AboAbonnieren

Ampel bei Gesetzesänderung nicht einigErneut Streit um Bezahlkarte für Asylbewerber – Wüst in der Kritik

Lesezeit 4 Minuten
Ein Geflüchteter hält eine Debitkarte in der Hand. (Symbolbild)

Ein Geflüchteter hält eine Debitkarte in der Hand. (Symbolbild)

Hamburg hat sie schon, Bayern bald auch, doch die Ampel ist bei der Bezahlkarte für Asylbewerber immer noch uneinig. Auch in NRW gibt es Kritik.

Statt Bargeld für Asylbewerber eine Bezahlkarte ohne Überweisungsfunktion: In der Theorie waren sich fast alle einig. Die flächendeckende Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber soll unter anderem verhindern, dass Migranten Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen. 14 von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Einführung der Bezahlkarte geeinigt, bis zum Sommer sollte es abgeschlossen sein.

Streit um Gesetzesanpassungen: Grüne halten Bundesregelung für unnötig

Doch in der Umsetzung gibt es nun jede Menge Unstimmigkeiten, in der Ampelkoalition herrscht Streit um die Gesetzesänderungen, zudem hält die Kritik aus den Ländern und Kommunen an. Auslöser der neuerlichen Diskussionen zur Bezahlkarte sind Medienberichte vom Wochenende, wonach die Grünen nicht bereit seien, die vereinbarte Gesetzesanpassungen mitzutragen.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, bestätigt die Haltung ihrer Partei. Die bereits begonnene Einführung der Bezahlkarte in Hamburg beweise, dass die Länder bereits „alle rechtlichen Möglichkeiten“ hätten, eine Bundesregelung sei daher nicht nötig. Es bestehe kein Grund, die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber durch ein Bundesgesetz abzusichern. „Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum über etwas gestritten wird, was rechtlich längst möglich ist und nur noch umgesetzt werden muss“, so Mihalic, dies sei „in der Koalition besprochen und wird auch vom Kanzleramt seit Monaten so vertreten“.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Wir müssen den Bundesländern bei der Bezahlkarte jetzt Rechtssicherheit verschaffen. Das haben wir ihnen bereits im November zugesagt.
SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese

Ganz anders sehen das allerdings ihre Koalitionspartner in der Ampel. Die SPD erhöht nun den Druck auf die Grünen. „Wir müssen den Bundesländern bei der Bezahlkarte jetzt Rechtssicherheit verschaffen. Das haben wir ihnen bereits im November zugesagt. Daran sollten sich nun auch alle Fraktionen halten“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese dem Berliner „Tagesspiegel“.

Auch die FDP beharrt darauf, dass es einer Bundesregelung bedürfe, weil zum Beispiel für Asylbewerber, die derzeit außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen wohnten, Geldleistungen vorgeschrieben seien. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte es bei „Welt-TV“ außerordentlich befremdlich, dass die Instrumente, die man gemeinsam vereinbart habe, plötzlich infrage gestellt würden. Die Argumente gegen die Bezahlkarte seien „Ausreden“.

Bezahlkarte für Asylbewerber: Opposition wirft Grünen bei Gesetzesanpassung „Blockade“ vor

Die Opposition blickt indes mit Unverständnis auf den erneuten Streit in der Ampel. Der amtierende Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), warf den Grünen eine „Blockade“ vor – und forderte ein Machtwort von Kanzler Olaf Scholz. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff zeigte sich verärgert. „Von einem gemeinsamen Beschluss aller 16 Bundesländer mit dem Bundeskanzler und der Bundesregierung erwartet man Verlässlichkeit und eine zügige Umsetzung“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Wenn nicht, wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundespolitik weiter beschädigt“, so Haseloff weiter.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte, sein Land werde die Bezahlkarte auch ohne Regelung im Bund einführen. Wer auf den Bund warte, „hofft leider vergeblich“, zeigte sich Söder wenig hoffnungsvoll. Während der bayerische Ministerpräsident die Einführung für sein Land vorantreibt, ist der Weg des NRW-Ministerpräsidenten, Hendrik Wüst, im bevölkerungsreichsten Bundesland nicht unumstritten.

NRW-Ministerpräsident Wüst wegen Haltung zur Bezahlkarte in der Kritik

Zwar will der CDU-Politiker die Bezahlkarte flächendeckend im Bundesland einführen, setzt dabei allerdings auf Freiwilligkeit der Kommunen. Dies begründete Wüst mit dem Wunsch der kommunalen Spitzenverbände in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Dass die Kommunen selbst über die Einführung der Bezahlkarte entscheiden sollen, kommt dort nicht überall gut an.

Aus den Reihen der Opposition im NRW-Landtag Anfang Februar heftige Kritik. Die SPD-Fraktion hielt Wüst vor, die Bezahlkarte gefordert, mit der Umsetzung aber offensichtlich nichts zu tun haben zu wollen. Auch die FDP-Fraktion machte Wüst Vorwürfe und sprach von einem „riskanten Schlingerkurs“.

Landrat kritisiert Hendrik Wüst und sieht überlastete Kommunen in der Verantwortung

Unzufriedenheit über die Haltung herrscht auch auf lokalpolitischer Ebene. Euskirchens Landrat Markus Ramers kritisierte die NRW-Landesregierung und bezeichnete deren Kurs als „sehr schwierig und kontraproduktiv“. Die Entscheidung über die Einführung den Städten und Gemeinden zu überlassen, sei unfair, so Ramers. Wüst würde die Verantwortung auf ohnehin überlastete Kommunen abschieben, so der Vorwurf des SPD-Politikers – Chaos und Unruhe in der Verwaltung seien da programmiert.

Als Reaktion auf die Kritik aus den Kommunen hat die Landesregierung eine mögliche finanzielle Unterstützung signalisiert. Wann die Bezahlkarte in NRW eingeführt wird, ist noch unklar. Wüst hatte unlängst angegeben, es sei noch Zeit bis zum Sommer.

Bund und Länder hatten sich im November darauf verständigt, dass Asylbewerber zumindest einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen und damit bargeldlos bezahlen können. Viele Details sind aber noch offen. Asylbewerber werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen vornehmlich mit Sachleistungen versorgt, erhalten darüber hinaus aber einen Betrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens. Er beträgt bundesweit einheitlich 185 Euro pro Monat für alleinstehende Erwachsene. (mit dpa/afp)