Nach dem Offenbarungseid gab es am Geißbockheim mal wieder viel Redebedarf. Der Druck ist schon spürbar groß – zumal die Konkurrenz siegt.
Standpauke nach 1:5-Debakel in DarmstadtFC-Sportchef Keller zerlegt das Team und schützt Trainer Struber
Das Training am Samstagvormittag begann mit einer fast zweistündigen Verspätung. Die Einheit beim 1. FC Köln war für 10 Uhr angekündigt worden, doch erst um kurz vor 12 Uhr kamen die ersten Spieler auf den Rasen. Es gab Redebedarf am Geißbockheim. Wieder einmal. Die blamable 1:5-Niederlage des Bundesliga-Absteigers am Freitagabend beim SV Darmstadt 98 wurde aufgearbeitet, über anderthalb Stunden dauerte die Ansprache. Und es dürfte eine ordentliche Standpauke gewesen sein.
Ob sie ihren Zweck erfüllt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Angekündigt hatte sie Christian Keller bereits nach dem Abpfiff am Böllenfalltor. Denn so, wie nach dem Debakel, hatte man den Sport-Geschäftsführer während seiner bisherigen Zeit beim 1. FC Köln noch nie erlebt. Und diese währt immerhin schon über zweieinhalb Jahre. Zwar hätte sich die Leistung bereits „angekündigt“, sagte der bediente Keller, dem laut eigener Aussage bereits die Spiele seiner Mannschaft gegen Karlsruhe (4:4 nach 3:0-Führung) und gegen den harmlosen Aufsteiger Ulm (2:0) nicht gefallen hatten.
Dennoch dürfte auch Keller nicht mit einem derartig verheerenden Auftritt gerechnet haben. Denn was der 1. FC Köln beim SV Darmstadt 98 ablieferte, der zuvor Tabellen-Drittletzter war und seit 382 Tagen auf einen Heimsieg gewartet hatte, glich einer sportlichen Bankrotterklärung. Und einer Blamage. Erst recht in der Rolle als Bundesliga-Absteiger und als einer der Aufstiegsfavoriten.
Alles zum Thema Christian Keller
- Bittere Bestätigung beim 1. FC Köln FC-Sportchef Keller: „Es ist so, wie es ist“
- Kaderplanung des 1. FC Köln Keller erklärt Lemperle-Entscheidung – Urbig-Nachfolger bereits im Blick?
- „Haben uns kritisch ausgetauscht“ Präsident Wolf will Vorstandskritiker Prestin beim 1. FC Köln einbinden
- Wechsel in der Spitze Geschäftsführer Markus Rejek verlässt den 1. FC Köln
- Trennung von Rejek Immense Fluktuation statt Kontinuität beim 1. FC Köln
- Gelingt so die direkte Bundesliga-Rückkehr? Nicht schön, aber erfolgreich: der pragmatische Weg des 1. FC Köln
- Erneut schwer verletzt FC-Gesten der Solidarität mit Pechvogel Luca Kilian
Christian Keller: „Desolat, bodenlos, fürchterlich, enttäuschend“
Und so holte Keller zum Rundumschlag gegen die Mannschaft aus. Als „desolat, bodenlos, fürchterlich, enttäuschend“ bezeichnete der Sportchef den Auftritt der Kölner Mannschaft. Keller tobte dabei nicht, dafür ist er nicht der Typ, er urteilte vielmehr knallhart.
Seine Mannschaft war nie in der Lage gewesen, tief zu verteidigen. Ließ die komplette Intensität vermissen und offenbarte eklatante Schwächen im Zweikampf. Und ließ sich von einem Gegner, der selbst Probleme im Aufbauspiel hatte, mit Kontern überrumpeln. Der FC kassierte die Gegentore nach dem immer selben Muster.
Das war zu viel für Keller, der gegen die Spieler austeilte: „Wir haben gespielt wie eine Schülermannschaft. Schön sorglos, das sieht manchmal nett aus, aber ist natürlich brotlos. Fußball geht immer mit den Basics los, egal bei welchem Gegner. Das heißt, dass man Zweikämpfe führen und Laufbereitschaft zeigen muss – vor allem in der Defensive. Und ich brauche taktische Disziplin gegen den Ball.“ Und diese Grundtugenden, die mit Haltung zu tun hätten, habe seine Mannschaft in der Summe „null Prozent“ gezeigt. „Die Tore zwei bis vier waren ein ähnliches Muster. Das fünfte setzt dem die Krone auf. Vier Rote stehen um einen Blauen – und der kommt zum Kopfball“, zeigte sich der Sportchef äußerst bedient.
