Köln – Nach über zwei Jahren Pandemie war die Vorfreude auf diesen Urlaubssommer bei vielen Reisenden groß. Doch oft schlägt die Freude in Ernüchterung um. Explodierende Preise, überfüllte Flughäfen, gestrichene Flüge. Und die Sommerferien in Nordrhein-Westfalen fangen gerade erst an. Warum ist die Reisebranche so überfordert mit dem doch zu erwarten gewesenen Ansturm? Was können Reisende tun, um dem Chaos bestmöglich zu entgehen? Und ist mit Blick auf den Herbst Besserung in Sicht?
Der Nachholeffekt ist groß. Die Nachfrage von Urlaubsreisen hat deutlich angezogen, nähert sich dem Vorkrisenniveau. Einige sprechen sogar von vereinzelten neuen Rekorden. Das treibt die Preise in die Höhe, die Inflation tut ihr übriges. Selbst bei Mietwagen macht sich das bemerkbar. Und auch im Urlaub selbst, vor allem auf dem Weg dorthin oder zurück, droht Stress. Vor allem, weil zwei Probleme aufeinandertreffen. Während die Passagierzahlen an deutschen Flughäfen deutlich steigen, zeigt sich auf der anderen Seite des Schalters ein gegenteiliges Bild. Die Reisebranche kämpft mit Personalmangel. Und das über Deutschland hinaus.
Personal fehlt überall: Flüge sind verspätet oder werden gestrichen
Betroffen sind quasi alle Bereiche der Branche. Hotels und Restaurants genauso wie Airlines und Flughäfen, hier werden die Auswirkungen besonders sichtbar. Personalmangel an Check-In-Schaltern und Sicherheitskontrollen sorgen für gestresste und verspätete Reisende, zu wenig Mitarbeitende bei der Flugabfertigung, der Flugsicherung und im Flugzeug selbst führen zu Verspätungen und sogar Ausfällen. Vereinzelte Streiks wie zuletzt in Brüssel oder Berlin vergrößern die Sorgen und auch von Corona-Fällen bleiben die Anbieter natürlich nicht verschont. Aktuell steigen die Zahlen unter anderem in Deutschland wieder.
Last-Minute-Reisen weiterhin buchbar
Machen die Probleme der Reisebranche Last-Minute-Urlaube in diesem Sommer so gut wie unmöglich? Danach sieht es aktuell nicht aus. Der Deutsche Reiseverband (DRV) rechnet nicht damit, dass sich der Personalengpass bei Airlines und Flughäfen auf das Angebot von Last-Minute-Reisen auswirkt. „Es gibt weiter eine große Zahl an buchbaren Reisen für den Sommer.“ (dpa)
Nicht einfacher macht es der Reisebranche die weiterhin etwas ungewisse Zukunft. Niemand weiß so richtig, wie lange der aktuell zu beobachtende Nachholeffekt anhält, steigende Preise und neue Corona-Wellen könnten die Reiselust schnell wieder trüben. „Die Branche reagierte auf die steigende Nachfrage zunächst zögerlich, weil unklar ist, wie es mit Corona im Herbst und Winter weitergeht“, erklärte Luftfahrtexperte Gerlad Wissel gegenüber ntv. Trotzdem hätten die Anbieter schneller handeln müssen, findet er.
Chaos an den Flughäfen – Wie komme ich pünktlich zu meinem Flug?
Bei Reisenden machen sich diese Probleme vor allem durch das Chaos an Flughäfen bemerkbar. Wie können sie mit der Situation am besten umgehen? Viel liegt nicht in ihrer Hand, trotzdem können auch sie dazu beitragen, dass sie am Urlaubsziel ankommen. Wichtig ist es, beim eigenen Flug auf dem aktuellen Stand zu sein, damit nicht erst am Flughafen die böse Überraschung einer Verspätung oder eines Ausfalls wartet. Informationen dazu finden sich auf den Websites der Flughäfen oder Airlines, oft gibt es auch entsprechende Apps. Fällt der gebuchte Flug aus, haben Kundinnen und Kunden je nach Situation verschiedene Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft.
