Claudia Münks-Lederer, Chefärztin der Pneumologie am Klinikum, erklärt, warum es so wichtig ist, die Krankheit frühzeitig zu diagnostizieren.
COPD-TagLeverkusener Lungenfachärztin: „NRW ist ein Raucherland“
Die Zahlen der COPD-Erkrankten steigt in den vergangenen Jahren. Viele sprechen von einer neuen Volkskrankheit. Was macht diese Krankheit so gefährlich und warum steigen die Zahl eigentlich?
Münks-Lederer: Es ist keine neue Volkskrankheit, sondern eigentlich eine alte. Sie ist nur nicht im Bewusstsein der Menschen angekommen. COPD – da weiß kaum jemand, was sich dahinter verbirgt und wie gefährlich das sein kann. Die Erkrankung steht aber an dritter Stelle der Welt-Todesursachen-Statistik, das darf man nicht vergessen. Als ich angefangen habe, zu arbeiten, war die Krankheit auf Position zwölf, jetzt sind wir schon auf Position drei hinter den ganzen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das ist eine ganze Menge. Weltweit gesehen ist die Ursache das Verfeuern von Biomasse, in den Regionen, wo noch über offenem Feuer gekocht wird, gerade in der Dritten Welt zum Beispiel. Aber die Hauptursache in Europa ist tatsächlich immer noch das Rauchen.
Auch bei neuen Zigarettenformen?
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Bei allem, was geraucht wird. Bei den neuen Verdampfern ist das Problem, dass wir da zwar kein Tabak mehr drin haben, aber andere Zusatzstoffe, die wir noch gar nicht in Gänze kennen und die wir noch nicht über einen so langen Zeitraum beobachtet haben.
Das heißt, auch die E-Zigaretten sind gefährlich?
Auch sie sind schädlich. Ob sie jetzt zu COPD im klassischen Sinne führen oder andere Lungenerkrankungen hervorrufen, das wissen wir noch nicht, aber sie sind sicherlich nicht gut für die Lunge.
Was ist mit Feinstaub oder Abgasen?
Natürlich, das spielt auch eine Rolle.
Heißt das, dass die Bevölkerung in Leverkusen gefährdeter ist – bei all den Autobahnen um und durch die Stadt?
Es spielt in jedem Falle auch eine Rolle. Es gibt natürlich viele Regionen, die unter diesem Aspekt gefährdet sind. Die Hauptursache ist aber: Nordrhein-Westfalen ist ein Raucherland. Im Bundesländervergleich stehen wir sehr weit vorn. Und wenn man natürlich mehreren Risikofaktoren ausgesetzt ist – wenn man raucht plus Feinstaub plus genetische Vorerkrankung – dann potenziert sich das sehr dramatisch.
Was genau verbirgt sich hinter COPD?
COPD heißt chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Es ist die Erkrankung der Atemwege, die eingeengt werden. Hinzu kommt, dass das Lungengewebe langsam und schleichend zerstört wird. Beides zusammen ist COPD. Die wird leider oft viel zu spät erkannt, das Ziel ist es, eine frühe Diagnose zu stellen. Die Erkrankung wird auch verharmlost. Wenn jemand einen Herzinfarkt bekommt, hat man sofort Schmerzen, bei der Lungenerkrankung entsteht über viele Jahre die Zerstörung, man denkt: „Na ja, Luftnot gehört dazu, ich werde ja auch älter“, man geht nicht mehr so oft Treppen, es gibt immer Entschuldigungen. Wenn man aber eine akute Verschlechterung bei einer Lungenerkrankung erleidet und deswegen ins Krankenhaus kommt, dann ist das Risiko, innerhalb eines Jahres zu versterben, bei mehr als 20 Prozent – das ist höher als nach einem Herzinfarkt! Es gibt einen Zusammenhang zwischen Lunge und Herz: Wenn sich bei einem Patienten die Lungenkrankheit verschlechtert, ist auch das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, verdoppelt. Die gleichzeitige Beteiligung des Herzens bei einer Lungenerkrankung liegt bei 45 Prozent. Und umgekehrt haben Herzerkrankte in 40 bis 50 Prozent der Fälle eine Lungenerkrankung, die oft noch gar nicht bekannt ist. Im Klinikum bekommt jeder Herzpatient eine Lungenfunktion und jeder Lungenpatient einen Ultraschall vom Herzen, damit man frühzeitig die Zusammenhänge erkennen kann.
