Andree Haack sagt im Interview, er wolle Lufthansa und DEVK in Köln halten. Im Kampf um Flächen plädiert er für das Gewerbe.
„Berlin kann das nicht bieten“Kölner Wirtschaftsdezernent Haack macht Gamescom-Versprechen
Herr Haack, Sie leben seit einem Jahr in Köln. Was ist Ihr Eindruck?
Ich habe mich sehr gut eingelebt und fühle mich wohl in der Stadt, habe um mich herum ein hoch motiviertes Dezernatsbüro aufgebaut. Die Stadt ist sehr diskussionsfreudig, das habe ich gelernt. Die Presse hat immer eine Menge zu schreiben. Köln hat eine unglaubliche Power, das ist meine zweite Erkenntnis. Wir müssen uns wirklich nicht verstecken. Wir haben eine starke Wirtschaft: Bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben wir in den letzten 15 Jahren ein Plus von 30 Prozent zu verzeichnen. In Duisburg, wo ich vorher war, sind es 15 Prozent, in Düsseldorf 23 Prozent. Köln ist wirtschaftlich gesehen die dynamischste Stadt in Nordrhein-Westfalen. Es macht Spaß, da mitzuwirken. Auch, wenn man oft gegen eine Wand aus schlechter Stimmung anreden muss.
Sie greifen als erstes einen wirtschaftlichen Aspekt auf. Sehen Sie sich mehr als Wirtschafts- und weniger als Stadtentwicklungsdezernent?
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Ich fühle mich für alle meine Bereiche gleichermaßen verantwortlich, das steht außer Frage. Zurzeit beschäftige ich mich am meisten mit der Digitalisierung, aber das verschiebt sich ständig.
Wie funktioniert denn die Schnittstelle zwischen Ihnen und Baudezernent Markus Greitemann, wenn es um Stadtentwicklung geht?
Ein Beispiel dafür ist der Deutzer Hafen. Das Team von Markus Greitemann plant das Projekt gerade im Detail, mein Dezernat kümmert sich um die entsprechenden Fördermittel. Das geht Hand in Hand. Er plant oft das Morgen und ich das Übermorgen, daher steht das Baudezernat auch eher im öffentlichen Fokus.
Das ist für mich völlig in Ordnung. Wenn ich einen Köln-Katalog entwickle, in dem städtebauliche Vorgaben stehen, ist das zu akademisch für die breite Öffentlichkeit. Wenn Markus Greitemann auf dieser Grundlage das Liebig-Quartier entwickelt, wird ein Schuh draus.
Über Schulbau, Wohnbau und Grünflächen wird in der Stadt viel diskutiert. Geht das Gewerbe bei der Diskussion um die Flächenverteilung unter?
Ja, wir müssen schon einen Blick auf Gewerbeflächen halten. Ich will, dass die Wirtschaftsthemen in dieser Diskussion nicht ganz untergehen, deswegen bereiten wir derzeit das Stadtentwicklungskonzept Wirtschaft vor. Klar ist aber, dass wir in allen Bereichen Flächenkonkurrenzen haben, die Diskussionen sind normal.
Aktuell gibt es aber kaum zusammenhängende Gewerbeflächen.
Ich denke, dass es für die Kommunen in Zukunft immer schwieriger wird, neue Gewerbeflächen auszuweisen. Das passt kaum mehr in den Geist der Zeit. Im gerade laufenden Regionalplanverfahren haben wir dennoch etwa 250 ha neuer Gewerbeflächen platziert. Gemessen an der Nachfrage ist das aber wenig.
Deswegen ist es mir wichtiger, dafür zu sorgen, dass die jetzigen Gewerbeflächen auch Gewerbeflächen bleiben. Unser Anspruch ist, dass für die Kölnerinnen und Kölner alles in 15 Minuten erreichbar ist – dazu gehören auch Handwerker und Kleingewerbe.
Wie sehen Sie die Zukunft der Einkaufspassagen?
Der Strukturwandel ist im vollen Gange. Ständig kommen neue Meldungen über Insolvenzen. Das sind Symptome, die wir auch in Köln merken. Unsere Innenstadt muss alltagstauglicher werden, wir dürfen sie nicht mehr ausschließlich vom Handel her denken. Nicht jede Handelsfläche wird wieder mit Handel besetzt werden. Andererseits sind wir bei diesem Thema im Vergleich sehr gut aufgestellt, andere Städte haben wesentlich mehr Probleme.
