Der umstrittene Kölner Geschäftsführer hat den kommenden FC-Gegner Regensburg über viele Jahre geprägt und ist Ehrenvorsitzender des Jahn.
FC-Sportchef kehrt zu Ex-Klub zurückChristian Kellers spezielle Reise in die Vergangenheit
Für Christian Keller, den Sport-Geschäftsführer des 1. FC Köln, dürfte es endlich mal eine zufriedenstellende Woche gewesen sein. Unabhängig davon, wie lange sich die Entscheidung auch hingezogen hatte und auf welchen Wegen sie zustande gekommen war: Der 46-Jährige konnte sich nach den letzten Unterschriften am Montagabend über die Verlängerung seines Vertrags beim Bundesliga-Absteiger bis zum 28. Februar 2026 freuen. Und zwei Tage später natürlich auch über den Erfolg des FC, der nach dem 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen Hertha BSC erstmals seit über 14 Jahren wieder ein Pokal-Viertelfinale erreicht hat und in einem Wettbewerb überwintern darf.
Die Dienstreise am Wochenende könnte die Woche für Keller dann endgültig abrunden. Voraussetzung: Der FC wird am Sonntag (13.30 Uhr, Sky) im Auswärtsspiel bei Kellers Ex-Klub, dem Zweitliga-Schlusslicht SSV Jahn Regensburg, seiner klaren Favoritenrolle gerecht und holt den nächsten Dreier. Ein Erfolg würde den Aufwärtstrend der Mannschaft von Trainer Gerhard Struber bestätigen, der zugleich dazu geführt hat, dass nicht nur der Trainer, sondern auch der oft kritisierte und unter Druck stehende Keller zuletzt wieder mehr in Ruhe arbeiten konnte. Wenngleich der resiliente und selbstbewusst auftretende Sportchef zumindest nach Außen nicht den Eindruck vermittelt, als würde ihn Unruhe von seinem Kurs abbringen.
Für Keller ist der Trip nach Regensburg eine Reise in die eigene Vergangenheit. Eine ganz besondere. Es ist zwar nicht seine erste, der FC trat als Bundesligist schließlich schon Ende Juli 2022 im Pokal in Regensburg an – und schied aus. Doch da war Keller erst knapp drei Monate beim FC im Amt, vieles noch sehr frisch und einiges aus Kölner Sicht damals Unvorhersehbares oder Unvorstellbares noch nicht passiert. Zwar spielten beziehungsweise arbeiteten auch die FC-Profis Eric Martel, Jonas Urbig, Sargis Adamyan und Philipp Pentke, die heutigen Kölner Scouts Lennart Strufe und Markus Stegili sowie der neue FC-Kommunikationsdirektor Till Müller unterschiedlich lange für den Jahn. Doch es war vor allem Keller, der den Klub aus der schönen Stadt an der Donau in der vergangenen Dekade geprägt hatte wie kein anderer. Das würden noch nicht mal seine Kritiker, und davon gibt es in Köln einige, in Abrede stellen.
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Über elf Jahre, von Ende 2009 bis Oktober 2021, war Keller für den Jahn tätig, erst als Berater des Managements, dann ab 2013 als Geschäftsführer. Und zwar als alleiniger Geschäftsführer, der den sportlichen und den kaufmännisch-administrativen Bereich verantwortete. Und wie heute in Köln, so hatte der promovierte Funktionär (Dissertation mit dem Titel „Steuerung von Fußballunternehmen: Finanziellen und sportlichen Erfolg langfristig gestalten“) auch in Regensburg mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Vor allem zu Beginn seiner Geschäftsführer-Tätigkeit.
1. FC Köln: Auch in Regensburg hatte Keller anfangs ganz schweren Stand
Unmittelbar vor und nach dem Abstieg des Klubs in die 4. Liga wurde er beim schwierigen Spagat zwischen der Gesundung des Klubs und sportlichem Erfolg ebenfalls mit dem Vorwurf konfrontiert, den Klub quasi im Alleingang kaputt zu sparen. Zwar auf einem anderen Level als in Köln, schließlich liegen zwischen dem SSV Jahn (5200 Mitglieder), Regensburg (159 000 Einwohner) und dem Traditionsklub FC (141 000 Mitglieder) aus der Millionenstadt Welten, doch auch der gebürtige Baden-Württemberger musste sich im Stadion „Keller-raus-Rufe“ anhören und wurde angefeindet. Negativer Höhepunkt: Die Weihnachtsfeier des Klubs 2014 wurde von zwei Dutzend Ultras gestürmt, der Geschäftsführer zur Rede gestellt.
