Was macht das politische Erdbeben bei den Grünen in Berlin mit dem Landesverband in NRW? Mit Omid Nouripour verlieren die NRW-Grünen einen hochgeschätzten Verbündeten.
Polit-Beben in BerlinNRW-Grüne wurden vom Rückzug der Parteispitze kalt erwischt
NRW-Justizminister Benjamin Limbach war gerade im Auto unterwegs zu einem Termin in Düsseldorfer, als er über den Rücktritt der Grünen-Parteispitze in Berlin informiert wurde: Die Co-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour hatten dies soeben in der Hauptstadt erklärt – Grund sind eine Reihe von Wahlniederlagen.
Als Limbach wenig später im Foyer des Parlaments auf den Vorgang angesprochen wird, muss sich der Grünen-Politiker aus Bonn kurz sammeln. „Die Nachricht hat mich völlig überrascht“, sagt Limbach im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ricarda und Omid haben persönlich keinen Fehler gemacht. Dass sie jetzt Verantwortung übernehmen, verdient höchsten Respekt. Ihr mutiger Schritt birgt jetzt die Chance, eine neue Aufstellung zu finden, die uns bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr einen Schub geben wird.“
Das politische Erdbeben im Bundesvorstand hat die NRW-Grünen kalt erwischt. Dem Vernehmen nach wurde die politische Führungsriege in Düsseldorf erst am Morgen über die Rückzugspläne der beiden Parteivorsitzenden informiert. „Wir haben großen Respekt vor der Entscheidung, das zeigt Größe“, erklärten die Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer. Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur reagierte angefasster und persönlicher. „Was die beiden in den vergangenen Jahren für Die Grünen geleistet, wieviel Kraft sie zum Wohle der Partei investiert haben, sucht seinesgleichen. Dafür bin ich zutiefst dankbar“, sagte Neubaur dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
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Politischer und menschlicher Abschiedsschmerz
Der Abschied schmerzt politisch – und auf der menschlichen Ebene. Der nahbare Nouripour hatte sich im Landesverband der NRW-Grünen großen Respekt erworben. Kaum im Amt, war er sich beim Landtagswahlkampf der NRW-Grünen im Frühjahr 2022 nicht zu schade, mit der damaligen Spitzenkandidatin Mona Neubaur über die Dörfer zu tingeln, und der Kampagne einen Schub gegeben.
„Dass Omid geht, macht mich tieftraurig“, sagt eine Landtagsabgeordnete aus Westfalen. Ein Parlamentskollege nickt. „Mit seinem gradlinigen und authentischen Auftritt hat er viele Menschen aus dem bürgerlichen Lager in NRW für die migrationspolitischen Ziele der Grünen gewonnen“, so der Politiker aus dem Ruhrgebiet.
Die große Verärgerung über die Berliner Ampel-Politik hat im NRW-Landesverband der Grünen bislang nicht zu Erschütterungen geführt. In Umfragen liegt die Partei bei 14 Prozent, das ist zwar deutlich weniger als bei der Landtagwahl (18,2), aber noch kein Grund, in Panik zu verfallen.
Die Regierungsarbeit mit der CDU läuft gut, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht sein schwarz-grünes Bündnis als Musterkoalition für den Bund. Nach dem Anschlag von Solingen haben die Grünen Konzessionen in der Sicherheitspolitik an die CDU gemacht, die nicht jedem an der Basis gefallen haben. „Von einer Untergangsstimmung sind wir aber hier bei uns weit entfernt“, sagt ein Mitglied des Landesvorstands.
Neuanfang eröffnet Einflussmöglichkeiten für NRW – Felix Banaszak im Gespräch
Mit dem Neuanfang könnte auch der Landesverband NRW an Einfluss gewinnen, heißt es in Düsseldorf. Mit Felix Banaszak ist jetzt ein Bundestagsabgeordneter aus Duisburg im Gespräch, Parteivorsitzender zu werden.
Banaszak war von 2018 bis 2022 Landeschef in NRW, hatte nach der bitteren Pleite bei der Landtagswahl 2017 die Aufgabe übernommen, die Schulpolitik der Grünen neu zu ordnen. Kein leichter Job, denn der Bildungspolitik der früheren NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann wurde eine erhebliche Mitschuld an dem Wahldesaster zugeschrieben.
Viele halten den smarten Familienvater Banaszak daher für einen guten Kandidaten. Er gehört dem linken Flügel an, weiß sich in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken gut zu verkaufen. Aber es gibt auch Kritiker. Der Duisburger haben den Landesvorsitz vor allem als Sprungbrett nach Berlin genutzt, sagt ein Basis-Realo. Er stehe für Vieles, was an den Grünen kritisiert werde: „Zum Beispiel dafür, dass bei den Grünen Karrieren oft nach dem Prinzip Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal ablaufen.“