Die erste Auslandsreise des neuen britischen Königs Charles III führt ihn nach Deutschland.
Erste AuslandsreiseWas König Charles in Deutschland erwartet und welche Bedeutung sein Besuch hat
Die erste Auslandsreise des neuen britischen Königs führt ihn nach Deutschland. Das ist kein Zufall: Charles III. hat deutsche Wurzeln und hat seine familiären Verbindungen immer gepflegt. Doch dahinter steckt mehr als blaues Blut, das dicker ist als Wasser. Auch politisch findet der King viele Anknüpfungspunkte in die Bundesrepublik.
Das Grüne und die Landwirtschaft
Den König zieht es zuerst zu den Schweinen und Rindern. Oder jedenfalls ins Grüne. So war es schon zu seiner Zeit als ewiger Thronfolger, wenn der damalige Prinz und heutige King Charles III. im Ausland unterwegs war oder Gäste auf seinem Landsitz empfing.
„Bei Tee und Cucumber-Sandwich fragte er mich, wie ich die europäischen Agrarsubventionen einschätze und verbessern würde“, erinnert sich die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) an ihre Einladung auf den königlichen Landsitz Highgrove anno 2001.
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Sie schwärmt noch heute von Charles als einem „sehr interessierten, kultivierten Menschen mit einer großen Liebe zu Details, zu Pflanzen, Tieren“, verriet Künast jüngst dem „Spiegel“. „Als wir Jahre später zusammen ein Institut für Ökolandbau in Schleswig-Holstein besichtigten, wollte er zuallererst zu den Rindern.“
König Charles III: Die Umwelt liegt ihm sehr am Herzen
Charles und das Grüne, das zieht sich als Faden durch seine Erwachsenenbiografie. Und zwar nicht als kleiner Spleen. Der Thronfolger war Aktivist, fuhr im Namen ihrer Majestät zu Klimakonferenzen, forderte die Weltgemeinschaft noch Ende 2020 per Videobotschaft zur Internationalen Klimawoche in New York auf, den Klimawandel als „kriegsähnlichen Zustand“ zu sehen und so geplant „wie bei einer militärischen Aktion“ zu bekämpfen, „perverse“ Subventionen für umweltschädliche Industrien zu streichen.
Er machte Schlagzeilen als Biobauer in großem Stil und aus einem alten britischen Herrenhaus einen Musterbetrieb für nachhaltige Textilwirtschaft, die Medien titulierten ihn als Weltverbesserer, als Öko-, Bio- und Klimaprinzen.
Charles III: Weltverbesserer, Öko-, Bio- und Klimaprinz
Vieles spricht dafür, dass Charles das Thema auch als König nicht ablegen wird. Im Gegenteil: Auch, wenn ihn seine erste Auslandsreise als neuer König von Großbritannien von diesem Mittwoch an für drei Tage nach Deutschland führen wird, steht ein Abstecher in das Ökodorf Brodowin vor den Toren Berlins auf dem Programm, und ehe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Abend ein Staatsbankett für seine Majestät ausrichtet, trifft Charles bereits am Nachmittag im Schloss Bellevue bei einem Klimaempfang auf Menschen aus Politik, Forschung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die sich mit Energiewende und Nachhaltigkeit befassen. Steinmeier wird sogar eigens eine Rede zum Thema halten.
Besuch unterstreicht enge und herzliche Freundschaft zwischen unseren Ländern
Freilich ist die Bedeutung des königlichen Besuchs weitreichender. Dass Charles auf seiner ersten Auslandsreise als König, noch vor seiner offiziellen Krönung am 6. Mai, kein Commonwealth-Mitglied besucht, sondern Zentraleuropa, ist kein Zufall: Über die Staatsbesuche des Königs entscheidet die britische Regierung mit, und im Falle von Charles fallen dessen persönliche Vorlieben und familiäre Bande mit dem nationalen Interesse zusammen.
Reiseplanänderung nach Protesten in Frankreich
Der neue Premier Rishi Sunak will mit dem Konfrontationskurs seiner Vorgänger Boris Johnson und Liz Truss brechen, die vor allem mit Provokationen und Sticheleien gegen die EU auffielen. Dass Frankreich, das ursprünglich als erste Station vorgesehen war, wegen der dortigen Protestwelle kurzfristig vom Reiseplan gestrichen wurde, macht den Besuch in Deutschland aus Sicht der Gastgeber nochmals bedeutender.
