Sülz – Breiter aufgestellt könnte ein zivilgesellschaftliches Bündnis in Köln kaum sein. Die Riege der Demonstranten vor den sogenannten „Russenhäusern“ an der Friedrich-Engels-Straße reichte von Konrad Adenauer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins, bis zu Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim.
Die beiden, aber auch Pfarrer Franz Meurer, Kabarettist Jürgen Becker, Franz Xaver Corneth, Vorsitzender des Kölner Mietervereins, Professor Jürgen Bremer, Kalle Gerigk von „Recht auf Stadt“, SPD-Bezirksvertreter Friedhelm Hilgers und der Autor Martin Stankowski verfolgen das gleiche Ziel. Sie möchten, dass in die leer stehenden „Russenhäuser“ wieder Menschen einziehen. 80 Wohnungen an der Nebenstraße der Berrenrather in Stadtwaldnähe stehen seit Jahren leer. Manche mehr als zwei Jahrzehnte. Niemand kümmert sich um die Gebäude.
„Es ist ein absoluter Skandal“, empörte sich Konrad Adenauer. Er hält die Wohnungen in der ehemaligen Handelsvertretung der damaligen UDSSR für sehr gut geeignet, um Geflüchtete unterzubringen. „Laut Stadtverwaltung sind die Wohnungen unbewohnbar. Deshalb gebe es hier auch keine Wohnraumzweckentfremdung, weil es ja keinen Wohnraum gibt“, fuhr der Jurist Adenauer fort. „Die Russen zahlen keine Abgaben wie zum Beispiel Grundsteuer. Da könnte die Stadt einen Zwangsbescheid schicken, in der Folge eine Zwangshypothek eintragen lassen und anschließend das Gebäude zwangsversteigern.
„Ich habe das Gefühl, die Kölner Stadtverwaltung fürchtet, Putin könnte eine Rakete schicken, wenn wir denen die Häuser wegnehmen. Der Verwaltung fehlt einfach nur ein kleines bisschen Mumm.“
Sülz: „'Russenhäuser' hätten wunderbar als Schulgebäude genutzt werden können“
Friedhelm Hilgers erinnerte an einen Antrag der SPD in der Bezirksvertretung. „Gegenüber von den Häusern haben wir eine Gesamtschule eingerichtet. Deren Filiale ist Kilometer weit entfernt. Die ,Russenhäuser‘ hätten wunderbar als Schulgebäude genutzt werden können.“ Die Verwaltung wolle wohl in erster Linie „Unliebsamkeiten“ vermeiden und verweise deshalb darauf, das Problem müsse auf diplomatischem Wege gelöst werden. Dafür sei Köln nicht zuständig.
Kalle Gerigk hat sich die Gebäude bei einem „Go in“ angesehen. „Ein bisschen Farbe und ein paar Quadratmeter Teppichboden: Dann kann man da sofort einziehen. Das sind sehr gute Wohnungen für Geflüchtete und Obdachlose. Und wir sagen auch allen Deserteuren ein herzliches Willkommen.“
Professor Bremer hat eine Online-Petition gestartet für die Nutzung der Häuser, die bislang 8000 Menschen unterschrieben haben. „Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die Entgegennahme der Petition abgelehnt. Vielleicht darf ich sie mal einem Beigeordneten überreichen. Aber, so Reker, ohne Öffentlichkeit und erst recht ohne Presse“, berichtete Bremer.
Auch Pfarrer Meurer forderte von der Stadtverwaltung ein entschiedenes Handeln, um Wohnraum zu schaffen. Er erinnerte an den rheinischen Kapitalismus, der in der Stadt bisher ein gedeihliches Miteinander von Vermietern und Mietern garantiert habe.
Rainer Kippe berichtete von Erlebnissen in der „Arche“, einer Einrichtung der Obdachlosenhilfe. „Da stehen Frauen über 70 mit zwei Plastiktüten. Das ist nach ihrer Zwangsräumung, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten, von ihrem Leben übrig geblieben. Den Rest entsorgen die AWB. Diese Räumungen wurden früher rücksichtsvoller und humaner durchgeführt. Heute geschieht das mit einer großen Kaltschnäuzigkeit. Die Stadt verroht. Und das tritt die Ärmsten zuerst.“
Jürgen Becker nannte es einen Treppenwitz der Geschichte, würden ukrainische Geflüchtete in die enteigneten „Russenhäuser“ einziehen. Becker kritisierte die Stadtverwaltung scharf: „Die Engländer haben diese Stadt so lange bombardiert, bis nichts mehr funktionierte. Und nach dem Krieg haben sie uns geholfen, eine Verwaltung aufzubauen, damit das so bleibt.“