Christiane Martin will Chefin der Grünen-Fraktion bleiben. Wir haben mit ihr über die Verkehrswende und den FC-Ausbau im Grüngürtel gesprochen.
Grünen-FraktionschefinChristiane Martin kann sich neue U-Bahn-Tunnel in Köln vorstellen
Frau Martin, wollen Sie auch nach der Kommunalwahl im Herbst 2025 wieder Chefin der Grünen-Fraktion im Kölner Stadtrat werden?
Ja, ich plane auf Platz eins der Liste zu kandidieren, und würde mich auch wieder als Fraktionsvorsitzende zur Verfügung stellen.
Haben Sie dafür die Rückendeckung?
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Ich habe mit dem Fraktionsvorstand, der Fraktion und dem Kreisvorstand gesprochen. Meiner Wahrnehmung nach ist das überwiegend auf Wohlwollen gestoßen.
Rechnen Sie mit Gegenkandidaturen?
Falls das so sein sollte, hoffe ich, dass das nicht erst auf der Aufstellungsversammlung passiert, sondern schon im Vorfeld. Ich gehe derzeit nicht davon aus, dass es eine Gegenkandidatur gibt. Wenn doch, würde ich das sportlich sehen. So oder so werde ich nicht hundert Prozent der Stimmen bekommen. Ich mache den Job jetzt seit vier Jahren, da habe ich es bestimmt nicht jedem recht gemacht.
Sie hatten vor der Wahl gesagt, Sie wollen ins Machen kommen. Das hat nur bedingt funktioniert die vergangenen Jahre.
Ich finde schon, dass wir in den Bereichen Mobilitätswende und Klimaschutz viel gemacht haben. Beispielsweise ist die Ehrenstraße jetzt autofrei, das habe ich lange gefordert und nun ist es Realität. Das ist die Blaupause für andere Straßen, ebenso die Einbahnstraßenregelung auf der Venloer Straße. Die Radinfrastruktur hat sich allgemein verbessert. Beim Solarausbau liegt Köln vorn. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Das ist auch eine Motivation, weiterzumachen. Das treibt mich an.
Trotzdem brauchen grüne Projekte wie der Masterplan Parken oder die Erhöhung der Gebühren für das Anwohnerparken sehr lange.
Ja, das ist schwierig und erstaunt mich an manchen Stellen, wenn ich zurückblicke. Dass die Dinge manchmal so lange dauern, hat mich überrascht.
Christiane Martin will nicht OB-Kandidatin werden
Sie haben in der Vergangenheit für sich ausgeschlossen, als OB-Kandidatin anzutreten. Warum reizt Sie das nicht?
Ich habe das für mich ausgeschlossen und im Podcast mit dem Kölner Stadt-Anzeiger so auch schon gesagt. Dabei bleibt es. Ich halte die Verwaltungserfahrung für sehr wichtig und die fehlt mir. Das ist auch die Diskussion in der Partei: Brauchen wir eine richtig grüne Person, mit der man richtig grünen Wahlkampf machen kann? Oder brauchen wir eine Person, die weiß, wie Verwaltung geht? Beides in einer Person zu vereinen ist sehr schwierig.
Demnach sind für Sie die Dezernentinnen und Dezernenten, die die Grünen zur Wahl vorgeschlagen haben, potenzielle OB-Kandidaten? Also Sozialdezernent Harald Rau, Verkehrsdezernent Ascan Egerer, Klimadezernent William Wolfgramm oder Kämmerin Dörte Diemert.
Meiner Meinung nach ja. Aber das entscheiden die Findungskommission und am Ende die Kölner Parteimitglieder.
Bei der Europawahl sind die Grünen in Köln weiter stärkste Kraft geblieben, haben aber rund acht Prozentpunkte gegenüber 2019 verloren. Was heißt das für die Kommunalwahl 2025?
Wir Grünen wollen auch 2025 wieder stärkste Kraft werden. Rechnet man das Europawahlergebnis auf die Kommunalwahl um, hätten wir noch 23 statt 26 Sitze. Das ist ja nicht wenig.
Aber die öffentliche Stimmung hat sich doch gegen die Grünen teilweise gedreht.
Die Grünen sind im Moment nicht gut gelitten und sind für viele eine Projektionsfläche für ihren Ärger. Das kennen wir Grüne auch aus der Vergangenheit.
Was wäre Ihnen noch wichtig in den nächsten fünf Jahren?
Dass wir Lösungen für den angespannten Wohnungsmarkt finden. Wir könnten ein eigenes kommunales Wohnungsbauförderprogramm auflegen. Dafür müssten wir aber an anderer Stelle sparen. In jedem Fall will ich, dass Wohnbau-Genossenschaften in der Bauverwaltung privilegiert behandelt werden, weil sie die Wohnungen bauen, die wir brauchen.
