Der 1. FC Köln spielt am Freitag gegen Hertha BSC. Vorher beherrschte aber eine andere Meldung die Schlagzeilen.
Die FC-KolumneRhein-Energie-Stadion wird trotz erhöhter Preise ausverkauft sein
Heute Abend gastiert ein besonderer Klub in Müngersdorf. Man konnte sich in den vergangenen Jahren so einiges vorstellen im Zusammenhang mit Hertha BSC. Dass der Verein allerdings im Frühjahr 2023 gleichzeitig kurz vor der Pleite und dem Sturz in die Zweite Liga stünde, hätte man im Jahr 2019 wohl kaum geglaubt. Damals stieg der Investor Lars Windhorst beim so wahnsinnig spießigen Klub aus dem Westen der Hauptstadt ein, um die Hertha zu etwas Interessantem zu machen. Die Fantasie vom „Big City Club“ rennt den Berlinern seitdem hinterher, was etwas gemein ist, denn die Formulierung kam vom Investor, nicht vom Verein. Und man sollte schon festhalten, dass es keine schlechte Idee war, der deutschen Hauptstadt einen halbwegs spannenden Fußballverein zu bescheren. Gibt es in London, Paris, Madrid oder Rom schließlich auch. Wobei auch die Investoren bei der AS Rom 600 Millionen Euro auspacken mussten, bevor es dort losging.
In Berlin sollen 375 Millionen Euro geflossen sein, und wenn man sich ansieht, dass der FC Chelsea allein im vergangenen Winter doppelt so viel für ein paar neue Spieler ausgab, um nun in der Premier League auf dem elften Platz zu stehen, beschleicht einen das Gefühl: Selbst vermeintlich riesige Summen sind im Profifußball schnell ausgegeben, ohne einen nennenswerten Effekt zu erzielen. Wobei gerade im Fußball gilt: Das Geld ist nie weg. Es ist nur dauerhaft woanders. Den Sportwagenhändlern der Hauptstadt wird der flüchtige Reichtum der Hertha ein paar Einnahmen beschert haben. Um mal ein Klischee zu bemühen.
Dramatische Lage bei Hertha BSC
Der Hertha geht jetzt jedenfalls das Geld aus, die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte zu Wochenbeginn eine in die Lizenzierungsvorgänge involvierte Person mit den Worten, Herthas Lage sei „hochkritisch“ und „der schlimmste Fall, den wir je hatten“. Windhorsts Anteile sind mittlerweile an einen neuen Investor gegangen, die Firma heißt Triple Seven und wird nun versuchen, so viel Einfluss wie möglich zu nehmen, um den Klub ordentlich aufzustellen und den Wert der Anteile damit zu vergrößern. Da gibt es dann viele großartige Ideen. Aber meine persönliche Erfahrung ist eben auch, dass es letztlich überall gleich banal läuft, man präsentiert sich nur unterschiedlich gut: Wer mehr Geld verdienen will, senkt die Kosten und erhöht die Preise. Wunder werden da ganz selten vollbracht.
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Weil man aber im Profifußball kaum im Alleingang etwa die Personalkosten senken kann, während die anderen Klubs einfach weiter alles zahlen, was der Markt verlangt, muss an den Einnahmen gedreht werden. Das hat nicht zuletzt der 1. FC Köln in dieser Woche gezeigt: Zwar läuft unter Christian Keller ein bemerkenswertes Programm zur Reduzierung der Gehaltskosten. Aber zaubern kann auch Keller nicht. Und so erfuhr auch ich am Donnerstag in einer Kundenmail, dass die Dauerkarten im zweiten Jahr nacheinander erheblich teurer werden.
1. FC Köln erreicht das obere Drittel
Der FC ist nun zumindest mit Blick auf die Eintrittskarten im oberen Drittel der Bundesliga angekommen, vielleicht zieht der Rest ja eines Tages nach. Die Qualität des sportlichen Vortrags ist aber nur ein Faktor bei der Preisgestaltung. Das Stadionerlebnis in Köln ist ein besonderes, und ganz am Ende geht es für den Verein darum, welche Preise am Markt durchsetzbar sind. Ich sage mal vorsichtig voraus: Das Stadion wird auch in der nächsten Saison überwiegend ausverkauft sein.
Der FC erweckt in diesen Zeiten nicht den Eindruck, dass die Mehr-Einnahmen sofort an Spieler und deren Berater verteilt werden, um damit die örtlichen Autohäuser zu unterstützen, was natürlich nach wie vor ein Klischee ist, andererseits aber auch kein wirklich schlimmer Gedanke. Denn auch die Kölner Autohäuser brauchen schließlich Kunden.
Der FC lebt einen gewissen Realismus vor und verfolgt einen Weg der wirtschaftlichen Vernunft, der vielleicht nicht direkt in die Champions League führt. Aber die Unabhängigkeit schützt. Obgleich es nicht gerade lustig ist, wenn die Dauerkarte auf der Südtribüne innerhalb von zwei Jahren knapp 50 Prozent teurer wird. Der FC muss seiner Verantwortung auch künftig gerecht werden und zeigen, dass man verantwortungsvoll mit dem Geld der Fans umgeht. Umfassendes Verständnis darf der Verein nicht erwarten. Denn wenn die Preise steigen, freut sich niemand nachträglich darüber, dass die Karten bis vor zwei Jahren so herrlich günstig waren. Allerdings lohnt auch hier der Blick auf den großen Fußball: Beim FC Chelsea kostet die günstigste Dauerkarte 860 Euro und damit viermal so viel wie in Köln.