Wer vorab online eincheckt, spart sich am Flughafen eine Warteschlange. Auch beim Gepäck lässt sich Zeit sparen. Dieses kann man oft schon am Vorabend aufgeben, wer nur wenig mitnimmt, dem reicht vielleicht sogar das Handgepäck. Wer hingegen Gepäck aufgibt, sollte das Handgepäck so schmal wie möglich halten. Das beschleunigt die Sicherheitskontrolle – ebenso wie eine gute Vorbereitung darauf. Ist die Wartezeit in der Schlange vor der Kontrolle lang, kann sie genutzt werden, um beispielsweise schonmal die Hosentaschen zu leeren. Auch das rechtzeitige Heraussuchen von benötigten Dokumenten spart Zeit.
Volle Airports – Wie viele Stunden vor Abflug muss ich da sein?
„Generell sollten sich Reisende aktuell noch früher am Flughafen einfinden als sonst – mindestens zweieinhalb bis drei Stunden vor Abflug“, empfiehlt Melanie Gerhardt, Leiterin für Sicherheits- und Krisenmanagement beim Reiseveranstalter DER Touristik. Und dann sollten sich Reisende auch zügig in den jeweiligen Schlangen anstellen.
Drohen Reisende trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen ihren Flug zu verpassen, sei es wichtig, alles zu dokumentieren, empfiehlt der Reiserechtler Paul Degott gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Fotos von der rechtzeitigen Ankunft am Flughafen, der Schlange im Terminal, der Zahl der geöffneten Schalter oder auch ein Parkticket können Reisenden im Zweifelsfall helfen, ihr Recht durchzusetzen.
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Die Reisebranche tut zwar viel, um dem Ansturm gerecht zu werden. Am Frankfurter Flughafen helfen Angestellte aus der Verwaltung und dem Vorstand bei der Abfertigung. Eine Sprecherin der Fluggesellschaft Eurowings sagte zuletzt, dass „überall im Rekordtempo Personal rekrutiert“ würde. „Aber plötzliche Verkehrsspitzen sind damit noch nicht vollständig abzudecken.“ So hatte Eurowings in den vergangenen Tagen beispielsweise an den NRW-Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn zahlreiche Flüge streichen müssen.
Wie voll wird es im Herbst an den Flughäfen?
Wer für September oder Oktober einen Urlaub gebucht hat, wird wohl ebenfalls mit sorgenvoller Miene auf die aktuelle Situation an den Flughäfen blicken. Ob kurzfristige Personalakquirierung und das vielleicht etwas niedrigere Reiseaufkommen im Herbst dafür sorgen könnten, dass die Probleme an den Flughäfen im Herbst zumindest etwas glimpflicher ausfallen werden als im Sommer, lässt sich jetzt noch nicht sicher sagen. Eine nicht ausrechenbare Variable bleibt auch die Pandemie, die mit einer neuen Corona-Welle für weitere Personalausfälle und -engpässe sorgen könnte. Auf der anderen Seite könnte die Inflation dafür sorgen, dass es weniger Interesse an Flügen gibt und die Situation sich durch ein geringeres Reiseaufkommen entspannt.
Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland ist mit Blick auf den Herbst eher skeptisch. „Wir rechnen damit, dass diese Situation über den gesamten Sommer bis in den Herbst anhalten wird, da es praktisch schwierig bis unmöglich ist, in allen betroffenen Bereichen kurzfristig das benötige Personal aufzubauen“, sagt sie. Am Londoner Flughafen Heathrow haben Airlines bereits jetzt einige ihrer für den Herbst geplanten Flüge gestrichen. Und auch ein Ende der Buchungsfreude ist noch nicht absehbar. Nicole Pfammatter, Chefin des Schweizer Reiseveranstalters Hotelplan Suisse, beobachtet, dass „derzeit nicht nur die kommenden Sommer-, sondern auch bereits die diesjährigen Herbstferien rege gebucht“ werden. (mit dpa)