Weiterhin fehlt ein Beschluss zum Ausbau auf der Ost-West-Achse und der Frage, ob der Rat für den Tunnel oder den oberirdischen Ausbau stimmt. Es gibt unseres Wissens nach Gespräche für eine große Lösung: Demnach käme zunächst der oberirdische Ausbau und daran knüpft ein ganzes Paket an weiteren Bauten an, die aber erst später kommen, etwa der Tunnel unter dem Rhein nach Deutz. Haben Sie die SPD schon auf Ihre Seite gezogen?
Wir sprechen darüber, aber eine Einigung gibt es noch nicht. Ich gehe davon aus, dass der Stadtrat bis zur Wahl 2025 eine Entscheidung trifft, aber dieses Jahr werden wir das vielleicht nicht mehr schaffen. Die Verwaltung hat eine nicht vollständige Vorlage eingebracht, es fehlt das Gutachten zu den Kosten-Nutzen-Faktoren für die jeweiligen Ausbauvarianten. Und aktuell gibt es für keine der beiden Varianten eine Mehrheit.
Die Zeit spielt für die Grünen. Solange nichts entschieden ist, kommt kein Tunnel.
Die Zeit spielt uns vielleicht in die Karten, aber das kann nicht unser Handeln bestimmen. Ohnehin wird die Ost-West-Achse zur absoluten Gretchenfrage gemacht, das ist sie aber nicht. Weder mit dem ober- noch mit dem unterirdischen Ausbau wird die Verkehrswende in dem benötigten Maß umgesetzt. Es ist nur ein Bausteinchen. Für die Verkehrswende braucht es einen viel größeren Blick. Wenn man in einer Stadt wie Köln den ÖPNV vernünftig ausbauen will, kommt man vielleicht auch um neue Tunnel nicht herum.
Das heißt prinzipiell können Sie sich einen neuen Stadtbahntunnel vorstellen?
Ja. Den jetzt geplanten Ost-West-Tunnel lehnen wir kategorisch ab, weil er keinen verkehrlichen Vorteil bietet. Die Klimabilanz eines Tunnels ist schlecht. Wenn man sich trotzdem dafür entscheidet, dann muss es sich auch lohnen.
Die Stadtwerke-Geschäftsführung sagt, mehr als 160 Millionen Euro Verlust dürfen die Kölner Verkehrs-Betriebe nicht machen. Damit ist die angestrebte Verkehrswende aber nicht zu finanzieren. Die KVB hatte vorher auch noch den Fahrplan reduziert aufgrund von Personalmangel, die Stadt muss allgemein sparen. Wie wollen Sie trotzdem eine echte Verkehrswende umsetzen?
Ich finde, wir können diesen Wunsch der Stadtwerke zur Kenntnis nehmen. Der Konzern soll natürlich nicht ausbluten und muss stabil bleiben. Deshalb sollten die Verluste der KVB auch nicht ins Unermessliche steigen. Aber der Kostendeckel ist eine Festlegung der Stadtwerke, ich sehe aktuell keinen Anlass, darauf zu reagieren. Es geht ja zunächst um einen mittelfristigen Blick für die nächsten Jahre.
Sie plädieren für einen höheren Deckel für die KVB?
Ich bin dafür, die aktuell geplante Netzentwicklung inklusive der beschlossenen Projekte weiter zu verfolgen. Unabhängig vom Kostendeckel. Der signifikante Ausbau des ÖPNV ist auch eines meiner Ziele, falls ich nochmals für fünf Jahre gewählt werde.
Streitpunkte zwischen Kölner Grünen und der CDU
Im Land regieren CDU und Grüne erfolgreich und vergleichsweise geräuschlos. Warum gelingt das in Köln nicht im Bündnis mit CDU und Volt?
Ich finde, wir streiten gar nicht so viel im Bündnis. Dafür, dass manchmal Welten zwischen uns liegen, finden wir fast immer Kompromisse. Und das ist dann auch ein Erfolg.
Seit 2015 sind die Grünen im Bündnis mit der CDU. Voriges Jahr hat die CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau als Parteichef abgewählt, Karl Mandl ist nun Vorsitzender des Kreisverbandes. Was heißt das für das Bündnis?
Zunächst mal hat es sich wider Erwarten nicht auf die Zusammenarbeit mit der Ratsfraktion ausgewirkt. Aber auf Parteiebene ist es schwieriger. Wenn beispielsweise Herr Mandl zur Teilnahme am „Marsch für das Leben“ aufruft, dann gefällt das dem Kreisvorstand der Grünen nicht und er äußert sich dazu. Natürlich wirkt sich so etwas auf das Bündnis aus.
