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„Sehen Gefahren“Kerpener Anwohner sammeln Unterschriften gegen neue Unterkunft für Geflüchtete

Lesezeit 5 Minuten
Auf dem Bild sind einige besorgte Bürgerinnen und Bürger zu sehen, die ihre Petition dem Kerpener Bürgermeister Dieter Spürck übergeben.

Über 1000 Unterschriften haben zukünftige Anwohner der Zentralen Flüchtlingsunterkunft des Landes an Bürgermeister Dieter Spürck übergeben.

Einige Anwohner haben eine Online-Petition mit über 1000 Unterschriften an den Kerpener Bürgermeister übergeben.

Nach der tödlichen Messerattacke von Solingen fühlen sich die Kritiker der geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes für Flüchtlinge in Kerpen in ihren Befürchtungen bestätigt: „Wir sind zukünftig direkte Anwohner der neuen Einrichtung und sehen Gefahren. Das darf uns niemand übelnehmen“, hieß es bei der Übergabe einer Unterschriftenliste an Bürgermeister Dieter Spürck.

Über 1000 Menschen hatten unterzeichnet und so ihre Bedenken gegen das Projekt deutlich gemacht. Joachim Noack, der mit anderen die Online-Petition initiiert hatte, warf der Stadt vor, bislang zu wenig über das Projekt informiert zu haben. Nach der Übergabe der Unterschriftenliste versuchten Spürck und andere Vertreter der Stadt so die Fragen der Bürger zu beantworten und ihre Bedenken auszuräumen.

Zentralen Unterbringungseinrichtung in Kerpen auf 20.000 Quadratmetern

Die ZUE soll möglichst schnell auf rund 20 000 Quadratmetern auf einem Grundstück an der Humboldtstraße entstehen. Westlich davon liegt die Straße „Zum Heidefließ“ an der Tennishalle, im Süden gibt es einen Wirtschaftsweg und im Osten einen Fuß- und Radweg in der Verlängerung der Straße „Auf dem Bauer“ in Richtung Gewerbegebiet. In der Nähe soll auch das neue Kerpener Gymnasium gebaut werden.

Das Bild zeigt eine Wiese, in der die Unterbringung gebaut werden soll. Links im Bild ein Bürgersteig und die Straße.

An der Humboldtstraße in der Nähe des Gewerbegebietes soll die Zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge entstehen.

Bis zu 700 neu angekommene Flüchtlinge will das Land in der ZUE unterbringen, bevor die Menschen dann nach Klärung ihrer Aufenthaltsrechte auf andere Kommunen verteilt werden sollen. Die in der ZUE untergebrachten Flüchtlinge werden auf die Zahl der Flüchtlinge angerechnet, die die Stadt auf Anweisung des Landes in ihren Grenzen unterbringen und versorgen muss. Da die ZUE aber selber vom Land mit eigenem Personal betrieben wird, verspricht sich die Stadt von der Einrichtung einer ZUE eine Entlastung. Insbesondere soll so vermieden werden, dass Flüchtlinge wieder in Turnhallen untergebracht werden müssen, die dann den Schulen und Vereinen fehlen. Der Stadtrat hatte dem Projekt so mit großer Mehrheit zugestimmt.

Bürgermeister Dieter Spürck verteidigt die Unterkunft

„Angesichts der aktuellen Entwicklung, die wir gerade haben, mache ich mir Sorge um unsere Sicherheit“, meinte dennoch eine Mitinitiatorin der Onlinepetition. „Möchten Sie verantworten, wenn einer der Flüchtlinge plötzlich mit dem Messer durch die Klassen des Gymnasiums läuft?“, wandte sie sich an Spürck. Der wies die Frage als „unsachlich“ zurück. In der ZUE würden Menschen untergebracht, die gerade nach Deutschland gekommen seien und in der Regel „erst einmal zur Ruhe kommen“ wollten.

