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Wüst bei Miosga„Es gibt zwischen Union und AfD keine Verabredung – und dabei bleibt es!“

Lesezeit 5 Minuten
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst stellte sich den Fragen von Caren Miosga. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst stellte sich den Fragen von Caren Miosga. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Auch über das Attentat von Aschaffenburg sprach Caren Miosga am Sonntagabend unter anderem mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst von der CDU.

Nach dem blutigen Attentat von Aschaffenburg ist die Migrationsdiskussion in eine neue Phase eingetreten. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat dauerhafte Grenzkontrollen und einen Einreisestopp für Migranten gefordert. Damit will er Attentate wie die von Aschaffenburg oder Magdeburg verhindern. „Das Maß ist endgültig voll“, hatte Merz in der vergangenen Woche gesagt.

„Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik. Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht. Ich sage nur, ich gehe keinen anderen.“ Später ruderte Merz zurück - manch einer sah mit dieser Aussage die Brandmauer zur AfD bröckeln. Am Sonntagabend wollte Caren Miosga in ihrer Sendung (ARD) von dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst von der CDU wissen, wie Deutschland wieder sicher werden könnte.

Großer Migrations-Talk bei „Caren Miosga“ - mit (von links) Journalistin Vanessa Vu, Oberbürgermeister Thomas Jung, Moderatorin Caren Miosga, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Journalist Ronen Steinke. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Großer Migrations-Talk bei „Caren Miosga“ - mit (von links) Journalistin Vanessa Vu, Oberbürgermeister Thomas Jung, Moderatorin Caren Miosga, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Journalist Ronen Steinke. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Es sei richtig, dass Deutschland seit vielen Jahren an den Grenzen operiere, vielfach überfordert sei. Die Themen der Sicherheit kämen noch dazu, erklärte Wüst. „Die Menschen erwarten, dass wir in der Politik Probleme lösen und möglichst auch Probleme für die Zukunft klein halten“, sagte Wüst. Dennoch trauen laut einer Umfrage der ARD gerade einmal 25 Prozent der Bevölkerung der Union zu, die Migrationsprobleme zu lösen. Dabei weiß Wüst genau, was jetzt getan werden muss: „Wir müssen irreguläre Migration beenden.“

Die Union wolle Menschen helfen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen. „Aber wir müssen es auch können. Und man muss vor allem in dieser Situation, wo die Bereiche Sicherheit und Migration nicht mehr an allen Stellen voneinander zu trennen sind, etwas ändern.“ Bundeskanzler Scholz habe bisher auf das Attentat von Aschaffenburg keine ausreichenden Antworten gegeben, und darum sei es gut, dass die Union solche Antworten anbiete, so Wüst.

Hendrik Wüst bei Caren Miosga: „Wir wollen die Stimmen der politischen Mitte haben“

Das soll diese Woche im Bundestag passieren. Am Mittwoch will die Union über eine deutlich härtere Asylpolitik abstimmen lassen. „Ich schaue nicht rechts und nicht links, ich schaue nur geradeaus“, polterte Kanzlerkandidat Merz dazu. Ob es egal sei, wenn die AfD mit der Union gemeinsam für deren Anträge stimmt, wollte Moderatorin Miosga wissen. Wüst: „Es gibt zwischen Union und AfD keine Verabredung, keine Gespräche, und dabei bleibt es.“

Merz habe sein persönliches Schicksal damit verbunden, so Wüst weiter. „Wir werben um eine Mehrheit der Mitte.“ Auf die wichtigen Probleme müssten die demokratischen Parteien Antworten geben, so Wüst. „Und deswegen werben wir natürlich auch darum, dass SPD und Grüne mitstimmen. Dazu sind sie herzlich eingeladen.“

„Süddeutschen Zeitung“-Journalist Ronan Steinke zielte auf ein Kernproblem, warum Migration nicht immer funktioniere: „Wir reden von Männern, die nichts zu tun haben. Da, wo die Arbeitslosigkeit hochgeht, wo die Leute nichts zu tun haben, kommen auch viele auf die schiefe Bahn.“  (Bild: NDR/Thomas Ernst)