Doch der ließ sich trotz des Absturzes in die Regionalliga Bayern nicht entmutigen, trieb seine Pläne und Projekte voran. Keller machte sich im Verein an die Arbeit und drehte „alles von rechts nach links“. Und hatte damit Erfolg. Dem SSV gelang dann tatsächlich per Durchmarsch der Aufstieg in die 2. Bundesliga, in der er ab 2017 überwiegend eine sehr solide Rolle spielte (Fünfter, Achter, Zwölfter, 14.). Keller investierte auch viel in Steine, in seiner Amtszeit entstand ein äußerst modernes Trainingszentrum für rund zehn Millionen Euro. Als sich der Geschäftsführer Ende Oktober 2021 aus Regensburg verabschiedete, wurde er von Mannschaft und Stab auf Händen getragen.
Rückkehr zum SSV Jahn als Ehrenvorsitzender des Klubs
Im Oktober 2023, da war er schon anderthalb Jahre in Köln tätig, wurde ihm dann eine besondere Ehre zuteil, die ein Vereinsnovum war: Der SSV Jahn änderte extra seine Vereinssatzung, um den langjährigen Geschäftsführer zum Ehrenvorsitzenden zu wählen. Keller, so beschrieben es Anwesende, soll gerührt gewesen sein. Man nimmt es ihm ab, dass er sich jetzt auf das Wiedersehen freut: „Das ist für mich ein cooles Spiel. Wir hatten alle gemeinsam eine gute Zeit und konnten viel bewegen. Ich bin ja auch noch Ehrenvorsitzender des SSV Jahn. Ich freue mich einfach, wenn wir da spielen. Es ist für mich ein Wiedersehen mit vielen Leuten, die ich extrem schätze“, sagt der Kölner Sportchef, der allerdings erst am späten Samstagabend anreist, da er noch zur Spielerbeobachtung unterwegs ist; der FC darf bekanntlich nach Ablauf der Transfersperre wieder Spieler registrieren.
Doch der SSV Jahn ist eben nicht der FC, bei dem ein (erneuter) Abstieg, eine Transfersperre, Trennungen von langjährigen Mitarbeitern, die teilweise vor Gericht ausgetragen wurden, und – wie geschehen – etliche Fehlgriffe auf dem Transfermarkt oder andere heikle sportliche Entscheidungen weitaus größere Reaktionen hervorrufen als im doch beschaulichen Regensburg. Der FC ist zudem ein Klub, bei man viel mehr Menschen mitnehmen muss – Mitarbeiter, Ehemalige, die Fans, die Stadtgesellschaft etc.. In dem es eben nicht ausreicht, ein paar Vertraute im Verein um sich zu scharen. Und in dem Keller auch nicht das alleinige Sagen hat, schon alleine deshalb, weil ihm in Philipp Türoff (Finanzen) und Markus Rejek (Marketing) zwei weitere Geschäftsführer zur Seite gestellt wurden. Interessant in dem Zusammenhang ist, was Keller vor seinem Abschied aus Regensburg kundgetan hatte.
In der Neuausrichtung des Jahn sah Keller damals keinen Platz mehr für sich, denn nur auf einen Bereich wollte oder konnte er sich nicht beschränken: „Das geht nicht, dazu kenne ich mich gut genug. Ich wüsste, dass ich dem anderen reinrede, wenn er seine Aufgabe nicht so ausfüllt, wie es mir gefällt.“
Doch in Regensburg hat Keller auf seine ganze eigene Art eben einiges bewirkt. Und der Kölner Geschäftsführer dürfte am Sonntag im Jahnstadion auch mit offenen Armen empfangen werden und das sicherlich mit einem Lächeln quittieren. Ob seine Laune nach dem Abpfiff auch noch so gut sein wird, das haben die FC-Profis in der Hand. Oder besser: auf dem Fuß.