Gefahren durch Messerangriffe gingen aber eher von Menschen aus, die schon länger in Deutschland lebten und sich hier radikalisiert haben, „weil sie frustriert sind“. Da für die Bewohner der ZUE die Stadt Kerpen selber weniger Flüchtlinge zugewiesen bekomme, die dann länger hier wohnen würden, sinke sogar die Gefahr, meinte Spürck. Er wies auf die Erfahrungen der Stadt Düren hin, wo es eine ZUE mit über 1000 Flüchtlingen gebe. „Mir ist nicht bekannt, dass es dort Messerangriffe auf Anwohner gegeben hat.“

Für die Bewohner der ZUE wird das Land eigenes Betreuungspersonal und auch einen Sicherheitsdienst stellen. Die Bewohner können sich frei auch außerhalb bewegen. Es soll innerhalb der umzäunten Anlage aber eigene Freizeitmöglichkeiten, etwa einen Bolzplatz und Spielplätze, geben. Zudem werde die Kinder dort in einem eigenen Kindergarten und auch schulisch mit eigenem Personal des Landes betreut. „Durch die ZUE werden also weit weniger Menschen in unsere Kindergärten und Schulen drängen“, so Spürck. „Auch wird die Betreuung in der ZUE durch das Land wesentlich besser sein, als es die Stadt in ihren eigenen Einrichtungen leisten kann.“

Familien verlassen die ZUE in der Regel nach einem halben Jahr

Erfahrungsgemäß sei es so, dass allein reisende Männer rund zwei Jahre in einer ZUE verbleiben, Familien, Frauen und Kinder aber schon nach rund einem halben Jahr auf andere Kommunen verteilt werden. Es sei sichergestellt, dass die Zahl von 700 Flüchtlingen in der ZUE nicht überschritten werden kann, betonte Thomas Marner, Erster Beigeordneter der Stadt. „Wir haben darüber einen Vertrag mit der Bezirksregierung.“ Dieser könne von dieser nicht eigenmächtig geändert werden.

Zudem, so Marner, bemühe man sich, den Wünschen der Anwohner entgegenzukommen. So soll die ZUE, die in der Regel aus zweigeschossigen Containerbauten bestehen wird, nicht nur komplett eingezäunt, sondern nach Süden hin entlang des Wirtschaftswegs auch noch durch einen fünf Meter hohen Erdwall abgeschirmt werden. Der Hauptzugang soll über die Humboldtstraße erfolgen. Um Belastungen für die Straße „Zum Heidefließ“ und für die Fußgängerbrücke über den Neffelbach an der Tennishalle zu minimieren, wolle man nun noch mit der Bezirksregierung darüber sprechen, ob man die ZUE über einen Hinterausgang für Fußgänger und Radfahrer nicht zusätzlich auch noch an den Wirtschaftsweg anschließen könne.

Auf dem Bild ist eine Fußgängerbrücke zu sehen, die wegen einiger Bäume links und rechts der Brücke im Halbschatten liegt.

Anwohner haben Bedenken, dass die Fußgängerbrücke über den Neffelbach an der Tennishalle durch die bis zu 700 Einwohner der Flüchtlingsunterkunft zu sehr frequentiert wird.

So wäre etwa das Einkaufszentrum Erft Karree oder auch das neue Internationale Begegnungszentrum an der Maastrichter Straße für diese schneller erreichbar. Forderungen der Anwohner, die ZUE weiter östlich auf dem Nachbargelände anzulegen, das für den neuen städtischen Bauhof vorgesehen ist, könne die Stadt leider nicht erfüllen, so Marner. Denn dieses Areal befinde sich noch nicht im Eigentum der Stadt. Mit dem Bau der ZUE eile es aber. Trotzdem zeigten sich die Kritiker, die auch schon mit den unterschiedlichen Fraktionen gesprochen haben, hinterher mit der Aussprache zufrieden: Verwaltung und Politik hätten sich zumindest ihre Argumente mal angehört und Fragen ausführlich beantwortet. Das sei „sehr schön gewesen“, resümierte Marlies Heidbüchel. „Wir haben offene Ohren gefunden.“