AboAbonnieren

#OutInChurchSechs Katholiken aus NRW erzählen von ihrem Outing in der Kirche

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Im Rahmen der Intiative #OutInChurch haben sich 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche als queer geoutet.

Köln – Mit der Kampagne #OutInChurch outen sich bundesweit 125 Menschen, die für die katholische Kirche arbeiten, als nicht heterosexuell. Sechs von ihnen aus dem Rheinland haben uns ihre Gründe geschildert.

Thomas Spinrath: „Viele sind offen und zeigen sich solidarisch“

Neuer Inhalt (1)

Thomas Spinrath

Er sei in Hürth von klein auf in der Kirche groß geworden, sagt Thomas Spinrath (25). Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, Kirchengemeinde, Jugendarbeit. „Queere Menschen waren dort nirgendwo sichtbar. Ich hatte keine Rollenvorbilder, kannte gleichzeitig aber natürlich die Haltung der Institution zu Fragen der Sexualmoral und der Geschlechtsidentität. Ich wusste also, dass queere Menschen Ausgrenzung fürchten müssen.“

Als ehrenamtlicher Jugendleiter habe er sich gefragt, ob er als queere Person überhaupt akzeptiert werde. „Diese Dinge haben mich in meiner Jugend sehr beschäftigt. Ich hatte Angst, mich offen zu zeigen und habe mich einen Großteil meines Lebens versteckt. „Das hat mich geprägt.“In Hürth sei es bis auf das Verschweigen von Queerness in der Jugendarbeit möglich gewesen, Kindern und Jugendlichen „Räume zur kritischen Auseinandersetzung mit Religiosität zu geben. Da habe ich viele positive Erfahrungen gemacht.“ Deshalb, sagt Spinrath, habe er jetzt „die Verantwortung, gegen das System des Unrechts und der Angst in der katholischen Kirche aufzustehen.“

Alles zum Thema Erzbistum Köln

In Hürth habe er schon damit begonnen, die Kolpingjugendarbeit queerfreundlicher zu gestalten. „Die Kirche ist aber noch lange kein Ort der Freiheit.“ Vom Erzbistum Köln komme keinerlei Rückendeckung. „Auch wenn es kleine Orte der Freiheit gibt, sind wir Teil eines großen Systems und einer queerfeindlichen Struktur gerade im Erzbistum Köln.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Kampagne sei wichtig, weil es in der Kirche eine queerfeindliche Machtstruktur und Bischöfe gebe, „die gerade viel Leid verursachen. Aber wir haben auch viele Menschen, die offen sind und sich solidarisch zeigen. Mit dieser Aktion wollen wir versuchen, das System der Angst und des Schweigens zu durchbrechen.“ Der Druck müsse so groß werden, dass sich die Kirche dem nicht mehr entziehen könne.

Ein hohes Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken habe ihm einmal gesagt: „Die Kirche wird von oben gerade schneller abgerissen als wir sie von unten wieder aufbauen können.“ Jetzt gehe es darum, gleichzeitig die „menschenfeindliche Machtstruktur anzuprangern“ und dabei die „tollen Menschen“ an der Basis nicht zu vergessen.

Sabine Hengmith: „Ich wollte keine Doppelmoral leben“

Neuer Inhalt (1)

Sabine Hengmith

Sabine Hengmith (39) leitet eine pädagogische Einrichtung beim Caritasverband in Köln. „Ich bin mit meiner sexuellen Orientierung im Bewerbungsgespräch offen umgegangen. Ich wollte keine Doppelmoral leben. Das ist so akzeptiert worden.“ Mit der Teilnahme an der Aktion wolle sie allen Menschen die Angst nehmen, die ihre sexuelle Orientierung immer noch verheimlichen. „Ich möchte Veränderungen erreichen und dass wir in unserer Kirche endlich offen leben können. Mein Glaube an Gott hat doch nichts mit meiner Sexualität zu tun.“

Diskriminierung in der Kirche habe sie erfahren, als die Ehe mit ihrem damaligen Mann von der Kirche annulliert worden sei. Das Schreiben aus Rom zum Verbot der Segensfeiern sei ein weiterer Tiefschlag gewesen. „Wir sind eine Randgruppe in der Kirche. Wir existieren einfach nicht. Frau und auch noch lesbisch, das ist die doppelte Diskriminierung.“

Ein Austritt komme für sie nicht in Frage. „Ich mache das aus Trotz nicht. Ich bin in der katholischen Kirche sozialisiert worden und verwurzelt. Das ist mir wichtig.“

Simon Konermann: „Ich will zeigen, dass es die menschenfreundliche Kirche noch gibt“

Neuer Inhalt (1)

