Bisher war in der Verhandlung vor dem Landgericht Köln oft von einem Messerstich die Rede. Eine Rechtsmedizinerin präzisierte das jetzt.
Messerattacke in LeverkusenOpfer und Angeklagter machen sich im Landgericht gegenseitig Vorwürfe
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Das Land- und Amtsgericht an der Luxemburger Straße in Köln
Copyright: Thomas Käding
Zwölf Zentimeter lang und quer über den linken Oberschenkel zog sich die Wunde, die Erdal B. im Kampf mit Dilan M. (alle Namen geändert) am 14. Juni 2024 in den Wiesdorfer Luminaden davontrug. Soviel hielten die Mediziner im Klinikum am gleichen Tag fest, die Erdal B. medizinisch versorgten und die Wunde nähten.
Doch welcher Art genau war die Wunde eigentlich? Um diese Frage zu klären, hatte die 9. Große Strafkammer des Landgerichts Köln am Montag, 24. Februar, die Rechtsmedizinerin der Kölner Uniklinik in den Zeugenstand gerufen, deren Gutachten Anfang Februar der Vorsitzende Richter Thomas Stollenwerk verlesen hatte. Und die charakterisierte die Wunde eindeutig: „Das hier ist eine Schnittverletzung. Sie kann nur durch eine Schnittbewegung entstanden sein“, so die Ärztin. Die Wunde sei länger als tief, führte sie aus.
Das hier ist eine Schnittverletzung. Sie kann nur durch eine Schnittbewegung entstanden sein
Auf die Frage Stollenwerks, ob jemand, der einer anderen Person eine solche Verletzung zufüge, die Tat in der Situation auch sofort merke, sagte die Medizinerin: „Das kommt auf die Schärfe des Messers an. Wenn ich ein sehr scharfes Messer habe, auch ein sehr scharfes Taschenmesser, merke ich das unter Umständen nicht.“ Sogar der Verletzte selbst müsse die Verletzung nicht direkt realisieren „in einer dynamischen Situation unter dem Einfluss von Adrenalin“.
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Leverkusen: Aussage stützt eher Verteidigung
Die Aussagen der Rechtsmedizinerin kommen eher der Verteidigung des Angeklagten Dilan M. zu Pass. Denn es ist zwar unstrittig, dass der junge Türke, der seit seiner frühen Kindheit in Deutschland lebt, Erdal B. an jenem Nachmittag in den Luminaden schwer mit dem Messer verletzt hat. Aber Dilan M. schilderte die Tat nicht als bewusste und gezielte Aktion gegen den Körper seines Kontrahenten, sondern eher als zufälliges und eben nicht zielgerichtetes Geschehen während des Kampfes in einem Seitengang der Luminaden, bei dem er zudem in seiner Sicht behindert gewesen sein könnte. Denn Erdal B. hatte während des gewalttätigen Streits ausgiebig mit Pfefferspray um sich gesprüht und vermutlich auch Dilan M.s Augen getroffen.
Die weiteren Zeugen des achten Verhandlungstages – sämtlich Männer, mit denen Erdal B. darüber gesprochen hatte, dass er sich von Dilan M. bedroht gefühlt hatte – konnten zu den angeblichen Bedrohungen konkret nicht viel beitragen. Interessant war lediglich, dass zwei der drei Männer im Zusammenhang mit den behaupteten Bedrohungen mehrfach betonten, sie hätten Erdal B. gewarnt, „sich von solchen Leuten fernzuhalten“, wie einer der Zeugen, ein Informatiker aus Solingen, sagte. Ein anderer sagte vor Gericht, er wisse, dass Erdal B. in der Vergangenheit Probleme mit Drogen gehabt und sich mit „Möchtegern-Gangstern“ herumgetrieben habe. „Ich hab' ihm immer gesagt: Komm' aus diesem Umfeld raus“, so der gelernte Programmierer aus Köln.
Klar wurde hingegen erneut, dass Erdal B. und Dilan M. nicht nur wegen Dilan M.s Ex-Freundin, mit der Erdal B. eine kurze Liaison hatte, in inniger Abneigung verbunden sind. Die jungen Männer verbindet auch ihr Marihuana-Konsum. Dilan M. hatte zugegeben, dass er Erdal B. 350 Euro für Drogen schuldete, die er von diesem bekommen hatte. Doch am Montag bezichtigte der Angeklagte sein Gegenüber auch, mit Marihuana zu dealen. Das ließ dieser nicht auf sich sitzen und warf Dilan M. seinerseits vor, Marihuana nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu verkaufen.
Der Prozess wird Anfang März fortgesetzt.