Die Nachfrage war im Herbst stark rückläufig. Alle 880 Beschäftigten des Titandioxid-Produzenten mussten bis zum Jahreswechsel in Kurzarbeit. Die Werksleitung bleibt vorsichtig.
Energie- und AbsatzkriseKronos Titan kommt in Leverkusen wieder aus der Kurzarbeit
Unternehmen, die besonders viel Energie brauchen, haben mit der Drosselung ihrer Produktion auf die immens gestiegenen Preise für Strom und Gas reagiert. Das zeigt eine Statistik des Landes. Demnach ist der Ausstoß vor allem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahres sehr deutlich zurückgegangen, nämlich um 9,9 Prozent. In der übrigen Industrie habe es dagegen ein Plus von 2,1 Prozent gegeben. Noch eklatanter ist das Minus in der Chemischen Industrie. Es betrug sogar 11,6 Prozent.
Im ersten Halbjahr sei der Rückgang der Produktion im Vergleich noch moderat gewesen, hieß es am Freitag. In den energieintensiven Unternehmen sei der Ausstoß im Vergleich zur ersten Hälfte des Jahres 2021 um 3,9 und in der übrigen Industrie um 2,1 Prozent zurückgegangen. Auch hier ist der Effekt in der Chemischen Industrie überdurchschnittlich: Der Rückgang belief sich auf 4,7 Prozent.
Welche Bedeutung Unternehmen mit hohem Energieverbrauch in Nordrhein-Westfalen haben, zeigt der Wert unter dem Strich: Insgesamt ist die Industrieproduktion im Land um 2,6 Prozent gesunken. Auch hieran hat die Chemische Industrie einen erheblichen Anteil: Sie ist mit 16,5 Prozent an der gesamten industriellen Produktion an Rhein und Ruhr beteiligt. Der deutsche Durchschnitt liegt bei nur 7,3 Prozent. Insgesamt entfallen 37,4 Prozent der Industrieproduktion in NRW auf Prozesse, die besonders viel Energie verbrauchen. In Deutschland insgesamt beträgt der Anteil lediglich 17,6 Prozent.
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Kronos Titan produzierte im Herbst nicht einmal die Hälfte
Ein Beispiel für die Drosselung der Produktion ist Kronos Titan. „Wir sind im vierten Quartal in Kurzarbeit gegangen“, sagte am Freitag Geschäftsführer Ulrich Kabelac auf Anfrage. Beim Spezialisten für Titandioxid habe sich unter anderem die stark rückläufige Bau-Konjunktur bemerkbar gemacht, erklärte Kabelac. Der Weiß-Farbstoff wird in Farben und Lacken verwendet. Kronos Titan beliefere ausschließlich Industriekunden, die mit Blick auf viele stornierte Bauprojekte zunächst ihre Läger geleert und keine neuen Vorräte angelegt hätten.
Durch die Kurzarbeit, von der alle 880 Beschäftigten im Chempark betroffen waren, sei die Produktion „auf unter 50 Prozent gesunken“, ergänzte Kabelac. Normalerweise produziert Kronos an der Titanstraße rund 200.000 Tonnen Titandioxid im Jahr. Zuletzt war die Kapazität leicht gesunken, weil das Leverkusener Werk komplett auf das sparsamere Chloridverfahren umgestellt wurde. Die Leistung soll Schritt für Schritt wieder auf das alte Niveau erhöht werden.
Mit Jahresbeginn sei die Kurzarbeit aufgehoben worden, so Kabelac. Doch der Manager zeigt sich vorsichtig. „Wir fahren auf Sicht“; eine Prognose, wie sich die Nachfrage in diesem Jahr entwickelt, sei schwierig.
Die extrem hohen Energiepreise hätten das Titandioxid-Werk natürlich stark belastet. Kronos-Titan managt den Stromeinkauf selbst, „wir betreiben eine intensive Marktbeobachtung“, so der Geschäftsführer.
Kein Platz für Solarkollektoren und Windräder
Die Kollegen in Nordenham können anders auf die Energiekrise reagieren und sich unabhängiger machen. Das Unternehmen hat dort noch eine Reserve von 25 Hektar. Auf der Fläche soll ein Solarpark entstehen. Insgesamt will Kronos im Werk Nordenham einen zweistelligen Millionenbetrag in regenerative Energien investieren. Neben dem Solarpark will Kronos an der Wesermündung künftig Windkraft nutzen: Eine erste Anlage soll 6,8 Megawatt Leistung haben. Den Solarpark will das Unternehmen Ende 2024 in Betrieb nehmen.
Bei Covestro habe ebenfalls ein besonders intensives Energiemanagement geholfen, das Problem wenigstens einigermaßen im Griff zu behalten, sagte jetzt Markus Steilemann. Der Vorstandschef berichtete, dass die Chlorfabrik im Chempark je nach Strompreis auf dem Spotmarkt mal mehr, mal weniger des Grundstoffs produziert habe. Damit seien Millionen Euro eingespart worden. Kein Wunder: Die Anlage verbraucht im Volllastbetrieb so viel Strom wie halb Köln.
Trotzdem sind es vor allem die immensen Energiekosten, die Covestro unterm Strich in die Verlustzone gerissen haben. Mit rund 1,8 Milliarden Euro lagen sie um 800 Millionen über dem schon hohen Wert von 2021. Verglichen mit 2020 sei man mit einer Verdreifachung konfrontiert, hieß es am Montag.