Simon Konermann

Simon Konermann (31) arbeitet in der Verwaltung einer Kirchenbehörde und parallel an seiner Promotion in Bonn über Coming Out in der Kirche. Diskriminierungen im Job seien keine offensichtlichen Verletzungen, sondern eher Benachteiligungen, sagt der Theologe. „Das fängt ganz banal damit an, dass alle vom Urlaub berichten und man selbst sein Privatleben verstecken muss.“ Das sei eine Herausforderung für die Partnerschaft. „Jedes eingetragene Lebensverhältnis wie eine Ehe kann zur Kündigung führen. Man ist aufrichtig katholisch, für einen selbst ist das kein Widerspruch. Dieser Widerspruch wird erst von der Kirche erzeugt.“

Für Konermann ist das Outing ein mutiger Schritt. „Ich gehe recht offen mit meinem Queer-Sein um. Seit ich zu dem Thema promoviere, hat sich das entwickelt.“ Das sei kein einfacher Weg. Bei der Themenwahl seiner Doktorarbeit sei er mehrfach gefragt worden: „Warum willst Du Dich ins Abseits stellen?“ Die katholische Sexualethik sei in Lehre und Forschung immer noch ein Tabubereich. „Wer in diesem Bereich arbeitet, macht sich angreifbar. Nicht von meinem Doktorvater, aber von Arbeitgeberseite wird einem durchaus zur Vorsicht geraten.“

Die Kirche müsse viel stärker den Menschen begleiten, Entfaltungsmöglichkeiten schaffen. „Es ist ethisch geboten, dass eine Religionsgemeinschaft sich in ihrem Dienst am Menschen misst und nicht an Regeln hält, die Menschen diskriminieren“, sagt Konermann.

„Das Grundprodukt der Kirche, die Seelsorge, ist weiterhin unschlagbar gut. Der Laden, der das »Produkt« verkauft, macht es einem sehr schwer und viele verlassen ihn deswegen.“ Ihm sei wichtig, zu zeigen, dass es die menschenfreundliche Kirche noch gibt. „Wenn alle queeren Menschen die Kirche verließen, wäre sie nicht mehr das gesamte Volk Gottes. Dann würde ein wichtiger Teil fehlen.“

Mirjam Gräve: „Das Outing war keine große Hürde“

Neuer Inhalt (1)

Mirjam Gräve

Mirjam Gräve (45) Religionslehrerin an einer Gesamtschule, engagiert sich schon länger im Bereich „Kirche und queer“, ist Beraterin beim synodalen Weg und im Forum zur Veränderung der katholischen Sexualmoral. „Wir versuchen schon lange, auf der Ebene der Amtskirche Veränderung anzustoßen.“ Das Outing sei für sie nur konsequent und keine große Hürde gewesen. Anfang Dezember hat sie ein Buch unter dem Titel „Katholisch und queer“ herausgegeben.

Ob ihr Engagement dazu führen werde, dass das Erzbistum ihr den Lehrauftrag entziehe, könne sie nicht sagen. „Solche Vorgänge laufen völlig intransparent ab.“ Diskriminierung erfahre sie eher als „Nadelstiche“, sagt Gräve. „Konservative Bischöfe sprechen mir das rechte Katholischsein ab.“

Vanessa Palten: „Wir wollen ein Umdenken bewirken“

Neuer Inhalt (1)

Vanessa Palten

„Das Outing ist für mich weniger mutig als für andere, weil ich in keinem direkten Arbeitsverhältnis zur katholischen Kirche stehe“, sagt die Studentin Vanessa Palten (25), die ehrenamtlich als Leiterin in einem Kinder- und Jugendverband in der Diözese Köln arbeitet und in einer Beziehung mit einer katholischen Religionslehrerin lebt. „Wenn das öffentlich wird, kann sie jederzeit ihren Lehrauftrag von der katholischen Kirche entzogen bekommen.“

Es sei ihr wichtig zu zeigen, dass „die Kirche nicht nur im Gottesdienst oder bei der Kirchensteuer sichtbar, sondern für ganz viele Menschen als Arbeitgeber tätig ist. Da wirken sich Diskriminierungen ganz anders aus.“ Das sei der Öffentlichkeit bislang nicht so präsent. „Mit unserer Aktion wollen wir ein Umdenken bewirken.“

Chiara Battaglia: „Ich werde aus der Kirche austreten“

Neuer Inhalt (1)

Chiara Battaglia

Chiara Battaglia (28) hat knapp drei Jahre als Integrationsbeauftragte für das Erzbistum Köln gearbeitet. Ende Februar ist Schluss. Sie wird anschließend als Volontärin beim Mitteldeutschen Rundfunk beginnen. Sie sei offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgegangen und habe viele positive Erfahrungen gemacht. „Es ist aber auch zu einer traumatischen Situation gekommen. Ich habe Ungleichheiten angesprochen. Da hat es eine unschöne Erfahrung gegeben.“

Ihre Frustration rühre daher, „dass sich innerhalb der Organisation keinerlei Veränderungen herbeiführen lassen.“ Sie werde aus der Kirche austreten, weil sie das System nicht mehr finanziell unterstützen könne. „Vielleicht kann ich auf diesem Weg zu Spiritualität und zum Glauben zurückzufinden.“