„Süddeutschen Zeitung“-Journalist Ronan Steinke zielte auf ein Kernproblem, warum Migration nicht immer funktioniere: „Wir reden von Männern, die nichts zu tun haben. Da, wo die Arbeitslosigkeit hochgeht, wo die Leute nichts zu tun haben, kommen auch viele auf die schiefe Bahn.“ (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Würden SPD und Grüne den Unionsforderungen nicht zustimmen, könnten sie allerdings trotzdem mit den Stimmen von BSW, FDP und AfD angenommen werden. BSW und FDP haben ihre Zustimmung signalisiert, die AfD behauptet, die Union hätte ihre Forderungen „geklaut“.

Auch die in Teilen rechtsextreme Partei könnte also gemeinsam mit der Union im Bundestag stimmen. „Wir wollen nicht die Stimmen der AfD“, sagte Wüst. „Wir wollen die Stimmen der politischen Mitte haben.“ Dazu müsste jedoch die Union möglicherweise hier und da kompromissbereit sein. „Keine Kompromisse mehr“, forderte jedoch Friedrich Merz unlängst - was Caren Miosga zu einem Fragen-Triple an Wüst verleitete: „Nehmen Sie den Mund da nicht ein bisschen zu voll? Werden Sie nicht Wähler enttäuschen? Ist das nicht ein bisschen sehr rigoros?“

Der Ministerpräsident ordnete ein: „Wenn die Situation so ist, dass man sagt: Lass uns reden, dann werden wir nicht sagen: Wir reden nicht.“ Das sei der Kern des Parlamentarismus. Wüst kann sich offenbar Kompromisse vorstellen. „Aber der Kern muss erhalten bleiben: Wir müssen irreguläre Migration beenden und wir müssen dieses Land sicherer machen. Daran darf nicht gerüttelt werden.“

Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung schilderte die Situation in seiner Stadt - und prangerte die Familiennachzugsregelung aus der Merkel-Ära an. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung schilderte die Situation in seiner Stadt - und prangerte die Familiennachzugsregelung aus der Merkel-Ära an. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Gleichzeitig warf Wüst Kanzler Olaf Scholz (SPD) reinen Wahlkampf und „blanke Not“ vor, „eine Debatte hochzuziehen und der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag faktisch das Recht zu entziehen, Vorschläge zu machen, die nicht vorher eine Mehrheit mit Rot-Grün haben oder wo nicht die AfD sich vorher klar ablehnend dazu verhalten hat. Das dürfen wir jetzt in dieser Situation nicht machen!“ Ein weiterer Vorwurf an Scholz: „Der Rest dieser Koalition und auch der Kanzler sagen: Von ihm kommt da nix, das müssen dann mal irgendwelche Behörden in den Ländern regeln. Ist die demokratische Politik still, gibt keine Antwort auf die Fragen?“

Robert Habeck äußert sich in den „Tagesthemen“: „Man kann nicht sehenden Auges das Recht brechen“

Geht es nach Thomas Jung, dem SPD-Oberbürgermeister der Stadt Fürth, könnte sich die SPD auf die Union zubewegen. „Wer Europa insgesamt als demokratisches System erhalten will, der kann die jetzige Situation nicht einfach belassen“, sagte er bei Miosga und schilderte die Situation in Fürth. Er sei froh, dass die Ampelregierung in Wahrheit einiges unternommen habe, denn die Einwanderungszahlen seien zurückgegangen.

Das reicht der Union jedoch nicht aus. Unionskanzlerkandidat Merz verlangt, „die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren“ und abgelehnte Asylbewerber bis zu deren Ausreise vorsorglich in Haft zu nehmen.

Ob die Grünen den Vorschlägen der Union zustimmen würden, wollte nach der Sendung Ingo Zamperoni in den „Tagesthemen“ vom Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck wissen: Der stellte klar: „Die Anträge sind in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig. Man kann nicht sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern. Das wäre das Ende des Rechtstaats.“ Die Grünen würden den Unionsanträgen deswegen nicht zustimmen. Die Anträge gemeinsam mit der AfD zu beschließen, nennt Habeck einen Tabubruch. (tsch)