Köln – Ein fremdenfeindlich gesinnter CDU-Politiker aus Köln hortet Waffen in seinem Haus und scheut nicht davor zurück, sie beim nächstbesten Konflikt an seinem Grundstück am Rheinufer auch einzusetzen. Das erscheint als Fazit des Richters im Strafverfahren gegen den ehemaligen Porzer Bezirksvertreter Hans-Josef Bähner (74), den das Landgericht am Montag wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und illegalen Waffenbesitzes zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt hat. Bähner wehrt sich gegen die nicht rechtskräftige Entscheidung, doch die Chancen auf eine neue Verhandlung erscheinen zumindest statistisch gering. Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Mit allen Erkenntnissen aus dem Gerichtsverfahren ergibt sich ein umfassendes Protokoll der Tatnacht vom 30. Dezember 2019:
Junge Männer treffen am Rhein auf den Politiker
Der 20-jährige Krys M., damals auf Ausbildungssuche, verabredet sich mit einem Freund zum gemeinsamen Chillen. Am Abend fahren die beiden zum Flughafen Köln-Bonn, weil Spirituosen im dortigen Rewe, der auch sonntags geöffnet hat, billiger sind als am Kiosk. Die jungen Männer kaufen Wodka und Orangensaft, dazu Becher und mixen und konsumieren die Getränke auf der Besucherterrasse des Airports. Das wird ihnen zu langweilig, daher rufen sie noch einen Bekannten an und fahren gemeinsam nach Porz. Ein weiterer Freund kommt hinzu, man geht doch noch in ein Büdchen um Nachschub an Alkohol zu holen. Dann bewegt die die vierköpfige Gruppe mit Musikbox zum Rheinufer, manche ziehen an einem Joint. Man sei gut drauf gewesen.
Am Grundstück des damaligen CDU-Politikers Bähner bleiben die Heranwachsenden stehen, es ist jetzt Mitternacht. Sie stellen ihre Becher auf der Mauer zu Bähners Garten ab, unterhalten sich laut, als plötzlich ein Hund auf dem Grundstück bellt. „Halt die Klappe“, ruft Krys M. dem Tier leicht gereizt zu. Und dann steht da Hans-Josef Bähner, bewaffnet mit einer Pistole der Marke Bernardelli, für die er gar keine Zulassung besitzt. Später wird Bähner sagen, er habe lediglich den Hund rauslassen wollen. Doch da er Stimmen gehört und in der Vergangenheit bereits bedroht worden sei, habe er die Waffe mitgenommen. Die lag griffbereit in seinem Nachtschrank, neben einem Revolver. Bähner hat an dem Abend Alkohol getrunken, Wein und Gin Tonic, aber nicht übermäßig.
„Komm auf mein Grundstück, dann knall ich dich ab“
Laut Anklage ist es 0.05 Uhr, als Bähner den jungen Männern seine Waffe präsentiert. „Verpisst euch“, soll der Senior gerufen haben, laut Urteil fallen auch Begriffe wie „Dreckskanaken“ und „scheiß Ausländer“. Bähner bestreitet das, höchstens „Dreckspack“ habe er gesagt. Der betrunkene Krys M. sieht rot und keift zurück. „Scheiß Nazi, du Hurensohn, du Missgeburt“, schleudert er Bähner entgegen, er steht dem Politiker und Sportschützen an der Gartenmauer jetzt ganz dicht gegenüber. Bähner fuchtelt laut Feststellungen des Gerichts mit der Waffe, will Krys wohl auf den Kopf schlagen. Ein Freund versucht noch den heißspornigen 20-Jährigen wegzuziehen. Dann fällt der Schuss.
Bähner wird später behaupten, er habe lediglich einen Warnschuss in die Luft abgeben wollen, sei aber dann von Krys M. gegen den Arm geschlagen worden, sodass sich der Schuss gelöst habe. Er sei davon ausgegangen, nicht getroffen zu haben. Diese Aussage verwies Richter Ralph Ernst bei der Urteilsverkündigung ins Reich der Märchen. Bähner habe gezielt auf den jungen Mann geschossen, anders sei auch das Gutachten der Rechtsmedizin mit der Beschreibung des Schusskanals nicht zu deuten. Staatsanwalt Sinan Sengöz sagt es noch deutlicher. Bereits zuvor habe Bähner versucht, seinen Kontrahenten „nicht nur ins offene Messer, sondern in die geladene Waffe“ laufen zu lassen und zwar mit den Worten: „Komm auf mein Grundstück, dann knall ich dich ab.“ Bähner habe eine Legitimation gesucht zu schießen. Und es dann am Ende einfach getan, mit Vorsatz.
Polizei umstellt Bähners Bungalow in Porz
Krys M. erleidet einen Durchschuss, die Kugel trifft ihn am Oberarm und tritt im Bereich der Schulter wieder aus. Das Opfer und seine Freunde entfernen sich von Bähners Grundstück, als einem der Männer die blutende Wunde unter der Jacke ihres Kumpels auffällt. Sie verständigen die Polizei, ein Krankenwagen kommt hinzu. Krys M. wird im Klinikum Merheim behandelt. Seine Verletzung ist nicht lebensgefährlich. Er habe großes Glück gehabt, wird der Richter später sagen, denn das Projektil hätte ihn theoretisch auch in den Kopf treffen können. Polizisten umstellen Bähners Haus, eine Beamtin der Leitstelle ruft ihn an, es ist jetzt 0.57 Uhr.
Der Senior habe einen eher gleichgültigen Eindruck gemacht. „Ich muss noch meine Jacke anziehen“, sagt Bähner, als die Polizistin ihn auffordert, seinen Bungalow zu verlassen. „Kommen Sie langsam raus mit erhobenen Händen!“, ruft draußen ein mit dicker Schutzweste und Helm ausgestatteter Polizist, während er eine Waffe in der Hand hält. Das zeigt ein Bodycam-Video. Bähner kommt dem nach, verlässt sein Grundstück durch die Gartentür. „Hände an die Wand“, sagt der Polizist. Bähner gehorcht. „Haben Sie Waffen dabei?“ Bähner verneint. „Haben Sie Waffen im Haus?“ „Ja, im Tresor“, sagt der Sportschütze. Und dann fragt Bähner den Beamten: „Worum geht es?“
Bähner sieht sich bis zuletzt selbst als Opfer
Der Politiker wird abgeführt. Im Streifenwagen behauptet er laut den Beamten, gar nicht geschossen zu haben, jemand muss die Tatwaffe in seinen Garten geworfen haben. Daraufhin werden das Opfer und dessen Freunde nach Schmauchspuren untersucht. Das sei das erste Mal gewesen, dass sie von Opfern zu Tätern gemacht worden seien.
Für Bähner und seinen Anwalt soll das auch so bleiben. Der alte Herr habe sich nur gewehrt, sagt sein Verteidiger Mutlu Günal und nennt das Opfer Krys M. einen „Lügner“ und „Hochstapler“. Sein Anwalt fordert Freispruch wegen Notwehr, bekommt das Gegenteil. Reue oder eine Entschuldigung? Fehlanzeige. Bähner bleibt im gesamten Ermittlungsverfahren auf freiem Fuß. Sollte das Urteil von Montag rechtskräftig werden, dann ist das vorbei. Dann muss der heute 74-Jährige lange ins Gefängnis.