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„Zynisch und entlarvend“Parteien streiten sich im Kölner Stadtrat über Schuld für die Schulplatzkrise

Lesezeit 4 Minuten
Eltern demonstrieren auf dem Alter Markt.

Schon im vergangenen Jahr haben Eltern und Kindern auf dem Alter Markt gegen den eklatanten Schulplatzmangel demonstriert.

Familien können nun auf individuelle Unterstützung hoffen. OB Henriette Reker äußerte sich jedoch nicht zum Kölner Anmeldeverfahren.

Nach massiven Protesten von Kölner Eltern hat sich der Stadtrat in einer Aktuellen Stunde mit der Schulplatzkrise beschäftigt. Die Initiative „Die Abgelehnten“ hatte im Vorfeld zur „politischen Intervention“ aufgerufen und in einem zweiseitigen Papier Politik und Verwaltung schwere Vorwürfe gemacht.

Die Schulverwaltung verweigerte „jede aktive Hilfe bei der Schulplatzsuche“, die Zahlen zu den Anmeldungen würden bewusst zurückgehalten. Die Initiative wandte sich auch konkret an die Oberbürgermeisterin. „Bis heute hat sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker nicht ein einziges Mal öffentlich zu dieser Katastrophe in der von ihr geführten Stadt geäußert“, heißt es in dem Schreiben.

Köln: Eltern verfolgen Diskussion um Schulplatzverfahren im Stadtrat

Einige der Eltern verfolgten die Diskussion im Rat von der Zuschauertribüne aus. Henriette Reker äußerte sich auch in der Aktuellen Stunde nicht zur Schulplatzvergabe. Stattdessen gab Schuldezernent Robert Voigtsberger ein ausführliches Statement ab. „Ich habe größtes Verständnis für die Sorgen von Familien mit schulpflichtigen Kindern, die Tage und Wochen auf ihren Wunschplatz gehofft haben und keine Zusage erhalten haben. Sie können mir glauben, mir geht das sehr nah“, so Voigtsberger.

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Er entschuldigte sich bei allen Familien, die sich im Stich gelassen fühlten und versprach, die Familien individuell zu unterstützen, die noch ohne Platz sind - beispielsweise mit finanzieller Zuwendung für die Beförderung.

Nachhaltige Lösungen generieren wir nur mit der Schaffung neuer Schulplätze.
Robert Voigtsberger, Schuldezernent

Voigtsberger betonte aber auch, was sich in den letzten Jahren bereits getan habe. Die Zahl der Ablehnungen gehe zurück, neun von zehn Kindern bekämen im aktuell laufenden Verfahren einen Platz an ihrer Wunschschule. Zudem kämen die Gymnasien zum ersten Mal seit 15 Jahren ohne Mehrklasse aus.

Alle Bemühungen, das Anmeldeverfahren zu verbessern, könnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur Symptome bekämpft würden: „Nachhaltige Lösungen generieren wir nur mit der Schaffung neuer Schulplätze“, sagte Voigtsberger. Bärbel Hölzing-Clasen (Grüne) machte deutlich, dass die Ratsmitglieder die Protestaktionen der Eltern deutlich wahrnehmen würden. „Wir sehen das und wir verstehen das. Das lässt uns nicht kalt.“

Köln: Neues Verfahren beseitigt nicht die fehlenden Schulplätze

Vor einem Jahr habe man aber noch an einem ganz anderen Punkt gestanden: Damals waren 1000 Kinder ohne Gesamtschulplatz geblieben. „Das neue Anmeldeverfahren hat das Chaos beseitigt. Aber nicht die fehlenden Schulplätze“, so Hölzing-Clasen. „Köln ist gewachsen, aber die nötigen Schulplätze nicht mit. Wir haben als Politik nicht genug Druck gemacht, das müssen wir uns eingestehen.“

Uneinigkeit herrschte bei den Fraktionen hingegen darüber, wer für die Misere beim Schulplatzmangel verantwortlich ist. „Die Wende im Schulbau ist 2016 eingeleitet worden. Die Frage ist doch, wer es vorher verschlafen hat“, sagte Nils Helge Schlieben (CDU) als Seitenhieb auf frühere, von der SPD angeführte Ratsbündnisse.

Oliver Seeck (SPD) erwiderte: „Sie [Grüne und CDU, Anm. d. Red.] sind im achten Jahr Ihres Bündnisses. Die Kinder, die jetzt keinen Grundschulplatz bekommen, sind erst zwei Jahre nach Ihrem Antritt geboren worden. Ihre Selbstzufriedenheit ist zynisch und entlarvend zugleich.“

Es brauche weniger inhaltslose Symbolpolitik und mehr konkretes Handeln. Heiner Kockerbeck (Linke) forderte, dass der Schulbau die Verwaltung als Ganzes durchdringen müsste. „Die Eltern fragen zu Recht: Was tun eigentlich Politik und Verwaltung? Die Elterninitiative „Die Abgelehnten“ hat recht: Frau Reker, machen Sie das Problem zur Chefsache.“

Köln: Zweitwunschanmeldungen hätten nicht funktioniert

Es brauche eine übergreifende Flächenstrategie der Stadt für Schulbauten, der Rat müsse aber auch Gelder bewilligen, damit Container und Modulbauten aufgestellt und weitere Räumlichkeiten angemietet werden könnten. Für Stefanie Ruffen (FDP) ging die Diskussion über den Schulbau am eigentlichen Thema vorbei. „Dass wir hier das Anmeldeverfahren aussparen, das komplett schiefgelaufen ist, verwundert mich“, sagte Ruffen.

Die Zweitwunschanmeldungen hätten nicht funktioniert, die Kinder seien nach Ablehnung ihrer Wunschschule nicht automatisch an die Zweitschule verwiesen worden. Nach drei Monaten wüssten einige Familien noch immer nicht, wie es nach den Sommerferien für sie weitergeht.

„Trotz der Schulplatznot kann ein Anmeldeverfahren auch würdig und zugewandt gestaltet sein. Vielleicht auch gerade deswegen muss es das“, sagte Ruffen. Von Wunschschulen könne so oder so nicht die Rede sein, warf Ratsmitglied Thor Zimmermann (Gut) ein: „Die Eltern wählen taktisch und nicht danach, an welche Schule sie wollen!“ Dafür gab es Applaus von den Eltern auf der Zuschauertribüne.

Die Verwaltung wird sich nun weiter mit der Abwicklung und der Reflektion des diesjährigen Anmeldezyklus beschäftigen. Manuel Jeschka (Volt) konstatierte: „Statt die Aktuelle Stunde zu nutzen, um konstruktive Vorschläge zu machen, wurden hier persönliche Fehden ausgetragen. Die Eltern wissen gar nicht, was passiert. Wir müssen doch an einem Strang ziehen.“


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