Ein neuer Trainer, das Cas-Urteil und die Mitgliederversammlung. Es gibt vieles aufzuarbeiten. Die 1. FC Köln Kolumne „Dauerkarte“.
1. FC Köln Kolumne „Dauerkarte“Die aktuelle Lage des 1. FC Köln – von Transfersperren und Stammtischen
Der FC hatte nach dem Fifa-Urteil im Frühjahr 2023 gezetert, gejammert und gewütet und sich mehrfach im Ton vergriffen – gegenüber der Fifa, gegenüber Olimpija Ljubljana und auch gegenüber den berichtenden Medienvertretern, die bereits am Tag nach Zugang des Urteils tief genug in die Materie eingedrungen waren, um sagen zu können: Diesen Spieler hätte man unter diesen Umständen nie verpflichten dürfen. Und wenn man ihn schon verpflichtet, hätte man in dem Moment, in dem sich die Gegenseite beschwert, eine Strategie entwickeln müssen, um die Angelegenheit zu klären. Das war die Kommentarlage etwa im „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Tag nach Zugang des Urteils Ende März 2023.
Doch nie, nie, niemals hätte der Streit überhaupt vor das Fifa-Tribunal kommen dürfen. Gegen die Fifa gibt es vieles einzuwenden. Doch organisatorisch hat sie große Stärken. Die Vertragsstabilität im Profifußball ist eine der Säulen des weltweiten Systems, daher war absehbar, dass der Verstoß der Kölner nicht als Kavaliersdelikt durchgehen würde. Dass die Fifa im folgenden Cas-Verfahren mit am Tisch sitzen würde, um ihr Urteil und damit ihre eigenen Statuten zu verteidigen, hatte die Aussichten des FC absehbar eingetrübt. Aus den Verhandlungen war dennoch zu hören, dass die Kölner glatt überrascht waren, dass die Fifa-Juristen nicht nur jede Veröffentlichung zum Thema durchgearbeitet hatten. Sondern die Kölner Position mit Verve und viel persönlichem Einsatz attackierten. Es ging offenbar sehr grundsätzlich zu in Lausanne. Am Ende blieb auch der Eindruck, die Fifa habe ein Exempel statuieren wollen.
Strategische Fehler
Es war eine der zahlreichen strategischen Fallen, die sich der FC selbst gestellt hatte: Man hatte die Fifa-Rechtsprechung analysiert und geglaubt, im Falle einer Verurteilung mit einer Geldstrafe davonzukommen. Eine solche Abwägung ist schon per se schwierig, denn wenn sich ein Risiko realisiert, das bei nur einem Prozent liegt, hat man anschließend trotzdem zu 100 Prozent verloren. Und wer im Straßenverkehr glaubt, dauerhaft zu schnell fahren zu können, weil er sich die Geldstrafen schließlich locker leisten kann, wird früher oder später an einen Richter geraten, der die Rote Karte zückt. Die Kölner Niederlage vor Cas und Fifa war am Ende derart umfassend, dass man staunen musste: „Substanzlos“ war das Wort, das die Richter in Lausanne den Kölnern mit auf den Heimweg gaben.
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LJUBLJANA WAR NICHT DAS PROBLEM
Letztlich war die Fifa der Kölner Endgegner. Ljubljana hatte früh eingesehen, dass ihnen ein talentierter Spieler gemopst worden war. Die deutschen Investoren des slowenischen Doublesiegers sind pragmatisch genug, sich nicht in Fragen der Gerechtigkeit zu verlieren, um Gut und Böse ging es nur den Kölnern, während Olimpija versuchte, zumindest den wirtschaftlichen Schaden einzudämmen. Daher zeigten sich die Slowenen verhandlungsbereit und reisten im Sommer 2022 nach Köln, wo man sie jedoch nach einem Kaffee wieder zurück nach München schickte. Mal zum Vergleich: Als der 1. FC Köln einst Anthony Modeste aus China zurückholte, nachdem der dort einseitig gekündigt hatte, reiste Geschäftsführer Alexander Wehrle mit SPD-Politiker Martin Schulz nach China, um sich den dortigen Klubeigner mit Schnaps zurechtzutrinken und die Angelegenheit zu klären. Am Ende holte der FC einen Spieler zum Nulltarif zurück, den man zuvor für 28 Millionen Euro verkauft hatte. Den Fall Potocnik ging man nun fundamental anders an – und verlor auf ganzer Linie.
Die Kölner hatten sich früh auf die Haltung festgelegt, die Slowenen mit Geringschätzung zu behandeln. Dabei war eigentlich die Fifa der Gegner, denn Ljubljana hatte gar kein Interesse daran, den 1. FC Köln mit einer Transfersperre zu belegen. Dennoch ließ Köln die Sache im Spätsommer 2022 vor das Fifa-Tribunal gehen – und beschwerte sich anschließend über das Urteil, das eine „Farce“ und „ohne Grundlage“ gefällt worden sei. Sich als Opfer einer Willkürjustiz zu inszenieren, um im September dann die Juristen eben jener Fifa am Verhandlungstisch in Lausanne zu treffen, um eine Berufung durchzufechten, erscheint als seltsame Strategie.
