Köln – Der 1. FC Köln kommt nicht voran. Kleine Pflänzchen der Hoffnung zertrampelt der Klub konsequent und steht sich dabei immer wieder selbst im Weg. Paradebeispiel: Das Ausscheiden im Pokal-Achtelfinale nach 2:0-Führung beim Zweitligisten Regensburg (3:4 n.E.). Aber auch außerhalb des Platzes gibt der Klub zu oft ein fatales Bild ab. Eine Analyse, warum der FC die noch nicht einmal so hohen Erwartungen nicht erfüllt.
Die Mannschaft
Der Kader scheint trotz vieler Rückschläge stark genug, die Klasse zu halten und damit das Saisonziel in dieser freudlosen Corona-Saison zu erreichen. Allerdings bereitet der Blick in die Zukunft Sorgen: Die ausgeliehenen Spieler Marius Wolf (Dortmund), Emmanuel Dennis (Brügge) und Elvis Rexhbecaj (Wolfsburg) werden für die Kölner nicht über die Leihe hinaus zu finanzieren sein. Auch Ron-Robert Zieler ist nur für diese Saison eingeplant. Was der FC mit dem erst 20-jährigen Tolu Arokodare anfangen wird, ist offen.
Ersatz wird schwierig zu finden sein, denn das Geld ist knapp und zudem gebunden, um die zahlreichen Spieler zu bezahlen, die derzeit zwar ausgeliehen sind, im kommenden Sommer aber wieder am Geißbockheim auftauchen werden: Modeste, Schaub, Schindler, Sobiech, Koziello, Hauptmann, Risse – allein diese sieben Spieler kosten den FC so viel, wie mancher Zweitligist für seinen gesamten Kader ausgibt. Intern glaubt man beim FC, die Belastungen aus dem Spätwerk des Geschäftsführers Jörg Schmadtke sowie die Patzer Armin Vehs in anderthalb Jahren soweit aus den Büchern zu haben, dass man den Neubeginn forcieren kann. Mit weiteren Einnahmen aus dem Pokal hätte man die Zeit der Sanierung deutlich verkürzen können. Doch so bleibt der FC vorerst darauf angewiesen, dass Horst Heldt Spieler zum Nulltarif besorgt und andere weiter verleiht, die jedoch nach wie vor den Großteil ihres Salärs vom FC beziehen.
Markus Gisdol hat es bislang geschafft, jeweils kurz vor dem Abgrund einen rettenden Sprung zurück zu tun. Anschließend hat er sich dann jedoch immer wieder demselben Abgrund genähert. Der Mannschaft geht weiterhin jegliche Konstanz ab. Sie entwickelt sich nicht weiter. So muss sich der Trainer den Vorwurf gefallen lassen, nicht Teil der Lösung, sondern des Problems zu sein. Eine Prognose, dass sich daran nachhaltig etwas ändern könnte, ist schwierig. Die Mannschaft folgt ihrem Trainer zwar, allzu viel Qualität scheint im Kader aber nicht brachzuliegen.
Horst Heldt
Der Geschäftsführer Sport hat sich im Sommer mit großem Fleiß im europäischen Fußball getummelt. Zeitweise schien es, als liege jedem halbwegs tauglichen Profi auf dem Kontinent eine Offerte aus Köln vor. Vieles klappte nicht, weil die Kölner am Ende schlicht nicht das Geld hatten, um auch nur mit Vereinen wie Mainz, Augsburg oder Stuttgart mithalten zu können. Die Transfers, die dann klappten, wurden wegen Jhon Córdobas späten Abschieds nach Berlin im letzten Moment finalisiert. Sebastian Andersson erfüllte alle Suchparameter und startete verheißungsvoll, verletzte sich dann aber und fällt seit Wochen aus. Ondrej Duda spielt eine anständige Saison.
Mit ihren Perspektiv-Transfers lagen die Kölner allerdings daneben: Dimitris Limnios stieß spät zum Kader, war mit vier Millionen Euro Ablöse teuer und ist bislang überhaupt kein Faktor. Arokodare war nicht teuer, leistet aber auch nichts. Stark waren dagegen die Leihspieler, die Heldt nach Köln holte. Marius Wolf und Emmanuel Dennis hieven den FC auf Erstliga-Niveau. Max Meyer blieb zwar in Regensburg weit unter den Erwartungen. Doch ist Heldt mit dem Ex-Schalker kein Risiko eingegangen.
