Protestschließungen von neun Caritas-Einrichtungen in Rhein-Berg verdeutlichen die Unentbehrlichkeit von Kitas.
Kita-Protest512 Kinder in Rhein-Berg mussten Zuhause bleiben
Alle neun Caritas-Kindertageseinrichtungen im Rheinisch-Bergischen blieben am Montag dicht. In der aktuellen Notlage verdeutlicht die Caritas Rhein-Berg als sozialer Träger mit dieser erneuten Aktion die Unentbehrlichkeit von Kitas: 512 Kinder mussten Zuhause bleiben. „Bei der Politik tut sich nichts. Es gibt immer wieder schöne Worte, aber es folgt nichts“, stellt Raphaela Hänsch, Sprecherin des Caritas-Vorstands, bei der Mitgliederversammlung im Bergischen Löwen ernüchtert fest.
Die Anspannung bei den 189 Erzieherinnen und Erzieher aus den neun Caritas-Einrichtungen im Spiegelsaal ist deutlich spürbar. „Wo ist unsere Lobby?“, fragt Martina Niehöfer, Leiterin des Caritas-Familienzentrums in Rösrath, „der Finanzierungskonflikt wird auf den Schultern der Beschäftigten ausgetragen.“ Herauszuhören sind viel Wut und Unverständnis.
Arbeitsplätze sind gefährdet
Denn es steht viel auf dem Spiel: die Zahlungsfähigkeit vieler Träger und damit die Stabilität der sozialen Infrastruktur, wenn Gruppen oder sogar ganze Einrichtungen schließen müssten. Gefährdet ist damit auch der Arbeitsplatz eines jeden einzelnen. Grund für die Schließungen gestern als eine der vielen Protestaktionen von Sozialverbänden ist die dauerhafte Unterfinanzierung der Einrichtungen.
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Das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) bilde die erhöhten Tariflöhne und Inflationsausgleichszahlungen von rund zehn Prozent nicht ab, betont Hänsch. Die Differenz müssten die Träger ausgleichen und geraten so immer mehr in eine finanzielle Schieflage. Dazu komme, dass die Kibiz-Pauschalen erst im August 2024 angepasst werden. Für den Caritas-Verband Rhein-Berg entstehe allein bis dahin ein Minus von 500.000 Euro hatte Hänsch zuletzt im Jugendhilfeausschuss in Bergisch Gladbach vorgerechnet.
„Als Träger können wir das nicht durchhalten“, sagt Michael Ufer, Vorstand Personal und Finanzen, „wir wollen keine Einrichtung abgeben. Deshalb müssen wir gemeinsam kämpfen, zusammen mit den Eltern und anderen Wohlfahrtsverbänden.“ Der Appell, schnellstmöglich den Kitaträgern die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen, richtet sich an das Land NRW, aber auch an die Kommunen, die verpflichtet sind, dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nachzukommen.
Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein sieht das Land NRW in der Pflicht. „Wenn das Finanzierungssystem der Kindertagesstätten nicht schnellst möglichst auf solide Füße gestellt wird, droht der Zusammenbruch der bewährten Kita-Strukturen“, prognostiziert er. Dann werde den Städten nichts anderes übrig bleiben, als überall dort selbst Kita-Träger zu werden, wo die bisherigen Träger dazu wirtschaftlich nicht mehr in der Lage seien.
Oder aber mit zusätzlichen kommunalen Mitteln das System aufrechtzuerhalten — als weitere Belastung der ohnehin extrem belasteten kommunalen Haushalte. „Es ist einzig und allein Aufgabe und Verantwortung der Landesregierung, dies abzuwenden. Die bisherigen Nothilfen des Landes sind nicht ansatzweise dazu in der Lage“, stellt er fest.
Nicht alle Eltern hätten Verständnis gezeigt für die gestrigen Schließungen, berichtet Niehöfer. Sie mussten schon wieder kurzfristig eine Betreuung für ihre Kinder organisieren. Aber im Saal herrscht Konsens, dass öffentlicher Druck aufgebaut werden müsse. „Die Eltern müssen mit ins Boot geholt werden“, sind sich alle einig, „wir kämpfen um das Gleiche.“
Sandra Niepolt, Leiterin der Caritas-Kita Cedernwaldstraße, sagt: „Uns Beschäftigten macht das Angst um unsere Stellen, um die Zukunft.“ Um den Kollaps abzuwenden, könnten Gruppen im Rotationsverfahren geschlossen, und Betreuungszeiten dauerhaft eingeschränkt werden, Lasternen basteln an St. Martin ausfallen. Den Konflikt vor Ort mit den Eltern müssten dann die Erzieherinnen austragen.
Weitere Schritte sollen folgen
"Wir machen unsere Arbeit mit sehr viel Herzblut, aber ohne eine auskömmliche Finanzierung können wir unser Feuer nicht so, wie wir es wollen, aufrechterhalten“, gibt Niepolt einen Hinweis darauf, dass die Qualität leiden könne. Gleichzeitig rege sich die Politik auf über die schlechten Pisa-Ergebnisse. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, meint Niepolt.
Die Mitgliederversammlung sei als Vorarbeit zu verstehen, der weitere Schritte folgen würden, kündigt Hänsch an —im Schulterschluss mit der AG Freie Wohlfahrtspflege, Zusammenschluss von Awo, Caritas, Diakonie, Der Paritätische und DRK.
„Die Solidarität untereinander macht uns stark“, sagt Hänsch. Am Montag haben einzelne Einrichtungen der AWO ihre Solidarität mit der Caritas bekundet, indem sie ebenfalls mit Flatterband vor den Kita-Gebäuden auf den finanziellen Notstand aufmerksam gemacht haben.