Und es durchmischt sich: Auf der Schildergasse entsteht eine Boulderhalle, nebenan entsteht das Herzog als gemischte Immobilie mit viel Bürofläche. Galeria (ehemals Karstadt Kaufhof) wird das Haus auf der Schildergasse wohl verkleinern, dafür kommen dann andere Nutzungen mit hinein. Wir werden diesen Wandel eng und konstruktiv begleiten.
In Ihren Bereich fällt auch die Digitalisierung. Wo muss Köln hier aufholen?
Durch die Gesetzeslage arbeiten die Kommunen bei der Digitalisierung dezentral und ziemlich chaotisch miteinander zusammen. Es gibt keinen starken „Staat“ als zentralen Macher von digitalen Lösungen. Das halte ich für ein Problem. Daher nehmen wir das Thema nun selbst in die Hand, und warten nicht länger auf digitale Musterlösungen. Dafür erarbeiten wir gerade den Masterplan Digitalisierung. Der erste Schritt ist eine Digitalisierung der Prozesse innerhalb der Verwaltung. Das Ziel ist, dass wir am Ende ein Service-Dienstleister und keine Antragsverwaltung mehr sind. Das heißt: Wenn jemand anruft oder digital mit der Stadt Kontakt aufnimmt, weil sein Personalausweis abläuft, können wir darauf hinweisen, dass der Führerschein übrigens auch abläuft und dass es noch einen Anspruch für Leistung XY gibt. Das ist die Vision, auf die wir hinarbeiten. Ich will, dass die Prozesse möglichst viel automatisiert abgearbeitet werden, damit die städtischen Mitarbeitenden Zeit haben zu beraten, anstatt Anträge zu bearbeiten.
Hat die Gamescom als große Digitalmesse in Köln eine Zukunft? Die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey hat angekündigt, die Messe in die Hauptstadt holen zu wollen.
Mein Dezernat tut alles dafür, die Gamescom in Köln zu halten. Köln ist bundesweit, vielleicht sogar europaweit, die Gaming-Hauptstadt. Wir sind in einem guten Austausch mit dem Branchenverband „Game“, der mit unserem Standort sehr zufrieden ist. Gaming ist eine Kultur, um die herum sich eigene Marken und Welten aufbauen. Wirtschaftlich gesehen liegt in dem Thema eine sehr hohe Wertschöpfungstiefe und wir sind entsprechend gut aufgestellt. Die Anbindung der Messe an den Rhein, die Innenstadt und die Veranstaltung sind einmalig.
Stadt Köln sieht für Berlin bei der Gamescom keine Chance
Berlin hat also keine Chance?
Nein, Berlin kann das, was wir haben, nicht bieten. Frau Giffey wollte mit ihrem Vorschlag, die Gamescom in die Hauptstadt zu holen, sicher ein wenig Aufmerksamkeit erzeugen. Weil sie das strategische Ziel hat, Großveranstaltungen nach Berlin zu holen – und das verstehe ich auch. Im Fall der Gamescom wird das aber nicht funktionieren.
Sind junge, agile Unternehmen, wie es sie in der Gaming-Branche oft gibt, ihr Beuteschema – und nicht so sehr größere Konzerne?
Wir sind breit aufgestellt und wollen auch größere Unternehmen. Wichtig ist, dass sich Zukunftsbranchen hier ansiedeln. Im letzten Jahr ist die Deutschland-Zentrale von Renault hierhin gezogen und das türkische Unternehmen Monrol, das in der Krebsforschung führend ist, hat in Köln einen Standort eröffnet. Wir haben eine europäische Agentur für Kulturförderung nach Köln geholt. Mit Panattoni haben wir den größten Industrie-Immobilien-Entwickler in die Stadt geholt. Ford tätigt mit fast zwei Milliarden Euro gerade die größte Privatinvestition in den Standort, die es je gegeben hat. Mit DeepL haben wir das erste Kölner Unicorn (ein Start-up mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Euro, Anm. d. Red.). Köln hat viele Erfolgsgeschichten zu erzählen. Eine Großansiedlung wie eine Tesla-Fabrik wird für Köln sehr schwierig – denn diese Unternehmen gehen in strukturschwache Bereiche, in denen Land und Bund massiv fördert.
Mit der Lufthansa droht nun allerdings ein sehr prominenter Abgang.
Wir haben sofort mit der Landesregierung Kontakt aufgenommen, es gibt inzwischen direkte Gespräche zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Unternehmen, um es in Köln zu halten. Wir haben die Lufthansa nicht aufgegeben und geben alles, um den Abgang zu verhindern. Gleichzeitig baut die Lufthansatochter Eurowings hier ihren Standort aus. Geplant sind rund 150 neue Arbeitsplätze in Köln-Mülheim.