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KlinikumBabyboom trotz des Knochenjobs

Lesezeit 3 Minuten

Diana Kulke mit dem sechs Monate alten Jonathan (von links nach rechts), Aiko Bischoff mit der vier Monate alten Mila, Professor Leonard Bastian, Julia Kleinert mit dem zweieinhalbjährigen Louis und Kerstin Schmolders mit der vier Wochen alten Ida.

Leverkusen – Es gibt ein sehr fruchtbares Gebiet im Klinikum Leverkusen – und das befindet sich in einer historisch bedingten Männerdomäne. So haben in den vergangenen drei Jahren die Ärztinnen der Orthopädie und Unfallchirurgie fünf Babys zur Welt gebracht. Zwei weitere sind unterwegs. Das ist ungewöhnlich für ein berufliches Umfeld mit hohem körperlichen Kraftaufwand, langen Arbeitszeiten sowie familienunfreundlichen Wochenend- und Abendschichten. In der Leverkusener Abteilung jedoch wird ein anderes Konzept verfolgt.

„Dass hier so auf die Bedürfnisse von Familien eingegangen wird, ist ungewöhnlich. Für mich war es aber eindeutig ein Grund, nach der Babypause nicht in eine Praxis zu gehen, sondern wieder hier ins Klinikum zurückzukehren“, sagte Julia Kleinert, die ihren zweieinhalbjährigen Sohn Louis auf dem Arm hält. Um ihre Facharztausbildung beenden zu können, hat sie nach einem Jahr Babypause zunächst eine 75-Prozent-Stelle angetreten. Hinzu kamen Abend- und Nachtdienste, die für die Ausbildung zum Facharzt obligatorisch sind.

Nach dem Abschluss hat sie auf eine 75-Prozent-Stelle ohne Dienste reduziert. Die Zeit in dem Medizinerhaushalt war einfach zu knapp geworden. Ihr Mann arbeitet als Oberarzt in einer Kölner Klinik. „Wir haben uns nur noch am Wochenende zur Übergabe der Kinderbetreuung gesehen.“ Das ist mittlerweile vorbei. „Hier wird sogar darauf geachtet, dass meine Einsätze mit den Öffnungszeiten des Kindergartens vereinbar sind“, sagte die 35-Jährige. Ihr Mann bringt den Kleinen morgens in die Kita, abends holt sie ihn ab. Vor der Männerdomäne Orthopädie hat sie sich nie gescheut. „Ich habe schon immer gerne handwerklich gearbeitet. Bei uns zu Hause baue ich auch die Schränke auf“, sagte Kleinert. Über Bewerbermangel wie andere Kliniken in Deutschland muss sich die orthopädische Abteilung am Klinikum nicht beschweren. Das Konzept scheint aufzugehen.

„Bei Gesprächen mit Mitarbeiterinnen ist nie Geld das Thema, sondern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, berichtete Professor Leonard Bastian, Direktor der Klinik für Orthopädie am Klinikum. „70 Prozent der Studienanfänger sind weiblich. Da müssen wir eine gute Lösung für die Vereinbarkeit von beruflichem und privatem Leben finden“, erläuterte der Orthopäde. Ansonsten verlören die Kliniken auch weiterhin viele Nachwuchskräfte an die Industrie, weil Mediziner dort auf geregelte Arbeitszeiten setzen könnten.

Schwieriger wird es zudem in den höheren Etagen. In Bastians Abteilung arbeiten 20 Ärzte. Unter den Assistenzärzten sind sechs Männer und sieben Frauen. Doch schon bei den Oberärzten verschiebt sich das Geschlechter-Verhältnis. Von den sechs Oberärzten ist nur eine Medizinerin weiblich. „In den Führungsetagen wird es schwierig mit der Vereinbarkeit. Auch ich könnte diesen Beruf so nicht ausüben, wenn meine Frau nicht zu Hause alles erledigen würde. Sie ist nicht berufstätig“, gestand Bastian ein.

Das Leben als Ärztin mit Kind wird für Kleinert weiterhin abenteuerlich sein. Im Sommer muss Louis den privaten Kindergarten verlassen. „Ich weiß noch nicht, ob und wo wir einen Kindergartenplatz finden werden. Die Plätze für Dreijährige sind wegen des Ausbaus der Plätze für Unter-Dreijährige knapp“, sagte Kleinert. Und schon bald wird sie noch mehr Bedarf für Kinderbetreuung haben – Louis wird ein Geschwisterchen bekommen.