei der Olympia-Diskussion nur um Profilierung und Imagepolitur? Georg-Heinrich Edelmann Köln
Olympia-Bewerbung: Wichtigere Aufgaben stehen an
Ach, wie schön: Olympia in Deutschland! Eine Regierung, die keinen Haushalt hinkriegt, fehlende Milliarden sucht und die sich gegenseitig austrickst. Ein Land mit maroden, unpünktlichen ÖPNV-Systemen, kaputten Brücken, Straßen und Bahnlinien. Mit Parteien und Menschen, die Ausländer abschieben wollen. Was soll da eine Olympia-Bewerbung? Schielen auf mögliche Umsätze für Gastronomie, Verkehr und Hotellerie? Sommermärchen? Bitte nicht – erst alle Hausaufgaben machen, Bürokratie abbauen und möglichst alle anwesenden Ausländer als Fachkräfte integrieren. Dann können wir weitersehen. Karl Kutsch Wesseling
Olympische Spiele: Kann Leistungssport noch Vorbild sein?
Nach Beendigung der Olympischen Spiele mit der für Deutschland kargen Medaillen-Ausbeute wird jetzt nach großzügiger staatlicher Förderung und Verbesserung aller Möglichkeiten bis hin zum Schulsport gerufen. Wenn der Schulsport leidet, muss man ihn verbessern, da unsere Jugend offensichtlich zu wenig Bewegung hat. Es ist aber verfehlt, darin den Beginn einer Kaderschmiede für künftige Olympioniken zu sehen. So war es, als totalitäre Staaten wie die DDR und die UdSSR ihre „Staatsamateure“ hervorbrachten, während man bei uns noch an Amateursport glaubte, obwohl er das auch schon nicht mehr war.
Heute sind alle, die um Medaillen kämpfen, als Berufssportler anzusehen und können ausreichend versorgt ihre Ziele ansteuern. Dabei ist es fraglich, ob das überhaupt so erstrebenswert ist. Der Leistungssport auf höchstem Niveau ist längst an einem Punkt angekommen, wo man sich ernsthaft fragen kann, ob solcher Sport physisch und psychisch noch gesund ist. Kann er dann noch als Vorbild und Anregung für die Jugend und den Breitensport angesehen werden?
Der Staat nutzt Ehrgeiz und Erfolg der Spitzensportler für das eigene Renommee. Doch sollte man nicht überbewerten, wenn man in Florida schneller läuft als in Leverkusen. Mir fallen andere Qualitäten junger Menschen ein, die man fördern könnte. Dieter Ratzke Bergisch Gladbach