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Arabischer InvestorWas die Übernahme von Covestro für Standorte und Mitarbeiter bedeutet

Lesezeit 5 Minuten
Neun Produktionsbetriebe unterhält Covestro im Leverkusener Chempark. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei rund 3800.

Neun Produktionsbetriebe unterhält Covestro im Leverkusener Chempark. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei rund 3800.

Nach monatelangen Verhandlungen haben sich der Ölkonzern Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Leverkusener Chemiekonzern Covestro auf eine Übernahme geeinigt.

Das Covestro-Management hat sich mit dem arabischen Investor Adnoc auf eine Übernahme geeinigt. Es ist das erste Mal, dass ein früheres Mitglied des Bayer-Konzerns nun in ausländische Hände fällt. Ein Überblick, was über die Folgen der Übernahme bekannt ist - und was nicht.

Wer ist Adnoc?

Adnoc ist der staatseigene Ölkonzern des Emirates Abu Dhabi, ein Teilstaat der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), zu denen auch das reiche Dubai gehört. Die Abkürzung steht für Abu Dhabi National Oil Company. Adnoc wurde 1971 gegründet und fördert fast das gesamte Öl für das OPEC-Mitglied Vereinigte Arabische Emirate. Der Konzern hatte zuletzt gewaltige Expansionspläne, Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Dollar weltweit standen im Raum. Dahinter steckt die Strategie vieler Ölproduzenten am Persischen Golf, die ihr Kerngeschäft mit dem Verkauf von Rohöl und Verkehrskraftstoffen wie Benzin und Diesel diversifizieren wollen. 2022 hatte Adnoc bereits für mehrere Milliarden Euro Anteile an der österreichischen OMV AG erworben.

Wie viel Geld bietet Adnoc für Covestro?

Adnoc will Covestro für knapp zwölf Milliarden Euro kaufen. Wie beide Unternehmen am Dienstag mitteilten, bietet der Ölkonzern aus Abu Dhabi 62 Euro pro Aktie und bewertet Covestro so mit insgesamt 11,7 Milliarden Euro. Der Preis entspricht einer Prämie von rund 54 Prozent auf den unbeeinflussten Schlusskurs aus dem Jahr 2023, bevor erstmalig über eine mögliche Transaktion in der Presse berichtet wurde. Die beiden Unternehmen hatten über Monate Gespräche geführt, die erstmals im September vergangenen Jahres bekannt geworden waren. Zunächst hatte der staatseigene Ölkonzern Adnoc Medieninformationen zufolge 55 Euro pro Aktie, später 57 Euro pro Aktie und im Juni dann 62 Euro pro Aktie geboten.

Was sind die nächsten Schritte der Übernahme?

Die Mindestannahmequote liegt den Angaben von Covestro zufolge bei 50 Prozent plus einer Aktie. Bei erfolgreicher Übernahme plant Adnoc eine Kapitalerhöhung von Covestro um 1,17 Milliarden Euro. Die Investitionsvereinbarung hat laut den beiden Unternehmen eine Laufzeit bis 2028. Covestro teilte mit, der Konzern „begrüßt und unterstützt das Übernahmeangebot“.

Wie haben die Aktienmärkte auf das Angebot reagiert?

Direkt bei Start des Börsenhandels am Dienstag um 9 Uhr schnellte die Aktie von Covestro um fast vier Prozent in die Höhe. Am Nachmittag pendelte sich der Aktienkurs deutlich im Plus ein, bei etwa 58 Euro. Das sind aber immer noch vier Euro weniger als der von Adnoc gebotene Kurs. Es gibt also weiter Potenzial für das Papier nach oben. Bereits in der zweiten Septemberhälfte hatte der Aktienkurs von Covestro zugelegt, weil Anleger auf eine bevorstehende Übernahme spekulierten.

Was verspricht sich Adnoc von der Übernahme?

