In 17 Einzelteile wurde der Bahnhof in Walporzheim zerlegt und anschließend ins LVR-Freilichtmuseum in Kommern verfrachtet.
MuseumsprojektDie Kunst, einen Bahnhof von Walporzheim heil nach Kommern zu verfrachten
Josef Schneider ist gekommen, um sich zu verabschieden. Mehr als ein Vierteljahrhundert hat der Rentner direkt neben dem alten Bahnhof Walporzheim in Bad Neuenahr-Ahrweiler gelebt. Heute schaut er zu, wie er abtransport wird. In den vergangenen fünf Monaten sei er von einem ständigen Hämmern und Sägen begleitet worden, berichtet der Rentner. Er sagt, dass er den alten Bahnhof zwar vermissen werde, aber auch ein bisschen froh sei, dass diese Arbeiten heute ein Ende finden. Und er sagt, dass er den alten Bahnhof besuchen werde, sobald er im LVR-Freilichtmuseum in Kommern wieder aufgebaut sei.
Translozierung bedeutet, dass ein ganzes Gebäude originalgetreu versetzt wird
Wenn man einen ganzen Bahnhof heil von einem Ort in den anderen bekommen möchte, sei die Vorbereitung immens wichtig, erklärt Raphael Thörmer, Bauhistoriker des LVR-Freilichtmuseums Kommern. Er ist verantwortlich dafür, dass das in 17 Einzelteile verpackte Bahnhofsgebäude, das seit 1912 an der Strecke der Ahrtalbahn steht, unbeschadet in Kommern ankommt. „Translozierung“ nennt sich dieses Verfahren der Gebäudeversetzung, bei dem das Hauptaugenmerk darauf liegt, das demontierte Bauwerk an anderer Stelle möglichst originalgetreu wieder aufzubauen.
Die Demontage war aufwendig. Jedes einzelne Bauteil musste verzeichnet und dokumentiert werden. „Damit wir das am Ende auch alles wieder zusammenbekommen“, sagt Thörmer und lacht. Auch Interviews mit Zeitzeugen und Bahnmitarbeitern haben die Wissenschaftler des Freilichtmuseums geführt.
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Jetzt, da alles genauestens deklariert und sicher verpackt ist, kann der Bahnhof umziehen. Schiefgehen könne im Grunde nichts, sagt Thörmer und macht eine nervöse Pause. „Nein, im Grunde nicht“, wiederholt er. Alle Wände seien in eine Holzverschalung gepackt, so dass sie in ihrer Form – Thörmer nennt es„statische Konstruktion“ – gehalten würden. Diagonale Bretter dienten dazu, dass das ganze Paket beim Transport möglichst wenig in Bewegung gerate. So könnten sich der alte Mörtel und die Steine nicht so einfach lösen.
15 Mitarbeiter arbeiten an zwei Tagen rund um die Uhr
Der Kranführer lässt den Motor an. Auf der anderen Straßenseite zücken ein paar Anwohner ihre Smartphones, um Fotos zu machen. „Jetzt passiert noch nichts Wichtiges“, beruhigt Thörmer. Es würden zunächst lediglich die Gewichte aufgeladen. Doch bald stellt sich heraus: Es wurden die falschen gebracht. Der Umzug des Bahnhofs wird sich verzögern.
15 Mitarbeiter sind am Montag und Dienstag in Kommern und Walporzheim im Einsatz. Etwas über 100 Arbeitsstunden pro Tag werden sie in den Umzug des Bahnhofs stecken.
Josef Schneider schaut aus seiner Straße hinauf zum Bahnhof. Er kneift seine Augen zusammen, um zu sehen, was passiert, aber er ist zu weit entfernt. „Ich bin auch Handwerker“, erzählt er dann und sagt, dass der Bahnhof in Walporzheim immer mehr von den Touristen genutzt worden sei, als von den Ansässigen, dass aber dennoch viele Menschen eine Geschichte zu diesem Bahnhof kennen würden.Er kennt auch eine: „Vor etwa 35 Jahren wurde dieser Bahnhof noch von Rentnern aus dem Dorf renoviert“, sagt er: „Alles pensionierte Handwerker wie ich.“
„All die Geschichten, die in diesem Bahnhof stecken, sind das, was ihn auch für uns so spannend macht“, sagt Raphael Thörmer. Eine der Geschichten beinhaltet die unter dem Dielenboden des Bahnhofs gefundenen Dokumente: alte Papp-Fahrkarten mit Reichsmark und D-Mark-Preisen darauf. Andere Zeitdokumente, sind noch nicht so alt: Es sind fünf Meldebücher, eine Kaffeetasse und ein Spind voller persönlicher Gegenstände – all die Dinge, die sich zum Zeitpunkt der Flut in dem (von der Flut verschonten) Bahnhäuschen befunden hatten.
