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Wohnraum schützenWesseling sagt Vermietern den Kampf an – Strafen bei Leerstand

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Foto sind Teile Wesselings zu sehen.

Bezahlbarer Wohnraum ist in Wesseling rar gesät.

Zu wenige Wohnungen, zu hohe Mieten: Die Stadt am Rhein ist die erste kreisangehörige Stadt in NRW, die eine Wohnraumschutzsatzung einführt.

Als erste Stadt im Rhein-Erft-Kreis führt Wesseling eine Wohnraumschutzsatzung ein. Das Prinzip dahinter ist einfach: Steht eine Wohnung länger als ein halbes Jahr leer oder wird für die Vermietung über Portale wie Airbnb zweckentfremdet, braucht es eine Genehmigung. Ansonsten droht ein Bußgeld. In Städten wie Köln, Bonn oder Düsseldorf kommt eine solche Regelung bereits zum Tragen. Wesseling ist die erste kreisangehörige Kommune in Nordrhein-Westfalen, die dieses Instrument nutzt.

Das Land NRW hat Wesseling als eine von 18 der 396 Kommunen mit überdurchschnittlich angespanntem Wohnungsmarkt vom Land NRW identifiziert. Ein angespannter Wohnungsmarkt bedeutet, dass es mehr Menschen gibt, die eine Wohnung suchen, als Wohnungen, die zur Verfügung stehen. Gerade in der Köln-Bonner-Bucht ist die Situation alarmierend, dies betrifft unter anderem auch die Bornheim im benachbarten Rhein-Sieg-Kreis.

Das große Ziel muss sein, dass Wesselingerinnen und Wesselinger in ihrer Stadt bezahlbaren Wohnraum finden
Bürgermeister Ralph Manzke (SPD)

Dies schlägt sich in der Höhe der durchschnittlichen Miete nieder. Ausgehend von einem Mittelwert von 100 auf Bundesebene überschreitet in Wesseling die Mietbelastung den Schwellenwert von 120 Prozent. Dies geht aus einer Erhebung aus dem Jahr 2020 hervor. Grundlage ist das Verhältnis zwischen dem Durchschnittseinkommen und der Mietbelastung. Bedeutet: Gemessen daran, dass Wesselinger im Durchschnitt weniger als andere verdienen, müssen sie für ihre Wohnung unverhältnismäßig tief in die Tasche greifen.

Dieser Umstand hat dazu geführt, dass die Stadtverwaltung nach Lösungen gesucht hat, den Engpass auf dem Wohnungsmarkt zu beseitigen. „Wir müssen alle Register ziehen“, sagt Bürgermeister Ralph Manzke (SPD). „Das große Ziel muss sein, dass Wesselingerinnen und Wesselinger in ihrer Stadt bezahlbaren Wohnraum finden. Das kann unter anderem nur dann gelingen, wenn der Wohnraum, den wir haben, auch zum Wohnen genutzt wird.“ Dies ist dann nicht der Fall, wenn Wohnraum zweckentfremdet und zum Beispiel für berufliche Zwecke genutzt oder als Ferienwohnung vermietet wird.

Das Foto zeigt Wesselings Bürgermeister Ralph Manzke.

Wesselings Bürgermeister Ralph Manzke

In der von der Politik im Stadtrat verabschiedeten Wohnraumschutzsatzung ist festgehalten, dass Wohnraum primär dem Wohnzweck dienen muss und nicht ohne Genehmigung für andere Zwecke genutzt werden darf. Eine Zweckentfremdung liegt unter anderem dann vor, wenn der Wohnraum zu mehr als 50 Prozent für berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird, für Kurzzeitvermietungen über mehr als drei Monate genutzt wird, länger als sechs Monate leer steht oder baulich derart verändert wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist.

Bei vorübergehender Umnutzung des Wohnraums zu anderen als Wohnzwecken oder einem entsprechendem Leerstand müssen Eigentümer regelmäßig eine Ausgleichszahlung in Höhe des Höchstsatzes der gültigen monatlichen Bewilligungsmiete für öffentlich-geförderte Wohnungen entrichten – das sind derzeit 7,50 Euro pro Quadratmeter im Monat.

Eine solche Satzung bietet nach Angaben der Stadt Wesseling die Grundlage dafür, dass nicht genehmigte Zweckentfremdungen ordnungsrechtlich verfolgt werden können. Zu Beginn des Jahres 2024 wird die Stadt Bürgerinnen und Bürger zu einer Informationsveranstaltung einladen und die Einführung der neuen Regelungen mit Öffentlichkeitsarbeit begleiten, heißt es.

In Frechen gibt es ähnliche Bestrebungen wie in Wesseling

Die SPD-Fraktion sieht in der Wohnraumschutzsatzung einen bedeutenden Baustein, um die angespannte Situation zu entschärfen. „Allein wird die Satzung die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht lösen“, räumt Halil Odabasi, Geschäftsführer der SPD-Fraktion ein. „Aber wir freuen uns, dass wir mit dieser Regelung einen weiteren wichtigen Beitrag leisten können.“

Die Sozialdemokraten haben dabei auch eine nicht unerhebliche Zahl leerstehender Wohnungen im Blick: „Für Vermieter ist das vielleicht eine einfache und lukrative Lösung, aber sie verschärft die Situation für wohnungssuchende Menschen in unserer Stadt“, sagt Thomas Giertz, Sprecher im Ausschuss für Familie, Soziales, Gesundheit und Senioren.

In Frechen gibt es Bestrebungen der CDU, eine Wohnraumschutzsatzung einzurichten. Laut eines aktuellen Wohnraumversorgungskonzepts stehen in Frechen 590 Wohnungen leer. Nach Einschätzung der Fraktionsvorsitzende Karla Palussek ist ein offensichtlich zunehmender Teil der Wohnungseigentümer nicht bereit, seine Wohnungen dem Markt anzubieten. Vor dem Hintergrund, dass es an bezahlbaren Wohnungen mangele und dieser Notstand weiter ansteigen werde, müsse die Stadt Mittel ergreifen. Ein Beschluss darüber wurde im zuständigen Ausschuss vertagt.

Haus & Grund, das die Interessen der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer vertritt, hatte schon vor Jahren den Sinn und die Wirksamkeit solcher „Zweckentfremdungsverordnungen“ in Frage gestellt, vor allem in Bezug auf Airbnb. Eine Zweckentfremdung von Wohnraum durch private Zimmervermittlung liege schließlich nur dann vor, wenn mehr als die Hälfte der Wohnfläche zu diesem Zweck genutzt werde. Dies sei bei vielen privaten möblierten Vermietungsangeboten nicht der Fall.

Aachen verweist auf Erfolge durch Wohnraumschutzsatzung

Städte, die sich schon vor Jahren entschlossen hatten, der Wohnungsnot den Kampf anzusagen, erzielen dagegen eigenen Angaben zufolge sichtbare Erfolge. In Aachen beispielsweise war 2022 die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen die Wohnraumschutzsatzung weiter gestiegen. Sie lag bis zum Stichtag am 15. November bei 152 eingeleiteten Verfahren, im Jahr 2021 waren es noch 132.

Auch die verhängten Zwangsgelder wegen der Zweckentfremdung von Wohnraum erreichten einen neuen Höchststand. So hatte die Stadt 12.620 Euro kassiert, 2021 waren es rund 9430 Euro. Der Anstieg wurde unter anderem durch zwei zusätzlich geschaffene Stellen in der Aachener Stadtverwaltung begründet.