„Dieser frühe Besuch unterstreicht die enge und herzliche Freundschaft zwischen unseren Ländern und unseren Bürgerinnen und Bürgern“, verkündete Steinmeier vorab, der Charles als dessen Gastgeber in Berlin begrüßen und die vollen drei Tage begleiten wird. Das gilt ebenso als besondere Geste wie die Begrüßung mit militärischen Ehren, die erstmals am Brandenburger Tor stattfinden.
„Frankreich und Deutschland sind neben Amerika die beiden wichtigsten Verbündeten Großbritanniens“, sagt Craig Prescott, Verfassungs- und Monarchieexperte von der walisischen Universität Bangor, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Ukraine-Krieg: Enge Zusammenarbeit zwischen EU und Großbritannien
Das zeige sich derzeit auch im Ukraine-Krieg: „Es ist ein Signal, dass Europa eine Priorität für das Vereinigte Königreich und die britische Regierung ist.“ Die königliche Familie betone diese Verbundenheit seit dem Brexit noch deutlicher.
Auch Steinmeier weist immer wieder darauf hin, dass Deutschland und Großbritannien in Europa die größten militärischen Unterstützer des von Russland angegriffenen Landes seien. Mit dem Charles-Besuch wolle man ein „neues Kapitel in den deutsch-britischen Beziehungen aufschlagen“, heißt es aus dem Bundespräsidialamt.
Mit diesem Besuch lasse man nach den Schatten, die der Brexit auf das bilaterale Verhältnis warf, die „Wirren der Trennung“ hinter sich und schaue gemeinsam wieder nach vorn.
Charles-Besuche blieben im Gedächtnis
Es könnte dafür keinen besseren Entsandten des Vereinigten Königreichs geben als Charles. Nicht nur blickt der 74-Jährige auf eine beeindruckende Liste an Deutschland-Reisen zurück: Nach Angaben der britischen Botschaft war er bereits rund 30-mal hier, und das waren nur die offiziellen Visiten. Hinzu kamen private. Als 13-Jähriger begleitete er erstmals seinen Vater Prinz Philip nach Frankfurt, um von dort aus Verwandtschaft zu besuchen.
Es folgten zahlreiche weitere Besuche – oft genug mit Bildern, die den Deutschen bis heute im Gedächtnis geblieben sind: Charles im Schatten seiner jungen, schönen und weltweit verehrten Gemahlin Diana in Hamburg, 1987.
Charles, wie er in Parka und Gummistiefeln mit Fürst Philipp zu Hohenlohe-Langenburg in einem Oldtimer-Cabrio durch die baden-württembergische Provinz fährt, vorbei an winkenden Schaulustigen, lachend, unterwegs zu Biobauern der Region und deren Ferkelzucht, 2013.
Charles hat schon im Münchner Hofbräuhaus getanzt, einen Hahn im Arm gehalten, die Ostseeinsel Vilm besucht und in Brandenburg einen Geburtstag verbracht. Zuletzt war er 2020 hier, als er mitten in der Corona-Pandemie im menschenleeren Plenum des Bundestags zum Volkstrauertag über die deutsch-britische Aussöhnung sprach.
In noch besserer Erinnerung ist aber ein ganz anderes Bild, das Charles in Deutschland zeigt: Der Prinz in einer Ostberliner Plattenbauwohnung, 1995: der Royal auf dem Sofa der zufällig ausgewählten Familie Kunz im Stadtteil Hellersdorf, Topfpflanzen auf der Fensterbank, Spitzengardinen.
Zum Empfang gab’s Mon Chéri, Saft und Rotkäppchen-Sekt. Mama Eva-Maria lobte danach, Charles „war sehr interessiert an unserem Leben“. Er habe viele Fragen gestellt, bei den Antworten habe man ihm das Grübeln angesehen. „Ich würde sagen, er nimmt da auch was mit.“
Der König spricht sehr gut Deutsch
Charles’ Faible für Deutschland geht weit über die politische Ebene hinaus. So berichtet seine Biografin Mayer, dass der neue König viel Interesse an Homöopathie habe, die aus Deutschland nach Großbritannien kam, sowie an der Balance von menschlicher Gesundheit, Natur und deutschen Philosophen.