Die Übernahme sei „eine zentrale Säule der Wachstumsstrategie von Adnoc International, die das Ziel verfolgt, eines der weltweit fünf größten Chemieunternehmen zu werden“, so der Ölkonzern. Dabei solle Covestro die Plattform für das Performance-Materials- und Spezialchemie-Geschäft werden. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere heute getroffene Vereinbarung mit Adnoc International im besten Interesse von Covestro, unseren Mitarbeitenden, unseren Aktionären und allen weiteren Stakeholdern ist“, sagte Covestro-Chef Markus Steilemann. „Die Unterstützung von Adnoc International sichert uns ein noch stärkeres Fundament für nachhaltiges Wachstum in hochattraktiven Branchen.“ Vorstand und Aufsichtsrat unterstützten das Angebot.

Vorstandsvorsitzender von Adnoc ist Sultan Ahmed Al Jaber, der seit 2016 auch Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien der VAE ist. Sultan ist hierbei kein Titel, sondern Teil des Vornamens des 51-Jährigen, der in den USA Wirtschaft studiert hat und in Großbritannien promoviert wurde. „Als weltweit führender Industrie-Pionier im Chemiesektor hat Covestro einzigartige Expertise im Bereich Hightech-Spezialchemikalien und -materialien, und setzt dabei auf modernste Technologien wie künstliche Intelligenz. Diese strategische Partnerschaft ist eine ideale Verbindung“, sagte Jaber. Sein Ziel ist es, die Wirtschaft des Emirates unabhängiger vom Öl zu machen und so für die Zukunft aufzustellen, wenn Öl weniger stark nachgefragt wird.

Wird die Mitbestimmung im Betrieb aufrecht erhalten?

„In der Vereinbarung bekennt sich Adnoc unter anderem zur Anerkennung der deutschen Governance-Vorschriften und zur Beibehaltung des mitbestimmten Aufsichtsrats. Wichtiger Bestandteil ist außerdem die Verpflichtung, dass nach Vollzug des Übernahmeangebots zwei Mitglieder des Aufsichtsrats auf Seiten der Anteilseignervertreter unabhängig von der Adnoc-Gruppe sein sollen“, teilte Covestro mit. Die Investitionsvereinbarung enthalte auch Adnocs ausdrückliche Anerkennung bestehender deutscher Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und der Rechte der Betriebsräte.

Was wird mit den Mitarbeitern und Standorten?

Obwohl Covestro ein mehrjähriges Sparprogramm fährt, sind aktuell betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Zudem gibt es eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2032. Diese Regeln dürften von der Investitionsvereinbarung gedeckt sein. „Zudem sind im Rahmen der Transaktion keine Veräußerungen, Schließungen oder wesentliche Reduzierungen der Geschäftstätigkeiten von Covestro geplant und Adnoc verpflichtet sich in der Investitionsvereinbarung, keine der genannten Maßnahmen einzuleiten“, heißt es von Covestro.

Wie groß ist Covestro in der Region?

Covestro beschäftigt in NRW 7000 Mitarbeiter, die meisten (3800) davon am Hauptsitz in Leverkusen. Der Standort soll auch weiterhin die Zentrale von Covestro sein. 1900 weitere Beschäftigte arbeiten in Dormagen, 1100 am Standort Krefeld. Das Unternehmen zählt zu den weltweit führenden Kunststoffherstellern und ist 2015 aus der Kunststoffsparte der Bayer AG hervorgegangen.

Es beliefert nach eigenen Angaben „rund um den Globus Kunden in Schlüsselindustrien wie Mobilität, Bauen und Wohnen sowie Elektro und Elektronik“. Außerdem würden die Kunststoffe in Bereichen wie Sport und Freizeit, Telekommunikation, Gesundheit sowie in der Chemieindustrie selbst eingesetzt. Covestro hatte 2023 einen Umsatz von 14,4 Milliarden Euro erzielt. Das Unternehmen produziert an 48 Standorten weltweit und beschäftigt rund 17.500 Menschen.