Hat Corona die Krankheitsverläufe verschlechtert?
Zu Corona kann man zwei Dinge sagen: Die Patienten, die eine COPD haben, haben ein deutlich höheres Risiko gehabt, durch eine Coronaerkrankung einen schlechten Verlauf ihrer Krankheit zu haben und in eine Klinik zu müssen. Das andere ist: In der Coronazeit mit den Lockdowns und dem Homeoffice ist die Raucherprävalenz wieder deutlich angestiegen. Es rauchen einfach wieder deutlich mehr Menschen.
Wofür sind COPD-Patienten noch anfälliger?
Zum Beispiel haben Patienten häufiger eine Osteoporose oder psychische Erkrankungen in Form von Depressionen. COPD macht einsam, die Leute können sich nicht bewegen, bleiben zu Hause, schränken ihre Aktivitäten ein. Deswegen versuchen wir in der Behandlung, die Menschen zu motivieren, in Lungensportgruppen zu gehen, aktiver zu werden. Der Widerspruch, der auf den ersten Blick da ist: Wenn man sich bewegt, hat man mehr Luftnot – das ist falsch. Wir wissen: Jeder Schritt zählt. Je weniger man sich bewegt, desto höher ist das Sterblichkeitsrisiko.
Sie arbeiten seit Anfang Juli am Klinikum, haben zuvor jahrelang im Remigius-Krankenhaus in Opladen gearbeitet. Wo arbeitet es sich besser?
Jedes Haus hat seine Vor- und Nachteile. Ich habe auch gerne am Remigius-Krankenhaus gearbeitet. Da hatte ich ein etwas anderes Setting, weil ich da die Chefin der kompletten Inneren war, da war Kardiologie eines meiner Teilgebiete, die ich über einen Oberarzt abgedeckt hatte. Deswegen sind gerade diese kardiopulmonalen Interaktionen mein Steckenpferd. Hier haben wir Patienten, die deutlich jünger sind, als es zuletzt am Remigius-Krankenhaus war. Hier sieht man viel mehr weit fortgeschrittene Erkrankungen, auch seltene Lungenerkrankungen. Hochspannend, ich könnte Stunden darüber reden.
Obwohl noch von der Ampel im Bundestag beschlossen, ist aktuell fraglich, was mit der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Krankenhausreform geschieht. Der Bundesrat ist jetzt am Drücker. Wenn man in einem Krankenhaus arbeitet: Ist man erleichtert, wenn man das gehört hat?
Die Reform stellt uns alle deutschlandweit vor große Herausforderungen. Dass Änderungen kommen müssen, war uns allen klar. Wir waren und sind nach wie vor angespannt, weil wir im Aufbau mit unserem Lungenzentrum sind. Wenn Sie gerade im Aufbau einer Abteilung sind, muss man gucken: Wird man blockiert oder nicht? In meinem Fachgebiet glaube ich das jetzt nicht. Aber wir haben Kooperationspartner, wo man schauen muss, dass das optimal läuft. Die aktuelle politische Lage wird vielleicht was aufschieben, aber grundsätzlich nichts daran ändern. Irgendwas muss kommen. Wer die besten Ideen hat, das wird man sehen. Wichtig ist, dass man auch die Krankenhäuser fragt.
Zur Person
Die 62-jährige Claudia Münks-Lederer ist Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie. Sie soll in Schlebusch ein neues Lungenzentrum aufbauen. In der neuen Klinik für Pneumologie soll das gesamte Spektrum der Erkrankungen der Lunge, der Bronchien und des Rippenfells behandelt werden. Dazu gehören auch entzündliche Erkrankungen wie COPD oder Asthma. Auch die Diagnostik bei Lungenkrebs soll durch zusätzliche Verfahren erweitert werden. (mit stes)