Beim Thema Verkehr sind Grüne und CDU selten einer Meinung.
Es ist wirklich mühsam in Köln. Wenn dem Auto nur ein Zentimeter Platz weggenommen wird, ist die CDU reflexhaft auf dem Baum.
Also wären Sie froh, nach der Wahl ein Bündnis mit der SPD einzugehen?
Also bei dem Thema ist die SPD genauso schnell auf dem Baum. Es ist mit beiden schwierig. Das sind unterschiedliche Lebensrealitäten, die da aufeinandertreffen. Aber trotzdem können wir Bündnisse mit diesen Parteien eingehen, das sieht man ja. Trotz der Probleme haben wir mit der CDU höhere Gebühren für das Anwohnerparken oder die Umwandlung der Venloer Straße erreicht. Aber dass es jedes Mal so viel öffentliche Empörung gibt, das empfinde ich als sehr anstrengend.
Beim Ausbau des 1. FC Köln am Geißbockheim nähern sich die Grünen und der Klub an. Demnach möchte der Klub drei bestehende Plätze nutzen und auf die Gleueler Wiese vorerst verzichten, im Gegenzug darf er sein Leistungszentrum am Geißbockheim bauen.
Die Grünen werden dem nötigen Pachtvertrag für den Bau des Leistungszentrums auf einem bisherigen Fußball-Platz am Geißbockheim zustimmen – wenn die Verwaltung die Bebauung der Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel planungsrechtlich ausschließt und die sogenannte Kampfbahn, einer der Plätze, die der FC nutzen möchte, baulich unangetastet bleibt. Das ist eine Lösung, für die es eine politische Mehrheit gibt. Für uns als stärkste Fraktion war es wichtig, aktiv an einer Lösung mitzuarbeiten.
Durch die erneute Verzögerung der Bühnen-Sanierung am Offenbachplatz soll das Musical weiter im Musical Dome am Hauptbahnhof bleiben. Es kann nicht wie geplant ins Staatenhaus ziehen, weil dort die Oper interimsmäßig spielt. Ursprünglich sollte der Musical Dome ab 2026 verschwinden, damit die Bahn dort neue Gleise bauen kann.
Ich finde, man muss das auch mal vom anderen Ende her denken: Die Oper zieht trotz der Bauverzögerung zum geplanten Zeitpunkt aus dem Staatenhaus aus, das Musical kann pünktlich da rein und die Bahn baut planmäßig den Bahnknoten Köln aus.
Und wo spielt die Oper dann?
Wie schon zu Beginn der Sanierung könnte sie in der Stadt wandern und an unterschiedlichen Orten spielen. Warum nicht im Odonien oder an anderen tollen Orten? Natürlich ist das eine Zumutung für die Spielbetriebe, aber man muss dieses Szenario denken dürfen. Davon abgesehen bin ich dafür, jetzt erstmal Dinge zu beenden und nichts Neues anzufangen.
Also auch die neuen Rad- und Fußwegebrücken über den Rhein lieber sein lassen?
Nein. Nichts Neues anfangen beziehe ich eher auf den Kulturbau, wir müssen schon die einzelnen Bereiche betrachten. Gar nichts Neues mehr machen, wäre fatal. Aber dass wir zum Beispiel jetzt die Historische Mitte nicht bauen, finde ich richtig. Ich finde die Lösung mit dem Stadtmuseum im früheren Modehaus Sauer großartig. Meiner Meinung nach kann das Museum dort erstmal bleiben. Und die Stadt sollte eine Zusammenlegungs-Strategie für die Museen entwickeln. Den einen oder anderen Standort sollten wir infrage stellen. Es geht aber nur um die Standorte, nicht um die Museen!
Welches Museum denn?
Das kann ich noch nicht sagen, dafür braucht es ja eine Strategie. Das ist eine Frage der Effizienz. Es spart die Sanierungskosten sowie den Betrieb.
Zur Person:
Christiane Martin, 57, ist seit 2020 Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Stadtrat. Die Grünen sind mit 26 von 90 Sitzen die größte Fraktion und in einem Mehrheitsbündnis mit CDU (20) und Volt (4). Martin ist seit 2002 Mitglied der Grünen und war von 2007 bis 2020 Mitglied der Bezirksvertretung (BV) Ehrenfeld, ab 2009 war sie Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der BV. Als Beruf gibt sie an: Freie Texterin, Redakteurin und Journalistin. Über einen Honorarvertrag ist sie bei der Fraktion beschäftigt.