In NRW sollen Pädagogen an den Grundschulen aushelfen, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Ein Betroffener erzählt, welche Probleme das mit sich bringt.
Bammel vor neuem Schuljahr in NRWGymnasiallehrer soll ohne Vorbereitung erste Klasse an Grundschule übernehmen
Für die I-Dötzchen und ihre Eltern ist die Einschulung ein Tag, dem sie mit Aufregung entgegenblicken. Auch mancher Lehrer sieht dem 8. August mit gemischten Gefühlen entgegen. Sven G. zum Beispiel. Der soll im Kölner Umland an einer Grundschule Klassenlehrer von I-Dötzchen werden. „Das wird für mich eine große Herausforderung“, sagt der Pädagoge im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Denn auf das, was mich da erwartet, bin ich überhaupt nicht vorbereitet.“
NRW-Erlass ermöglich Abordnung
Wie kann das sein? Sven G. will eigentlich an einem Gymnasium unterrichten. Seine Fächerkombination ist Physik und Geschichte. Nach dem Referendariat bemühte er sich um eine Stelle. Doch bevor er ältere Schüler unterrichten darf, führt ihn sein Weg zunächst für zwei Jahre an eine Grundschule. Solche „Abordnungen“ wurden durch einen Erlass von NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) ermöglicht, um den Lehrermangel an den Grundschulen zu bekämpfen. „Es ist aussichtslos, eine Stelle zu bekommen, ohne diesen Umweg zu nehmen“, sagt Sven G. Der Lehrer fand sich damit ab. Nun erfuhr er bei einem Treffen an seinem künftigen Einsatzort, dass er im ersten Schuljahr eingesetzt werden soll – und zwar als Klassenlehrer. „Um das leisten zu können, soll ich ein Seminar in Grundschuldidaktik absolvieren“, sagt Sven G. „Das Problem ist nur, dass solche Kurs nicht mehr vor dem Schulstart stattfindet.“
Dabei kommen auf Sven G. komplexe Aufgaben zu. „Man sagte mir, dass in meiner Klasse 40 Prozent der Kinder kein Deutsch sprechen werden“, so der Pädagoge. „Der ganze Dialog mit den Eltern ist für mich Neuland. Ich werde ins kalte Wasser geworfen. Wenn ich versage, kann ich den Kindern den Schulstart verderben.“
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Die Bezirksregierung Köln sagte auf Anfrage, Gymnasiallehrer sollten an Grundschulen in der 3. oder 4. Klasse eingesetzt werden. Wenn „schulorganisatorische Gründe“ dies erfordern würden, dürften sie ausnahmsweise auch in der 1. und 2. Klasse unterrichten. „Die Weiterqualifizierung erfolgt berufsbegleitend“, hieß es.
SPD verlangt Antworten
Unter keinem guten Stern steht der Schulstart auch zum Teil für Lehrer, die ihre Probezeit aufgrund von Vordienstzeiten verkürzen können. Sie waren sehr kurzfristig über die Offerte informiert worden. „Gewöhnlich beträgt die Rückmeldefrist bei Einstellungsangeboten drei Tage. Diesen Zeitraum hat die Bezirksregierung ferienbedingt auf eine Woche verlängert“, erklärte ein Sprecher der Kölner Bezirksregierung.
Die SPD hat jetzt zu den Problemen rund um die Abordnungen von Gymnasiallehrern an Grundschulen eine Kleine Anfrage an Schulministerin Feller. Jochen Ott, Chef der SPD-Fraktion im Landtag, erklärte: „Die Ministerin hat es offensichtlich versäumt, sich rechtzeitig zu kümmern, und hat dann den Lehrkräften die Pistole auf die Brust gesetzt. Diese Vorgehensweise ist eine absolute Unverschämtheit.“