1. FC Köln: Sportchef Christian Keller kündigt Konsequenzen an
Keller kündigte ein Donnerwetter und Konsequenzen an – wie auch immer die am Ende aussehen werden. „Das wird noch richtig laut werden. Manchmal muss man eine Nacht drüber schlafen, damit jeder aufnahmefähig ist“, sagte der Sportchef, der nach dem Abstieg dann Ende Juli in einem vereinseigenen Podcast mit der Aussage aufgewartet hatte, dass er in Zukunft „nichts mehr durchgehen“ lasse. Jetzt werde er „etwas machen“, sagte Keller, doch konkret wurde er öffentlich freilich nicht.
Immerhin beschönigten die Spieler nichts, wo es nichts mehr zu beschönigen gab. „Wir haben heute auf ganzer Linie versagt“, sagte Kapitän Timo Hübers, der selbst eine indiskutable Leistung geboten hatte. „Wir haben uns komplett den Schneid abkaufen lassen, sei es in den direkten Duellen, in der Intensität oder im Verteidigen in der letzten Linie. Auch im Ballbesitz haben wir nicht so gespielt, wie wir uns das vorgestellt hatten. So steht am Ende ein superschlechtes Ergebnis. Ein rabenschwarzer Tag für uns“, sagte der Abwehrspieler. Und auch Linksverteidiger Leart Pacarada fand deutliche Worte: Das war von Anfang bis Ende ein sehr, sehr schlechtes Spiel von uns. Wir hatten uns viel vorgenommen und einiges besprochen – das haben wir komplett gar nicht aufs Parkett bekommen. Ich wüsste nicht, was wir heute wirklich gut gemacht haben.„
Keine gesonderten Gespräche mit dem Coach: „Lag nicht am Matchplan“
Doch während der Sportboss ausschließlich verbal die Spieler anging, so nahm er Trainer Gerhard Struber ausdrücklich in Schutz. „Die Niederlage lag keinesfalls am Matchplan, sondern an der Umsetzung des Plans durch die Spieler.“ Er müsse auch nach dem Debakel nicht gesondert mit dem Trainer sprechen und darüber, ob dieser nicht seinen Matchplan verändern muss.
Denn die Balance zwischen Defensive und Offensive stimmt offensichtlich nicht. 18 Gegentore nach nur neun Spieltagen zeugen davon. Am Freitag kamen limitierte Darmstädter immer wieder viel zu einfach zu großen Torchancen.
„Nein, mit dem Trainer muss ich nicht sprechen. Alles, was trainiert und besprochen wurde, kam genau so. Aber die Frage ist, was man daraus macht. Eine seriöse Zweikampfführung ist nichts, was der Trainer beeinflusst, das muss jeder selbst hinbekommen. Wenn die Basics nicht stimmen, ist die Taktik Schall und Rauch“, stellte sich Keller wenig überraschend schützend hinter Struber, der „sein“ Trainer ist. Denn der Sportchef hatte den Österreicher im Sommer als Wunschlösung und Nachfolger des von ihm ebenfalls geholten Timo Schultz verpflichtet, der bekanntlich den Abstieg auch nicht mehr verhindert hatte.
Struber war ebenfalls sichtlich bedient, forderte: „Solch ein Gesicht meiner Mannschaft will ich nicht noch einmal sehen.“ Doch sollte sich nichts gravierend etwas ändern, dann schwant Sportchef Keller nichts Gutes. „Wenn wir so weiterspielen, dann werden die kommenden acht Spiele bis zur Winterpause ekelhaft.“ Aber: „Wir werden so nicht mehr spielen.“ Und diese Aussage klang schon fast wie eine Drohung.
FC gegen Paderborn bereits gehörig unter Druck – Konkurrenz zieht davon
Im Heimspiel am Freitag (18.30 Uhr) gegen den SC Paderborn stehen Struber und seine Spieler bereits gehörig unter Druck. Ein weiterer sportlicher Offenbarungseid, und die Geduld vieler Fans wäre wohl am Ende. Aber selbst wenn der FC gewinnen sollte, wäre natürlich nicht wieder alles gut. Der 1. FC Köln muss über Strecke performen, will er sein gestecktes Ziel erreichen. Und das kann für den Klub, dessen Kader den höchsten Marktwert der Liga hat, eigentlich nur der Aufstieg sein. Doch die Mannschaften auf den ersten drei Plätzen der Tabelle, der Hamburger SV, der Karlsruher SC und Fortuna Düsseldorf, haben nach ihren Siegen immerhin schon sechs, sieben und acht Punkte mehr auf dem Konto als die Kölner, die nur noch Tabellenzehnter sind. Und auch die Aufgabe gegen die Ostwestfalen dürfte für den FC keine leichte werden, auch wenn die Paderborner am Samstagabend in Kaiserslautern enttäuschten, 0:3 verloren und somit die erste Saisonniederlage kassierten.