Köln – Zwei Wochen vor der geplanten Rückkehr des Kölner Kardinals Rainer Woelki aus einer knapp fünfmonatigen „geistlichen Auszeit“ melden führende NRW-Landespolitiker parteiübergreifend massive Bedenken an. „Unsere Kirche braucht einen Neuanfang“, sagt etwa Umweltministerin Ursula Heinen-Esser dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Mit der CDU-Politikerin aus Köln kommt erstmals ein Mitglied der Landesregierung in Düsseldorf zur „Causa Woelki“ aus der Deckung. „Mehr Mitsprache und Beteiligung sind zwingend“, sagt die Kölnerin mit Blick auf die Situation im Erzbistum Köln und die Zeit nach der vom Papst festgelegten Beurlaubung des Kölner Kardinals.
Heinen-Esser legt zwar Wert darauf, nicht als Ministerin zu sprechen, und tatsächlich hat sich die NRW-Regierung sowohl unter Ministerpräsident Armin Laschet als auch unter seinem Nachfolger Hendrik Wüst (beide CDU) mit Äußerungen zur Lage der Kölner Kirche auffallend zurückgehalten. Allerdings ist gerade Heinen-Esser für vielfältiges ehrenamtliches Engagement in ihrer Kirche bekannt. Die 56-Jährige war unter anderem Landesvorsitzende von „Donum Vitae“, der von Laien getragenen Schwangerenberatung katholischer Prägung.
Katholikin Heinen-Esser nennt die Lage „sehr bedrückend“
Als bekennende Katholikin empfinde sie das Agieren der Bistumsleitung im Missbrauchsskandal und die Abkehr vieler Menschen von der Kirche als „sehr bedrückend“. Woelkis voraussichtliche Rückkehr am Aschermittwoch (2. März) stelle „eine besondere Herausforderung dar, besonders dann, wenn der Eindruck entsteht, dass aus dieser Krise keine Lehren gezogen werden“. Nicht nur die Gläubigen, sondern auch die Politik benötige „eine lebendige und Orientierung bietende Kirche“, so Heinen-Esser.
Eng verbunden mit der katholischen Kirche ist auch Jochen Ott. Wie Heinen-Esser macht der Fraktionsvize der SPD im Düsseldorfer Landtag und ehemalige Kölner OB-Kandidat einerseits eine Demarkationslinie zwischen Politik und Kirche kenntlich: Als Mandatsträger wollten sie sich nicht in innerkirchliche Angelegenheiten einmischen, sagen beide übereinstimmend. Andererseits seien sie in der katholischen Kirche sozialisiert und könnten auf viele positive Erlebnisse und Glaubenserfahrungen in ihren Gemeinden zurückblicken, die bis heute prägend seien.
Jochen Ott warnt vor „nachhaltiger Beschädigung“
Ott warnt vor einer „nachhaltigen Beschädigung“ des Erzbistums Köln, wenn Woelki „zurückkehrt, als wäre nichts gewesen“. Dieser Vorgang werde „Tausende Austritte provozieren – zusätzlich zu dem anhaltenden Mitgliederschwund, den das Erzbistum Köln aufgrund des Verhaltens einiger Verantwortlicher seit Längerem erlebt.“ Namentlich nennt Ott hier Woelki selbst und seinen Generalvikar Markus Hofmann.
Beide Politiker fordern in der aktuellen Situation eine Mitbestimmung der Laien über die Zukunft im Erzbistum. Ott betont, angesichts der Lage in Köln sei das Nichteinmischungsprinzip für ihn ausdrücklich „keine Option mehr“: Woelkis Rückkehr besorge ihn sehr.
Ruf nach Beteiligung
In den jüngsten Beschlüssen des Reformprozesses „Synodaler Weg“ zu stärkerer Teilhabe der Gläubigen sieht Heinen-Esser auch einen Ausweg aus der Misere im Erzbistum Köln: „Wann, wenn nicht in einer solch schweren Situation sollen Mitbestimmung und Beteiligung möglich werden?“
Mit einem Plädoyer für Aufbruch und Neuanfang verbinden die Christdemokratin wie auch der Sozialdemokrat den Ruf nach einer offenen, menschenfreundlichen Kirche. „Die unveränderte Kraft der Gemeinden und ihrer Ressourcen, der Ehrenamtlichen, der Bildungswerke, Vereine und Stiftungen muss vor Ort wieder zur Entfaltung kommen und genutzt werden,“ sagt Ott. Und Heinen-Esser ergänzt: „Wir brauchen die starke Stimme der Kirche für Werte wie Zusammenhalt, Nachhaltigkeit und Lebenschancen.“