- Unsere Bundesliga-Kolumne vom Wochenende.
Köln – Der 29. Bundesliga-Spieltag war nach über zwei Jahren Corona der erste, an dem es keinerlei Zuschauerbeschränkungen in der Fußball-Bundesliga gab. Das hatte auch unschöne Folgen, denn die Ultras waren geschlossen zurück. Den Skandal des Wochenendes lieferten die Extrem-Fans von Hertha BSC, deren Vorläufer einst als Hertha-Frösche Angst und Schrecken verbreiteten.
In der Vorwoche waren sie beim Auswärtsspiel in Leverkusen schon durch Abbrennen von Pyros aufgefallen. Aber das war eine Petitesse verglichen mit den an frühere Standgerichte erinnernden Szenen im Anschluss an die 1:4-Niederlage gegen den Lokalrivalen Union.
Was genau war passiert?Nach der sportlichen Demütigung durch den Rivalen aus Köpenick (1:4) trotteten die Profis zur Ultra-Kurve und ließen sich dort beschimpfen. Einige von ihnen, wie Maximilian Mittelstädt, Vladimir Darida und Torhüter Marcel Lotka, zogen plötzlich ihre Trikots aus und legten sie auf den Boden. Die Ultras hatten ihnen offenbar klar gemacht, dass sie nicht wert seien, dieses Trikot zu tragen und dass eine Weigerung ernste Folgen für sie haben würde. Mittelstädt erklärte, das er eine Konfrontation vermeiden wolle. Hertha-Ultras schrecken davor nicht zurück. Vor dem Heimspiel gegen die Bayern waren sie in Truppenstärke zum Abschlusstraining aufmarschiert und hatten die Mannschaft massiv physisch bedroht.
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Wie geht der durch sportliches und strategisches Versagen in höchste Abstiegsnot geratene Hauptstadt-Klub mit seinen außer Kontrolle geratenen Anhängern um?Sport-Vorstand Fredi Bobic versuchte nach dem Spiel, sich gegen dieser Form der Nötigung und Drangsalierung zu verwahren: „Die Jungs aufzufordern, das Trikot abzugeben und sie sind es nicht wert, dieses Trikot zu tragen: Da wird eine Linie überschritten, die aus meiner Sicht nicht okay ist“, sagte er bei „Sport1“, während das Sonntagstraining lief, zu dem der Klub aus Angst vor einem neuerlichen Ultra-Aufmarsch Polizeikräfte bestellt hatte. Dass hier die Konfrontation ausblieb, galt schon als Erfolgsmeldung.
Und wie lief es beim Spiel des 1. FC Köln?
Auch in Köln meldeten sich die Ultras zurück. Zunächst mit einer perfekten Choreo, die auch viele FC-Profis beeindruckte und ihnen Gänsehaut machte. Dem folgte allerdings während des Spiels vehementes Abbrennen von Pyrotechnik, das wie immer viele Menschen gefährdete und den Klub wieder viele tausend Euro Strafe kosten wird. Auf das Thema Pyrotechnik ging der Verein nicht explizit ein, dennoch wird mit den Ultras darüber diskutiert werden müssen, wie FC-Vizepräsident Carsten Wettich in einer Stellungnahme andeutete: „Wir freuen uns sehr über die Rückkehr der aktiven Fanszene ins Rhein-Energie-Stadion. Die Choreo und die bedingungslose Unterstützung haben unser Team gepusht und zu einem besonderen Fußballnachmittag in Müngersdorf beigetragen. Wir möchten den Dialog zu allen Fanthemen rund um den FC, nach zwei Jahren mit großen Einschränkungen während der Corona-Pandemie, gerne wieder intensivieren." Und in diesem Dialog wird auch der Einsatz von Bengalischem Feuer und Co. zur Sprache kommen.
Die vielleicht einzig gute Begleiterscheinung der Corona-Zeit war die Abwesenheit von Pyrotechnik durch das geschlossene Fernbleiben der Ultra-Gruppen, die kein Stadion mit Zugangsbeschränkung betreten haben. Bei ihrer Rückkehr wollten diese Fans unmissverständlich klar machen, dass es das eine ohne das andere nicht geben wird: ihre Präsenz nicht ohne Feuerwerk, das ganz offenbar zum Symbol ihres Ultra-Seins geworden ist. Auch das ist Teil des Kampfes um die Deutungshoheit im Fußball: Wer ist ein Fan? Wer bestimmt die Regeln? Wer ist es wert, unser Trikot zu tragen? Die Ultras wollen das alles bestimmen.
Wem gehört der Fußball denn wirklich?Natürlich allen. Die Fußball-Kultur ist vielschichtig und voller Menschen mit eigenem Zugang zu ihr. Aber Ultras werden das weder verstehen, noch akzeptieren, weil ihnen das ihre Exklusivität nehmen würde. Die Klubs sind dennoch auf die Ultras angewiesen, weil sie die spektakulärsten Bilder liefern und den größten Lärm machen. Und so bleibt es ein ständiges Ringen zwischen Ultras und Vereinen, in dem es vermutlich nie ein endgültiges Ergebnis geben wird.
Gab es auch sportliche Erkenntnisse an diesem Spieltag?Ja. Auch. Der FC Bayern München ist nach dem eher dünnen 1:0-Erfolg über den FC Augsburg durch ein Elfmetertor von Robert Lewandowski in der 82. Minute klar auf Titelkurs. Zwei Siege aus den restlichen fünf Spielen werden dank des Neu-Punkte-Vorsprung auf Dortmund reichen. Und die Ultras verhinderten, dass angemessen über die Leistung der Hertha beim 1:4 gegen Union gesprochen wurde und die Folge der Schnapsidee, Felix Magath als Retter zu installieren. In diesem Zustand ist die Hertha als aktuell 17. ein ganz heißer Abstiegskandidat. Es wäre mit den 360 Investoren-Millionen des Unternehmers Lars Windhorst der teuerste Abstieg aller Zeiten.