Eine Gruppe Betroffener will sich aktiv gegen ihre Erkrankung stemmen.
Druck vor WeihnachtenWie eine Leverkusener Selbsthilfegruppe gegen Depressionen anläuft
Alle Jahre wieder, ganz besonders zur Weihnachtszeit, taucht das Phänomen auf, dass Menschen, die unter Depressionen leiden, in eine tiefe Krise geraten. Die dunkle Jahreszeit mit womöglich grauem Wetter, zugleich übersteigerte Erwartungen an ein „Fest der Liebe“ und der Harmonie – all das erzeugt für Menschen, die eben nicht mal eben eine gedrückte Stimmung haben, sondern ernsthaft seelisch erkrankt sind, einen unerträglichen Druck.
Christiane Wesselhöfft weiß davon zu berichten. Die Sozialarbeiterin ist Koordinatorin des Leverkusener Bündnisses gegen Depression, einer Kooperation von der LVR-Klinik Langenfeld, der Suchthilfe Leverkusen, dem Sozialpsychiatrischen Zentrum Leverkusen sowie den Sozialdiensten katholischer Frauen und Männer in Leverkusen. Gemeinsam will der Zusammenschluss über die Volkskrankheit Depression, unter der Bundesweit diagnostiziert mehr als fünf Millionen Menschen leiden, informieren und Behandlungswege aufweisen.
Nun ist das Jahr 2022 trotz der Häufung von Krisen und Zukunftsängsten unter dem Aspekt depressiver Erkrankungen gar nicht mal ein Ausnahmejahr.
Alles zum Thema Klinikum Leverkusen
- Auswertung von Uber Leverkusen ist die Stadt, die niemals schläft
- Herzinsuffizienz Mitralklappenzentrum im Klinikum Leverkusen ausgezeichnet
- Neubau am Klinikum Leverkusens erste Kinderpalliativstation ist fertig
- COPD-Tag Leverkusener Lungenfachärztin: „NRW ist ein Raucherland“
- Ministerium rudert bei Reform zurück Klinikum Leverkusen darf weiter Hüften und Knie operieren
- Konzert für Leverkusener Kinderpalliativstation Shanty-Chöre versetzen Zuschauer an die Nordsee
- Es wird weiter gesucht Die Zahl der Pflegekräfte in Leverkusener Kliniken steigt
2022 kein Ausnahmejahr mehr
„Das hatten wir vielmehr während des Corona-Lockdowns, als nicht nur die sozialen Kontakte heruntergefahren wurden, sondern auch die Beratungsstellen nicht mehr wie gewohnt erreichbar waren“, berichtet Christiane Wesselhoefft, die in der Psychiatrischen Klinik des Landschaftsverbandes Rheinland in Langenfeld-Galkhausen mit Suchtkranken arbeitet. Da hätten viele Menschen schwer gelitten, sich verlassen und einsam gefühlt.
Jedoch stellt sich auch in diesem Jahr der Dezember mit seinen geballten Feiertagen und hochgeschraubten Erwartungen wieder als besondere Belastung heraus. Vor allem depressive Menschen, die keine engen sozialen Bindungen in der Familie oder im Freundeskreis haben, stürzen dann in die Krise. „Diese Zeit ist immer besonders prekär. Die Kliniken sind um diese Zeit immer dicht belegt.“
Und weil der Bedarf weit höher ist als die über Jahre hinweg aus Kostengründen reduzierten Kapazitäten, kann es auch keine präventiven Aufnahmen gefährdeter Patienten mehr geben, wie sie sich in früheren Jahren bewährt hatten. Hinzu kommt, dass die Praxen von Psychotherapeuten derart überlaufen sind, dass lange Wartelisten für Patienten geführt werden oder wochenlang nur der Anrufbeantworter zu erreichen ist.
Sport und soziale Kontakte helfen
Was also tun gegen die absehbare Krise? So unterschiedlich die Symptome und Ausprägung der seelischen Krankheit Depression sind, so bewährt sind die Hausmittel Sport und soziale Kontakte. Dies wissend, haben Aktive im Bündnis gegen Depression vor drei Jahren eine Sportgruppe „Laufen gegen Depressionen“ gegründet, in der sich Betroffene einmal die Woche – jeden Mittwoch – zum gemeinsamen Dauerlauf treffen. Corona bremste das Projekt zwischenzeitlich aus und erzwang eine Pause. Seit April ist die Gruppe wieder am Start.
„Die Mitglieder der Laufgruppe möchten, neben der eigenen psychischen Stabilisierung und Förderung von Ausdauer, Körperbewusstsein und Geselligkeit, auch durch Teilnahme an Laufveranstaltungen die Öffentlichkeit immer wieder auf die Erkrankung Depression aufmerksam machen und sensibilisieren“, erläutert Wesselhoefft, weshalb sich das Team in diesem Jahr auch am „Ugly Sweater Run“ längs der Dhünn beteiligt hat.
Die Laufgruppe ist dabei weniger leistungsorientiert als eben auf die therapeutische Wirkung gemeinsamer körperlicher Betätigung aus. „Wer neu hinzukommt, läuft in der Regel keine fünf Kilometer am Stück“, weiß Diana Gerhold vom Sozialpsychiatrischen Zentrum in Opladen. Diana Schmitz von der Suchthilfe Leverkusen, die ebenfalls als Lauftrainerin im Team agiert, legt Wert auf individuelle Anleitung und Motivation, damit die Laufwilligen auch bei der Sache bleiben.
Laufen hilft und gibt Kraft
Was mitunter sehr gut funktioniert. „Das Laufen macht mir den Tag schön“, erzählt Kathrin Kerlin. Die 52-Jährige, deren Depression therapiert und begleitend auch medikamentös behandelt wird, läuft selbst inzwischen drei- bis fünfmal die Woche und regelmäßig mittwochs in der Gruppe. Das Laufen gebe ihr wieder Kraft, „dann kommen die Farben zurück“. Die derzeit neun Beteiligten in der Gruppe stehen auch abseits des Laufens in Kontakt, tauschen sich in einer Whatsapp-Gruppe aus.
Was auch André Laubach als positiv stärkend empfindet, der mit dieser Stütze vom Alkohol wegkommt. Nicht alle Interessierten haben wirklich durchgehalten und sind sportlich am Ball geblieben. Eine Gruppe harmoniert auch nicht mit jedem. Die aber mitmachen, tun es mit spürbarer Freude. Und schafften eben auch den Fünf-Kilometer-Lauf in Weihnachtsverkleidung.
Was nun tun, wenn einen zu Weihnachten eine Depression übermannt? „Die erste Anlaufstelle sollte immer der Hausarzt sein“, rät Christiane Wesselhoefft. Beratungen bietet sodann die Sozialpsychiatrische Ambulanz an der Kölner Straße in Opladen an und neuerdings auch die Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie neben dem Klinikum Leverkusen.
„Wer im Extremfall Suizidgedanken hat, sollte direkt ins Behandlungszentrum unserer Klinik hier in Langenfeld kommen“, rät Wesselhoefft. „Wenn es ganz schlimm ist: Wir sind immer erreichbar, egal zu welcher Uhrzeit.“