Druck auf Präsidenten wächstJoe Biden räumt ein, während TV-Debatte „fast eingeschlafen“ zu sein

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US-Präsident Joe Biden schaut während der ersten Präsidentschaftsdebatte der Wahlen 2024 mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nach unten.

US-Präsident Joe Biden schaut während der ersten Präsidentschaftsdebatte der Wahlen 2024 mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nach unten.

Ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Texas ruft Joe Biden im Wahlkampf zum Rückzug auf – der entscheidet sich für die Flucht nach vorne. 

Der aus Sicht der Demokraten desaströse Auftritt des US-Präsidenten Joe Biden beim TV-Duell mit Donald Trump schlägt in den USA nach wie vor hohe Wellen. Vor allem in den eigenen Reihen wächst der Druck auf den 81-Jährigen, der für eine zweite Amtszeit kandidieren will. 

Ein erster demokratischer Abgeordneter aus dem US-Repräsentantenhaus forderte Biden nun öffentlich auf, aus dem Rennen um die Präsidentschaft auszusteigen und Platz für einen anderen Kandidaten zu machen. Lloyd Doggett schrieb in einer Stellungnahme, es falle ihm nicht leicht, seine Vorbehalte öffentlich zu machen.

Demokrat fordert Joe Biden öffentlich auf, seinen Rückzug anzutreten

Anders als Trump habe Biden immer den Interessen des Landes gedient und nicht seinen eigenen. Er hoffe, der Präsident werde die schwierige und schmerzhafte Entscheidung treffen, seinen Rückzug anzutreten, so Doggett. „Ich fordere ihn respektvoll auf, dies zu tun.“

Bei seinen jüngsten Auftritten zeigte sich Joe Biden kämpferisch.

Bei seinen jüngsten Auftritten zeigte sich Joe Biden kämpferisch.

Bislang hat Joe Biden einen solchen Schritt kategorisch ausgeschlossen. Stattdessen ging der 46. Präsident der Vereinigten Staaten am Dienstag in die Offensive und thematisierte seinen schwachen Auftritt im ersten Fernsehduell gegen Herausforderer Donald Trump. Grund dafür seien die Folgen anstrengender Auslandsreisen, weswegen er sehr erschöpft gewesen sei.

Joe Biden erklärt Fiasko bei TV-Duell: „Bin auf der Bühne fast eingeschlafen“

Bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Virginia sagte Biden am Dienstagabend (Ortszeit) laut mitreisenden Journalisten, er sei kurz vor der TV-Debatte faktisch mehrmals um die Welt gereist, was „nicht sehr klug“ gewesen sei. Er habe nicht auf seine Mitarbeiter gehört – „und dann bin ich auf der Bühne fast eingeschlafen“. Das sei zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung, so der 81-Jährige.

Bidens Flucht nach vorne ist angesichts der massiven Kritik verständlich. Ob die Erklärung des Präsidenten allerdings klug ist, muss sich erst noch herausstellen. In der Vergangenheit hatten politischen Gegnern, vor allem aus dem Trump-Lager, Biden immer wieder als „Sleepy Joe“ verunglimpft, nun liefert er seinen Kritikern womöglich selbst Futter für deren Narrativ des „schläfrigen“ Präsidenten

Joe Biden: Zwei große Auslandsreisen vor TV-Duell

Fakt ist: In Bidens Terminkalender standen im vergangenen Monat tatsächlich zwei große Auslandsreisen. Zuerst war er Anfang Juni bei einer Gedenkveranstaltung zur Landung der Alliierten in der Normandie in Frankreich. Direkt im Anschluss absolvierte Biden einen Staatsbesuch in Paris, bei dem ihn Frankreichs Präsident mit großem Programm empfing. Dann flog er zurück in die USA – um nur wenige Tage später, Mitte Juni, wieder nach Italien zum G7-Gipfel zu reisen. Von dort aus ging es wiederum über neun Zeitzonen zurück an die US-Westküste, wo er in Los Angeles an einer exklusiven Spendengala für seinen Wahlkampf teilnahm.

Während sich der Präsident derzeit Kritik von allen Seiten gefallen lassen muss, erhielt er am Dienstag Unterstützung von prominenter Seite. 

Nancy Pelosi verteidigt Joe Biden – räumt aber offene Fragen ein

Die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verteidigte Biden und attestierte ihm in einem Interview mit dem US-Sender MSNBC „Urteilsvermögen und strategisches Denken“.

Auf Nachfrage sagte die Demokratin auch, dass es eine „berechtigte Frage“ sei, ob es sich bei Bidens Patzer im TV-Duell „nur um eine Episode oder einen Zustand“ gehandelt habe. Allerdings müssten beide Kandidaten in der Frage nach ihrer Eignung für das Präsidentenamt einer gleichermaßen kritischen Betrachtung unterzogen werden. Pelosi betonte, es sei schwer, mit Trump zu debattieren, da der republikanische Ex-Präsident andauernd lüge. Ein Faktencheck von CNN zum TV-Duell hatte bestätigt, dass eine Fülle von Aussagen Trumps falsche Angaben enthielten, andere wurden gar als Lügen enttarnt

Kandidatur von Biden bleibt Top-Thema in den USA: Kritik an Präsidenten wächst

Die Zukunft von Joe Biden bleibt in den USA allerdings weiter das Top-Thema in den Medien. Der US-Sender CBS berichtete, Biden werde sich bereits am Mittwoch mit demokratischen Gouverneuren verschiedener Bundesstaaten treffen, um sich deren Unterstützung zu sichern. Zuvor hatte der Sender CNN unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen berichtet, mehrere Gouverneure hätten zu Wochenbeginn miteinander telefoniert, um ein solches Treffen zu vereinbaren.

Nach einem Bericht der „Washington Post“ soll es noch eine weitere Krisenbesprechung geben: Der Stabschef des Weißen Hauses, Jeff Zients, wolle mit allen Mitarbeitern des Präsidenten eine Telefonkonferenz abhalten, hieß es. Darin solle betont werden, wie wichtig es sei, die Arbeit trotz des Gegenwinds fortzusetzen. 

Weißes Haus geht die Offensive

Bislang bemüht sich das Weiße Haus, Zweifel an Bidens Eignung für das Amt zu zerstreuen und seinen verpatzten Auftritt im Fernsehen so gut es geht vergessen zu machen. Der Präsident habe eben einen schlechten Abend gehabt, betonte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, bei einer Pressekonferenz. „Wir werden ein neues Kapitel aufschlagen“, sagte sie. Biden werde die Menschen in den USA bei Ortsterminen selbst von seinen Qualitäten überzeugen.

Geplant seien ein Fernsehinterview, Wahlkampfauftritte und in der kommenden Woche eine Pressekonferenz beim Nato-Gipfel in Washington. Biden selbst gab sich bei einem Termin in Washington bestens gelaunt und selbstbewusst. Seine Ansprache las er wie üblich von einem Teleprompter ab. (pst mit dpa)

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