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Judoteam RemscheidWie aus einem Kreisligisten der Deutsche Meister wurde

Lesezeit 4 Minuten
Eduard Trippel wirft seinen Gegner mit einer Selbstfalltechnik über den Kopf.

Tokio-Silbermedaillengewinner Eduard Trippel lieferte im Bundesliga-Finale zwei entscheidende Punkte für den Remscheider TV.

Der Remscheider TV ist Deutscher Mannschaftsmeister im Judo. Der Erfolg kam nicht von ungefähr, sondern war genau so geplant – und zwar zwölf Jahre zuvor.

Remscheid steht Kopf – und das nicht nur bildlich. Im Judo kürte sich das Männer-Team vom Remscheider TV im Herbst zum Ligameister. Für die Stadt im Bergischen war es der erste Deutsche Meistertitel in einer olympischen Sportart überhaupt. Nach Nordrhein-Westfalen kehrte der Pokal damit das erste Mal seit 1969 zurück. Und das, obwohl das Land mit seinem geballten Stützpunktsystem eigentlich zu den Judohochburgen Deutschlands zählt.

Während die Athletinnen und Athleten des Kölner Leistungszentrums aber vor allem in den internationalen Einzelwettbewerben auf Erfolgskurs gehen – man denke nur an Miriam Butkereit, Olympia-Silbermedaillengewinnerin von Paris und Anna-Maria Wagner, diesjährige Weltmeisterin – hatten auf Liga-Ebene bislang vor allem die Mannschaften aus dem bayerischen Abensberg und Hamburg die Nase vorn.

Manager Cedric Pick (Mitte) beim Bundesliga-Finale mit Coach Karl-Richard Frey (rechts) und Geschäftsführer Arthur Hass.

Manager Cedric Pick (Mitte) beim Bundesliga-Finale mit Coach Karl-Richard Frey (rechts) und Geschäftsführer Arthur Hass. Die Mannschaft sei "sein Baby", sagt Pick

Bis Cedric Pick vor zwölf Jahren einen Entschluss fasste. „Ich möchte aus meinem Heimatverein heraus, in meiner Heimatstadt, in Remscheid, einen Deutschen Meister erschaffen.“ Denn seine eigene Karriere musste der damals 25-Jährige verletzungsbedingt früh beenden. Wie Stecker ziehen sei das gewesen. Doch schnell hatte er diese fixe Idee im Kopf.„Wenn du deine Energie nicht als Aktiver auf die Matte bringen kannst, dann mach es doch einfach von außen.“

Gesagt, getan, ohne große Umwege. Sieben Aufstiege in acht Jahren. 2022 war Remscheid in der ersten Bundesliga angekommen. „Diese Mentalität ‚Mal schauen, was wird‘, die gab es bei uns nie“, sagt Pick.

Remscheider Judoteam feierte sieben Aufstiege in acht Jahren

Das hatte nicht nur sportliche Gründe, sondern auch wirtschaftliche: „Ich wollte mir Gehör verschaffen.“ Gerade in einer Randsportart wie Judo brauche es ein etwas lauteres Auftreten, um aufzufallen. Die Strategie sei aufgegangen: „Wir haben es geschafft, Judo in Remscheid zur Sportmarke Nummer eins aufzubauen“, so Pick.

Dafür verschaffte er dem Remscheider Kader auf der Zielgeraden seiner Mission eine Generalüberholung. Denn – das sei im Judo nicht anders als in anderen Sportarten – die meisten Athleten kommen nicht mehr aus der Stadt. Eine anfangs bergisch geprägte Mannschaft, die die Aufstiege in den unteren Ligen meisterte, ersetzte Pick. „Wenn du Deutscher Meister werden willst, musst du eben auch eine Meistermannschaft aufstellen. Nur aus Remscheid, das wäre fernab der Realität gewesen.“ Eine zweite Mannschaft mit den heimischen Athleten bildet nun den Unterbau in der Oberliga.

Losseni Kone freut sich über seinen Sieg.

Über sich hinausgewachsen: Im Final-Four siegte Schwergewicht Losseni Kone gegen den ehemaligen niederländischen Europameister Jur Spijkers

Währenddessen spicken nationale und internationale Spitzenjudoka das Erstliga-Ensemble, darunter Olympia-, WM- und EM-Starter, wie die deutschen Tokio-Medaillengewinner Eduard Trippel und Johannes Frey. Er habe nach Charakteren gesucht, die sportlich und menschlich mitziehen, die das Alles-Geben-Niemals-Aufgeben-Gen auf und neben der Matte verkörpern, sagt Pick.

So wie der 22-jährige Nicolas Kunze, der 2023 für den Remscheider TV debütierte und inzwischen zum Mannschaftskapitän aufgestiegen ist. Picks Leidenschaft habe ihn angesteckt: „Dieser imposante Aufstieg machte einfach Lust, mitzuwirken. Und die Idee davon, gemeinsam ganz oben anzukommen.“

Wenn du Deutscher Meister werden willst, musst du eben auch eine Meistermannschaft aufstellen. Nur aus Remscheid, das wäre fernab der Realität gewesen.
Cedric Pick

Nicht nur Kämpfer zog Pick mit seiner Idee an. Von anfangs 50 pendelten sich die Zuschauerzahlen in der Sporthalle Neuenkamp in der Meistersaison auf 500 bis 600 Fans ein. Für einen Judo-Kampftag ist das ordentlich. Das überzeugt auch Sponsoren aus der Region. Statt eines Mäzens, wie das in einigen anderen Judoclubs üblich ist, tragen rund 20 kleinere Partner den Erfolg des Remscheider Judoteams finanziell. Das ergebe einen Etat von 100.000 bis 110.000 Euro pro Saison, so Pick.

Seinen Sportlern kann er damit mittlere dreistellige Beträge für ihre Einsätze an acht Kampftagen im Jahr zahlen. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie damit nicht. Neben der Einzelsaison ist die Judo-Bundesliga für die Kämpfer deshalb eher ein Ort, um die Judoleidenschaft mit einem Team im Rücken auszuleben, und weniger einer zum großen Geld verdienen.

Ungeschlagen zum ersten Deutschen Meistertitel

Genau dieser Teamgedanke sei es gewesen, der – neben Picks strategischen Kniffen – für die makellose Erfolgsbilanz der Saison 2024 sorgte. Nach sechs Siegen kürten sich die Remscheider erst zum Gewinner der Staffel Nord, qualifizierten sich damit für das gesamtdeutsche Final-Four und marschierten dort vom Halbfinale ins Finale. Ein 8:6-Erfolg gegen die TSG Backnang besiegelte schließlich den Meistertraum von Pick und seinen Jungs.

Den, vielleicht etwas neiderfüllten Vorwurf, Remscheid würde mit einer zusammengekauften Truppe an den Start gehen, weisen Pick und Kunze zurück. „Wir harmonieren und funktionieren als Team. Dieses Gefühl hat mir in anderen Mannschaften bislang gefehlt“, so Kunze.

Das Ziel der beiden für die kommende Saison scheint klar: „Jetzt, wo wir oben sind, wollen wir da auch bleiben“, sagt Pick. Die Pläne für die Mission Titelverteidigung 2025 laufen in Remscheid bereits.