Dennoch hat der Manager mit dem Kader eine gewaltige Aufgabe zu bewältigen. Gute Arbeit allein wird nicht genügen, aus Köln in den nächsten zwei Jahren einen Verein zu machen, der dauerhaft den Anschluss ans Liga-Mittelfeld herstellt. Im Gegenteil wird im nächsten Jahr erneut der Abstieg möglich sein, vielleicht mehr als in dieser Saison.
Alexander Wehrle
Der Schwabe ist seit acht Jahren in der Verantwortung beim 1. FC Köln und ist die einzige Konstante im Klub. Wehrle ist als Geschäftsführer für alles verantwortlich, was nicht direkt mit dem Kader zu tun hat. Seit allerdings Horst Heldt an Spieltagen dem Team nicht von der Seite rückt, muss Wehrle sogar in Interviews der TV-Sender Fachfragen zum Auftreten der Mannschaft beantworten. Wehrles Pensum ist immens, auch als Repräsentant des Vereins. Der 45-Jährige gäbe manche Aufgabe gewiss gern ab. Doch findet sich im Klub niemand, der ihn entlasten könnte, der Vorstand jedenfalls ist im Tagesgeschäft nicht erst seit der Pandemie überwiegend unsichtbar.
Vorstand
Werner Wolf, Eckard Sauren und Carsten Wettich haben in anderthalb Jahren im Amt schwierige Zeiten hinter sich bringen müssen. Nach 100 Tagen bereits hatte sich Vizepräsident Jürgen Sieger wieder verabschiedet, der FC geriet in größte Abstiegsnot. Als unter Gisdol die Ergebnisse besser wurden, schlug die Corona-Pandemie durch mit all ihren organisatorischen und finanziellen Herausforderungen. Darauf folgte wieder eine monatelange sportliche Talfahrt. Eine Mitgliederversammlung hat es noch immer nicht gegeben, die Pandemielage lässt keine Präsenzveranstaltung zu. Auffällig ist: Aus dem Mitgliederrat, der den Vorstand erst ins Amt gehievt hat, sind vermehrt kritische Stimmen über dessen Aktivitäten zu vernehmen.
Der Vorstand hat ein Repräsentationsproblem. Unter anderem deshalb trennte man sich im August von Medienchef Tobias Kaufmann. Für solche Trennungen gibt es traditionell keine Schönheitspreise, doch dokumentierte der Ablauf, wie ungeschickt sich die ansonsten so erfolgreichen Herren im Fußball bewegen. Mit Medienchefs tut sich der Vorstand ohnehin schwer: Am Montag verkündete man, einen Nachfolger für Kaufmann gefunden zu haben. Um zwei Tage später nach öffentlichen Protesten und großem Schaden für alle Beteiligten die Verpflichtung rückgängig zu machen.
Grundsätzlich hält es das Präsidium wie ein Vorstand auf Unternehmensseite: Man versucht, den Laden so aufzustellen, dass er für den Nachfolger leicht zum Erfolg zu führen ist. Daher denken Wolf, Sauren und Wettich vor allem langfristig. Dass damit im Tagesgeschäft Bundesliga wenig Beifall zu holen ist, wissen sie. Dass sie das in Kauf nehmen, muss man ihnen zugutehalten.
Finanzen
Diese Saison wird das mühsam aufgebaute Eigenkapital der Kölner aufzehren. Zwar gab es eine Finanzplanung, die auch Spiele ohne Zuschauer berücksichtigte. Für den nun eintretenden schlimmsten Fall, eine komplette Saison ohne Fans im Stadion, gab es allerdings keinen Plan, der Verein muss improvisieren. Die Zahlungsfähigkeit ist sichergestellt, es gibt umfassende Kreditlinien und eine ordentliche Prognose für die Zeit nach Corona. Außerdem überlegen die Verantwortlichen, noch einmal Genussscheine auszugeben, um sich Kapital zu besorgen. Zuletzt hatte der FC im Jahr 2012 Genussscheine ausgegeben und 7,5 Millionen Euro damit erzielt.