Damit der Bahnhof Walporzheim in Kommern auf keine seiner Geschichten verzichten muss, wird er auf dem Marktplatz Rheinland in zwei verschiedenen Epochen dargestellt. „Zeitschnitte“, nennt Thörmer das. Einer zeige ihn und seine Inneneinrichtung zum Zeitpunkt der Flut.
In Kommern wird es um die Geschichten des Bahnhofs gehen
Der Wartesaal, der erst in den 1920er und 1930er Jahren gebaut wurde, um den Fahrgästen einen schützenden Raum zu bieten, werde die 1950er und 1960er Jahre abbilden, sagt Thörmer.
Dann, mit 45-minütiger Verspätung, schiebt sich der Arm des Krans über den alten Bahnhof. Die befestigten Ketten schwingen im Wind. Die kleinen Pakete, in denen sich der gesamte Bahnhof befindet, sehen aus wie etwas, das man im Möbellager auf den Wagen lädt, um es zu Hause unter lautem Fluchen selbst zusammenzubauen. Sieben Mitarbeiter stehen oben auf dem Bahnhof und nehmen die Haken an den schwankenden Ketten entgegen, um sie an „Deckenteil A“ zu befestigen. Dann, langsam, zieht der Kran an, und „Deckenteil A“ schwebt für etwa 15 Minuten über dem Ahrtal.
Auch die „Ahrtalbahnfreunde“ werden den Bahnhof vermissen
Ein langes Leben für den Bahnhof Passanten bleiben stehen und machen Bilder. Auch Ulrich Stumm, Vorsitzender des Vereins „Ahrtalbahnfreunde“, ist pünktlich zur Translozierung mit seinem Auto auf den gegenüberliegenden Weg im Weinberg gefahren, um Fotos zu machen. Die Bevölkerung von Walporzheim hätte ihren Fachwerkbahnhof eigentlich gerne behalten, erklärt er.
Und die „Ahrtalbahnfreunde“, die sich noch auf der Suche nach einem passenden Gebäude für das geplante Ahrtalbahnmuseum befunden hätten, seien auch sehr daran interessiert gewesen: „Naja, nun kommt er weg und wir retten ein anderes Stellwerk“, sagt Stumm resolut. Nämlich das in Ahrweiler.
Traurig ist er nicht. Das Freilichtmuseum in Kommern sei die beste Adresse für einen Bahnhof, der noch ein langes Leben führen wolle. „Und bestimmt komme ich ihn mal besuchen“, sagt er wie er über einen guten Freund, der eine Anstellung in einer neuen Stadt gefunden hat.
Alle Teile sind heil im Freilichtmuseum angekommen
Das schwebende „Deckenteil A“ ist unten angekommen. Vier Männer nehmen es entgegen und sichern es auf der Ladefläche des Transporters. Sie arbeiten mit Holz und Sicherheitsfolie. Raimund Möger schaut ihnen zu. Er ist Transportfahrer. Die Gasse, durch die er den Bahnhof abtransportiert, ist eng. Dass er einen ganzen Bahnhof transportieren wird, hat er, als er an diesem Morgen aufgestanden ist, noch nicht gewusst. Er ist spontan für einen Kollegen eingesprungen.
Der Transport des „Deckenteils B“ verläuft schneller. Nachdem die Kranhaken befestigt sind, ruft einer der Arbeiter zum Bahnhof hinauf: „Und jetzt Vollgas!“ Seine Kollegen lachen. Auf die Deckenteile folgen am Montag noch drei Wände und die Toilettenanlage. Das schwerste aller Teile sei die Giebelwand Richtung Dernau, sagt Thörmer. Eine gemauerte Wand des nachträglich angebrachten Wartesaals.
Doch auch die schwerste Wand ist am späten Nachmittag auf der vorbereiteten Bodenplatte des Freilichtmuseums angekommen. Ein Toilettenhäuschen wurde bereits aufgebaut. Die restlichen Einzelteile liegen auf der vorbereiteten Bodenplatte.
Vom Bahnhof aus hat man eine gute Sicht auf den gegenüberliegenden Kiosk. Raphael Thörmer und Dr. Carsten Vorwig, Leiter des Museums, wirken entspannt. Sie scherzen. „Wir haben damit gerechnet, dass alles gut läuft“, sagt Vorwig. Schließlich sei das nicht die erste Translozierung. Es seien schon wesentlich schwerere Teile in das historische Museum verfrachtet worden.
Am Dienstag würden dann noch die Innenwände transportiert, sagt Thörmer. Die restauratorischen Arbeiten begännen erst im Juli. Das Holz brauche etwa eine Thermobehandlung, um die ganzen Holzwürmer, die das Gebälk des 100-jährigen Bahnhofs bevölkern, auszutreiben. Auch einige Schwellen müssten noch ausgetauscht werden. „Bis zum Winter haben wir den Bahnhof dann unter Dach und Fach.“