Gedanken an eine Kiesgrube in weniger als 300 Metern Entfernung vom Haus weckt bei Ehepaar schlimme Erinnerungen an die Flutkatastrophe in Blessem.
Es geht um ihre ExistenzBergheimer haben Angst vor einer Kiesgrube in ihrer Nachbarschaft
Der Blick aus dem Wohnzimmerfenster ist für das Ehepaar Heiner Valder und Christiane Raths-Valder mit einem merkwürdigen Gefühl verknüpft. „In weniger als 300 Metern soll eine 45 Meter tiefe Kiesgrube aufgeschlossen werden“, sagt Christiane Raths-Valder.
Auch in Richtung Widdendorf soll eine Grube entstehen. Und das bedrückt das Ehepaar, das bei Thorr auf dem Wiebachhof lebt, gleich in mehrfacher Hinsicht und nicht nur wegen der grundsätzlichen Belastungen, die Kiesgruben mit sich bringen.
Zum einen: Für die beiden Gruben mit dem Namen Widdendorf I und II würde rund ein Drittel der Betriebsfläche des Hofs verschwinden – ein Großteil des Landes ist gepachtet. „Das ist unsere wirtschaftliche Existenz“, sagt Heiner Valder. Auf den Feldern würden Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide angebaut, dazu Gemüse wie Erbsen und Buschbohnen, hinzu kommt die Haltung von Schafen, Hühnern, Gänsen und Enten. Ihre Produkte vermarkten die Valders direkt ab Hof.
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Zum anderen: Gleich neben dem Hof verläuft der Wiebach, etwas weiter das Manheimer Fließ. „Beim Starkregen 2021 stand der Hof unter Wasser“, sagt Christiane Raths-Valder. Der Betrieb liege in einer Senke auf dem tiefstem Punkt der Umgebung. „Das Wasser läuft hier zusammen wie in einer Wanne.“
Der Gedanke an eine Kiesgrube in weniger als 300 Metern Entfernung vom Haus und nah an einem fließenden Gewässer wecke schlimme Erinnerungen an die Flutkatastrophe in Blessem, wo eine einstürzende Kiesgrube Erdmassen bis an den Rand des Ortes Erftstadt-Blessem fortriss – und auch mehrere Häuser.
Das Unternehmen, das Kies abbauen will, hat vom Rhein-Erft-Kreis positive Signale erhalten
Vom Kreis hat das Unternehmen, das den Kies in den beiden Gruben abbauen will, bereits positive Vorbescheide erhalten, den für Widdendorf II erst vor einem Monat. Das ist zwar noch keine Genehmigung, stellt aber klar, dass das Vorhaben rechtlich zulässig ist. Das Unternehmen kann nun einen vollständigen Antrag stellen, dann sind noch andere Behörden wie Stadt Bergheim, Geologischer Dienst, Erftverband sowie Naturschutzverbände und andere zu hören.
Tatsächlich aber gibt es Bestrebungen, neue Kiesgruben in der Region gar nicht mehr zuzulassen. „Es ist der Wunsch und das Ziel des Regionalrats, keine Neuaufschlüsse von Kiesabbau in vorgeprägten Kommunen mehr zuzulassen“, sagt Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler. Vorgeprägt – das bedeutet in diesem Fall: belastet von Tagebauen und betrifft Kommunen wie Kerpen, Bergheim, Elsdorf und Bedburg.
Allerdings könne dies erst mit dem neuen Regionalplan „Nichtenergetische Rohstoffe“, in dem die langfristigen planerischen Vorgaben für die Region gefasst werden, umgesetzt werden – und das Verfahren bis zur Verabschiedung wird noch mehrere Monate laufen. Er soll im August dieses Jahres neu aufgestellt und offengelegt werden.
Über den Inhalt des Gesprächs hüllen sich die Beteiligten in Schweigen
Unterstützung bekommen Christiane Raths-Valder und Heiner Valder von Winfried Kösters, Ortsbürgermeister des ebenfalls betroffenen Ortes Ahe. „Wenn dieser Plan den Kiesgrubenabbau an dieser Stelle nicht für rechtens erklärt, dann ist der Vorbescheid unter Umständen nicht mehr relevant“, sagt Kösters. Sicher sei das aber nicht.
Kösters Wunsch, dass der Kreis den Vorbescheid noch nicht ausstellt, sondern erst eine Abstimmung zwischen Bezirksregierung, Kreis und den betroffenen Kommunen über das künftige abwartet, hat sich nicht erfüllt.
Das Gespräch fand am Mittwoch, 8. März, statt, über den Inhalt hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. „Wir müssen sehen, wie wir dem Wunsch des Regionalrats und den Belangen von vielen tausend Bürgern gerecht werden“, sagt Bürgermeister Mießeler lediglich.
Der Kreis zieht sich auf die Position zurück, dass der Bescheid habe erteilt werden müssen. „Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung – auch auf eine angemessen Bearbeitungszeit – insbesondere wenn der Antrag vollständig vorliegt“, sagt Claudia Barleben von der Pressestelle des Kreises. Ansonsten riskiere der Kreis eine Untätigkeitsklage und Regressforderungen. Einen Ermessensspielraum habe es nicht gegeben.
„Meiner Meinung nach haben sich durch die Erfahrungen von Erftstadt-Blessem die Rahmenbedingungen vollkommen verändert“, sagt Kösters. Er bittet Landrat Frank Rock, politisch initiativ zu werden. So sollten Experten gehört und und die Bürger in einer öffentlichen Veranstaltung informiert werden. Auch die Auswirkungen des Klimawandels bittet er durch das Ministerium in Düsseldorf neu einschätzen zu lassen.