Gesundheit, Natur und Philosophen
„Die Vorstellung, draußen in der Natur zu sein, die Vorstellung, dass das wichtig für die Seele und den Geist ist, das sind wahrhaftig keine britischen Ideen“, sagt Mayer der dpa. „Charles hat sich auf eine Weise mit der deutschen Kultur auseinandergesetzt, wie es vermutlich wenige seiner Landsleute getan haben.“
Dazu gehört auch, dass der König sehr gut Deutsch spricht. „Seit ich gerade mal 13 Jahre alt war, bin ich immer wieder nach Deutschland gekommen“, sagte er 2020 bei einer Rede im Bundestag, von der er ganze Passagen auf Deutsch vortrug. Mit deutlichem Akzent, aber dennoch flüssig. „Ich gehe davon aus, dass er auch bei diesem Besuch wieder Deutsch sprechen wird“, ist sich Royal-Experte Prescott sicher.
Charles wuchs damit auf: Auch sein Vater, der 2021 verstorbene Prinz Philip, sprach gut Deutsch. Charles’ Vorfahren waren sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits im Wesentlichen deutschstämmig.
Haus Hannover: jahrhundertelange Geschichte mit Deutschland
Jahrhundertelang hatte das Haus Hannover die Regenten Großbritanniens gestellt, als Letztes mit Queen Victoria. Nach deren Hochzeit 1840 mit dem deutschen Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha nahm die königliche Familie seinen Namen an und behielt diesen rund 80 Jahre, bis es erneut zu einer Umbenennung kam.
„1917, auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs, als in Großbritannien alles Deutsche radikal abgelehnt wurde, änderte König George V. den Titel seines Geschlechts von Sachsen-Coburg und Gotha in Windsor, den vertrauenswürdig englisch klingenden Namen ihres Schlosses in Berkshire“, erklärt Autorin Catherine Mayer in ihrer Biografie „Mit dem Herzen eines Königs“.
Doch dabei beließ König George V. es nicht. Auch die Vorfahren auf Charles’ väterlicher Seite drängte er dazu, ihren Namen zu anglisieren. Aus Battenberg wurde Mountbatten. Ein Name, der Royalfans bekannt ist. Diesen nun britisch klingenden Nachnamen trug Prinz Philip kurz vor seiner Hochzeit mit der späteren Queen Elizabeth II.
Etwas, das ihm zugutekam, denn zu der Zeit wurde auch viel über die Nazi-Verbindungen seiner Familie gesprochen. Seine vier Schwestern hatten alle deutsche Aristokraten geheiratet, die zum Teil aktiv in der NSDAP waren und persönliche Hitler-Kontakte hatten.
Charles will den großen Bogen schlagen
Doch die Verwandtschaftsbeziehungen nach Deutschland ziehen sich bis in die Gegenwart. Von der „erweiterten Familie“ spricht Monarchieexperte Prescott in dem Zusammenhang.
Dazu zählten etwa Charles‘ Cousin Max Markgraf von Baden, der jedoch Ende vergangenen Jahres starb, der noch lebende Cousin Prinz Rainer von Hessen sowie der bereits genannte Fürst Philipp zu Hohenlohe-Langenburg, dessen Onkel zweiten Grades Charles ist.
Er traf zuletzt im vergangenen Jahr bei der Beerdigung der Queen auf Charles und zeigte sich gegenüber dem SWR tief berührt: „Es ist eine große Ehre, auf der Trauerfeier und Beisetzung meiner Großtante persönlich ihr die letzte Ehre erweisen zu dürfen.“
Dass der britischen königlichen Familie ebenfalls immer viel daran gelegen habe, „sich mit ihrer erweiterten Familie in Deutschland, aber auch im übrigen Europa, auseinanderzusetzen“, betont auch Experte Prescott. Das sei vor König Charles schon dessen Vater Prinz Philip wichtig gewesen.
Als ein Beispiel dafür nennt Prescott, dass Prinz Philip sich schon vor seinem Tod gewünscht habe, dass der deutsche Familienteil auch zu seiner Beerdigung kommen solle. Denn bei seiner Hochzeit 1947 hätten seine Schwestern wegen besagter Nazi-Verbindungen nicht teilnehmen dürfen.
War Philips Verhältnis zu Deutschland ambivalent, so hat sich Charles auch mit den Schattenseiten auseinandergesetzt. Zugleich will er den ganz großen Bogen schlagen: „Die Verbindungen zwischen der britischen und der deutschen Bevölkerung reichen zurück bis mindestens ins Römische Reich“, sagte er bei seiner bislang letzten Rede im Bundestag.
„Für viele von uns sind diese Verbindungen persönlicher Natur, wir haben familiäre Bindungen und Beziehungen, die uns auch heute noch lieb und teuer sind.“ In das „Wir“ schließt er sich selbst ein. Am Donnerstag wird Charles erneut im Bundestag sprechen. (RND)