1. FC Köln sieht Investoren kritisch
Beim 1. FC Köln ist man sich in der Führung absolut einig, wer man sein möchte. Präsident Werner Wolf hat mir oft genug mit Blick auf Windhorsts Engagement in Berlin zu verstehen gegeben, dass das dort niemals etwas werden kann. Hat er recht behalten. Allerdings könnte sogar der 1. FC Köln zeitnah in den Genuss von frischem Kapital kommen, denn die Deutsche Fußball-Liga buhlt derzeit um Investoren, die Anteile an den künftigen Medienerlösen erwerben wollen. Der FC gehört zu den Klubs, die trotz finanzieller Schwierigkeiten nicht die Eurozeichen in den Augen haben und lieber zunächst geklärt wissen wollen, zu welchen Bedingungen genau das Geld in den deutschen Fußball prasseln soll – und nach welchem Verteilungsschlüssel. Auch da tut sich der Verein positiv hervor, während Vertreter anderer Klubs auf Werbetour gehen.
Ein reichlich bizarres Interview gaben zuletzt etwa BVB-Chef Hans-Joachim Watzke und Dirk Zingler, der Chef von Union Berlin. Man könnte ja zum Beispiel befürchten, dass ein Investor, der an den künftigen Medienerlösen beteiligt ist, dafür sorgen wird, dass diese Erlöse tüchtig steigen. Medienerlöse steigen allerdings nur, wenn die übertragenden Sender auch höhere Einnahmen erzielen. Und höhere Einnahmen gibt es nur, wenn die Zuseher mehr Geld für ihre Abos bezahlen. Das ist ein zulässiger Gedanke, aber derartige Überlegungen versucht man bislang wegzuwischen. Wobei gegen Investoren grundsätzlich nichts einzuwenden ist, sollen sie doch alles Geld der Welt in unsere schöne Bundesliga pumpen. Dennoch muss geklärt sein, was deren Plan ist. Sonst hat man den nächsten Hertha-Fall, mindestens.
Protest gegen Investoren
Das erwähnte Unions Dirk Zingler in besagtem Interview. „Wir haben bei uns in Berlin leider das übelste Beispiel vor der Haustür, was Investoren im deutschen Fußball betrifft. Das macht das ganze Thema insofern kaputt, weil es zeigt, wie es eigentlich nicht laufen sollte.“ Die Proteste sind groß, auch in Köln. An jedem Wochenende sieht man Transparente in den Stadien, mit denen sich die Fans gegen Investoren aussprechen. Zingler hat jedoch seine Schwierigkeiten damit, was daran liegt, dass Union Berlin nun an einem Punkt steht, der nur mit mehr Geld zu festigen ist. Sehr viel mehr Geld. Tatsächlich sind Vereine wie der FC Union oder auch Eintracht Frankfurt, die in den vergangenen Jahren einen märchenhaften Aufstieg erlebt haben, am meisten versucht, ihren neuen Status zu betonieren. Wobei Zingler ein wenig verschweigt, dass ja auch sein 1. FC Union ein Investorenklub ist. 6,3 Millionen Euro in drei Tranchen pumpte einst ein Fonds in den damaligen Zweitligisten aus Köpenick. Der nutzte die Millionen höchst effizient, stieg knapp drei Jahre später in die Bundesliga auf. Übrigens mit dem zweithöchsten Personalaufwand, der Erfolg war also schon damals kein Wunder.
Nun steht Union auf der Schwelle zur Champions League, der Investor erhält fantastische Renditen, super gelaufen. Sie sollen bei Union jetzt nur nicht so tun, als hätten sie sich das alles ausschließlich zusammengespart und hart erarbeitet. Sagt sogar Zingler: Er finde es „von der ein oder anderen Fanszene ein bisschen billig, Investoren im eigenen Verein durchzuwinken und bei der DFL den Untergang des Fußballs heraufzubeschwören.“
Vielleicht kann man sich vorerst darauf einigen, dass Investorengeld eine Hilfe sein kann, wenn es in ein intaktes System fließt und von vernünftigen Leuten ausgegeben wird. Beim 1. FC Köln liegt der Verdacht nahe, dass man derzeit recht gut mit dem neuen Reichtum umgehen könnte. Hertha war das Gegenbeispiel, entsprechend schlecht steht der Verein nun da: kein Geld, letzter Platz, drei Spieltage vor Schluss.
Nach allem, was man aus der Ferne sehen kann, ist immerhin Pal Dardai ein Spitzentyp. Der Ungar hat sich vorgenommen, ein Wunder zu schaffen und erstmals seit Eintracht Frankfurt im Jahr 1999 (man erinnert sich: Fjörtofts Jahrhundert-Übersteiger!) sechs Punkte innerhalb von vier Spielen aufzuholen. „Momentan – was ich gehört habe – haben wir kein Geld. Wir haben nur Herz. Aber das haben wir eine Menge“, sagte Dardai auf der Pressekonferenz vor der Abreise nach Köln. Könnte also wieder interessant werden heute Abend in Müngersdorf.
Zum Autor: Christian Löer (47) ist Leiter der Sportredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und berichtet seit der Saison 1999/2000 über den 1. FC Köln. Haben Sie Fragen oder Anregungen für uns? Dann schreiben Sie mir gern eine E-Mail an christian.loeer@kstamedien.de.