STARKE VERANSTALTUNG IM COLONEUM
Am Mittwoch stellte sich die FC-Spitze im Coloneum den Fragen der Mitglieder, knapp 1000 erschienen. Ich fand den Abend sehr interessant und auch überwiegend angenehm, abgesehen davon, dass mein Fahrradschloss eingefroren war, als ich in tiefer Nacht den Heimweg antreten wollte. Aber nach viel Hauchen und Pusten sprang es irgendwann doch noch auf.
Es ist nicht leicht, in einer Sache wie der so brutal havarierten Geschichte um Jaka Potocnik vollständige Transparenz herzustellen, und viele Antworten bestätigten den Eindruck, dass die FC-Führung in der Angelegenheit zu viele Fehler begangen hat, um vollkommen offen zu sein. Rund 1000 FC-Mitglieder bedeuten einen ziemlich guten Resonanzkörper: Die Fragen aus dem Auditorium waren qualifiziert, und als die Antworten in den Kernpunkten arg ausweichend gerieten, bemerkten die Leute das sofort.
Kritik der Mitglieder
Zur Frage der ausgebliebenen Einigung etwa trug der FC vor, man habe nie die Möglichkeit gehabt, die von Ljubljana angeblich geforderte Summe von 2,5 Millionen Euro für einen 16-Jährigen zu zahlen. Das ist im Grundsatz richtig, doch beharrt Ljubljana darauf, diese Summe erst gefordert zu haben, als die Cas-Verhandlung anstand. Zuvor hätten ganz andere Beträge ausgereicht. Die Kölner wissen das, insofern ist die Darstellung, eine Einigung sei aus Haftungsgründen unmöglich gewesen, mindestens irreführend. Das spürten die Menschen im Coloneum und teilten das deutlich mit.
Ebenfalls fühlten sie sich belogen, als auf dem Podium plötzlich niemand mehr zu wissen vorgab, welcher FC-Vertreter zu welchem Zeitpunkt den Kontakt zu Potocnik und dessen Umfeld aufgenommen hatte. Zwei Jahre und zwei Gerichtsverhandlungen nach der Verpflichtung des Stürmers dürfte der Sachverhalt relativ klar sein. Doch die Kölner mauerten – aus gutem Grund, es geht auch um Fragen der persönlichen Haftung. Doch die Zeit wird kommen, Verantwortliche zu benennen. Das Cas-Urteil ist keine Naturkatastrophe, die über den Verein hereingebrochen ist, und es gehört zum Erwachsensein, Verantwortung zu übernehmen. Zumal an exponierter Stelle in der Öffentlichkeitsbranche Bundesliga mit all ihrem Glanz. „Sie belügen uns!“ und „Sie beleidigen unsere Intelligenz!“ waren berechtigte Wortmeldungen aus dem Publikum.
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Stark waren die Auftritte der Geschäftsführung. Vor allem Christian Keller fand eine gute Tonlage, räumte Fehler ein und erläuterte Hintergründe seines Handelns. Ein Bundesliga-Manager steht grundsätzlich auf verlorenem Posten, wenn er mit zehn Punkten aus 16 Spielen auf einem Abstiegsplatz steht. Doch überzeugte Keller mit Ehrlichkeit. Ihm war anzumerken, wie viel Fleiß und Ernsthaftigkeit er in seine Arbeit steckt, trotz seiner aktuell dramatischen Zwischenbilanz.
Christian Keller überzeugt
Auch die Trennung von Steffen Baumgart stellte Keller sauber dar. Zwar merkte man, dass es dem Sportchef ein Anliegen war, nicht als der Mann dazustehen, der den geliebten Trainer kaltherzig aus dem Amt befördert hatte. Doch wirkte er nicht manipulativ dabei, was die Mitglieder honorierten. Trennung vom alten und Auswahl des neuen Trainers – das alles scheint in geordneten Bahnen abgelaufen zu sein. Dass auf dem Podium dann der Eindruck zerstreut werden sollte, der Klub habe Baumgart einen untauglichen Kader auf den Trainingsplatz gestellt und den Coach damit vergrault, war verständlich und legitim: Baumgart sei im Sommer derart überzeugt gewesen von seinen Spielern, dass er „nach Europa gewollt“ habe, „50 Punkte“ seien das Ziel des Trainers gewesen, wie Werner Wolf und Christian Keller mitteilten. Darf man alles sagen, es ist schon sehr viel schlimmer nachgetreten worden beim 1. FC Köln.