Das Ratsbündnis präsentiert sich zur Halbzeit überaus zufrieden. Dennoch sind tiefe Gräben zwischen Grünen und CDU sichtbar.
„Wie eine ganz gut funktionierende WG“Kölner Ratsbündnis zieht positive Halbzeit-Bilanz – ein großes Streitthema bleibt
Fast eine Stunde lang hatte das Kölner Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt auf die ersten zweieinhalb Jahre der Zusammenarbeit zurückgeblickt und Erfolge aufgelistet, bis erstmals das Wort „Verkehrsversuche“ fiel. Auf Nachfrage. „Es gibt Übergangsphasen, in der wir manche Unzumutbarkeit aushalten müssen“, kommentierte die grüne Fraktionschefin Christiane Martin die viel kritisierten Maßnahmen auf Venloer Straße und Deutzer Freiheit. „Ich will die Venloer Straße nicht schönreden, das ist alles nicht gut gelaufen.“
Es sind Sätze, mit denen die Grünen weit auf die CDU zugehen. Die Christdemokraten sind seit Monaten im Inneren schwer genervt von den Experimenten des Verkehrsdezernenten Ascan Egerer, den die Grünen als Verkehrsdezernent besetzt haben. Martins Versuch der Beschwichtigung kommt anschließend etwas hilflos daher. „Es kommt auf der Venloer Straße keiner zu Tode, es ist ein bisschen Chaos.“
Streitthema ist Kölner Ehrenstraße und der Radverkehr
Die übergeordneten Ziele, die Reduzierung des Autoverkehrs und die Umwandlung der Venloer Straße in eine Einbahnstraße, seinen gut, die Verkehrssituation werde dann „hundert Mal besser als vorher“ sein. Dann meldet sich CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz zu Wort. „Was wir kritisieren, ist die Art und Weise der Kommunikation“, man sei „mit Vollkaracho vor die Wand gefahren“. CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau weitet das Thema dann selbst auf die Ehrenstraße aus, auf der zu seinem Unmut weiter Fahrräder fahren dürfen. „Da erwarte ich von der Verwaltung, dass sie so etwas anpasst.“
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Lino Hammer, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, die gegen eine reine Fußgängerzone auf der Ehrenstraße sind, geht darauf nicht ein, schaut bloß etwas irritiert. Und nimmt die Verwaltung bei der Venloer Straße in Schutz: „Die Straßenverkehrsordnung zwingt uns teilweise dazu, es so zu machen, wie wir es machen.“ Am Ende stellt Jennifer Glashagen, Fraktionschefin von Volt, richtigerweise fest: „Es ist fast eine Diskussion.“
Bei einer Pressekonferenz, die die Einheit des Ratsbündnisses präsentieren soll, ist am Ende doch nicht zu übersehen, dass zwischen Grünen und CDU in der Verkehrspolitik tiefe Gräben bestehen, die bei fast jeder Einzelfrage sichtbar werden. Sie sind das Kernproblem eines Zusammenschlusses dreier Parteien, das an anderen Stellen durchaus ähnlich denkt und funktioniert.
Kölner Grüne: Ausbau der Radwege als Erfolg
Und so sagte Martin zu Beginn der Pressekonferenz, das Bündnis sei „eigentlich wie eine ganz gut funktionierende WG“, in der im Übrigen kein Zimmer frei werde, weil niemand ausziehe. Und präsentiert die Strategie zur Kölner Klimaneutralität bis 2035, ein „ambitioniertes, aber machbares Ziel“, als Erfolg. Die Verwaltung arbeitet stringenter denn je daran, die entsprechenden Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Klimafreundliche Finanzierungsmodelle, ein deutlicher Anstieg bei privaten Solaranlagen, eine verbesserte Klimafolgenanpassung: All dies seien Maßnahmen, die schon jetzt einen Unterschied machen. Das Erbbaurecht als „grundsätzliches Vergabeinstrument“ werde zudem helfen, den kommunalen Wohnungsbau voranzutreiben.
Die Grünen schreiben sich die ausgebaute Unterstützung für Wohnungslose, ein städtisches Programm für mehr Akzeptanz für queere Menschen und den geplanten Ausbau von Bahnkapazitäten im Zentrum und Schienen im Süden als Erfolge auf die Fahnen. Auch der Ausbau von Radwegen sei ein Erfolg – wenngleich statt der angepeilten 50 Kilometer nicht einmal zehn pro Jahr geglückt sind.
Bernd Petelkau will mehr Tempo in Kölner Verwaltung
Bernd Petelkau sagte hierzu, dem Bündnis „dauert die Umgestaltungswelle viel zu lange“, man werde sich für mehr Tempo in der Verwaltung einsetzen. Der noch am Samstag als Parteichef Gestürzte ist stolz auf die Sicherheitspolitik des Bündnisses, spricht von einer „guten Zusammenarbeit mit der Polizei“. Bei der Kriminalitätsbekämpfung dürfe man „nicht locker lassen“, teilweise gebe es infolge der aufgehobenen Corona-Beschränkungen wieder Anstiege bei Delikten.
Die Umgestaltung des Neumarkts habe das Bündnis von der Verwaltung „aktiv forcieren lassen“, auch die Ausweitung des Drogenkonsumraums sei ein wichtiger Fortschritt. Der „Masterplan Sauberkeit“, der derzeit entwickelt wird, werde dabei helfen, den Grüngürtel zu schützen und das Müllaufkommen in Köln zu reduzieren. Seine Fraktion verbuchte als weitere Erfolge das überarbeitete Schulbauprogramm, das zu deutlichen Verbesserungen führen werde, die Fortschritte in der Parkstadt Süd und das erarbeitete Höhenkonzept, das für planerische Klarheit sorgen werde.
Unterstützung für Geflüchtete aus der Ukraine in Köln
Jennifer Glashagen berichtete stolz von der Unterstützung, die Köln den geflüchteten Menschen aus der Ukraine hat zukommen lassen. „Wir mussten schnell handeln und haben es geschafft, Menschen aus der Ukraine schnell unterzubringen. Für diese Menschen waren die Folgen im ersten Schritt abgemildert.“ Nun setze sich das Bündnis gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) dafür ein, dass Menschen, die vom Erdbeben in der Türkei und in Syrien betroffen sind, „sichere Zufluchtsorte finden.“
Sie unterstrich auch die Bedeutung der „Bürgerräte“, einem Volt-Projekt, das in diesem Jahr in Köln starten soll. Volt freut sich zudem über Fortschritte in der kommunalen Wärmeplanung und beim Breitbandausbau, an denen man jeweils mitgearbeitet hat.
Verkehrspolitik bleibt Streitpunkt im Kölner Ratsbündnis
Die Verkehrspolitik wird auch in der nun anbrechenden zweiten Halbzeit des Bündnisses der entscheidende Streitpunkt bleiben. Die vielen Ja-Nein-Entscheidungen im öffentlichen Raum, bei denen Kompromisse kaum möglich sind, führen zu kleinteiligen Diskussionen, die für die Parteibasis von Grünen und CDU von großer Bedeutung sind. Kleine Themen haben hier das Potenzial, große Konflikte entstehen zu lassen.
Sollte doch jemand aus der von Christiane Martin beschworenen Wohngemeinschaft ausziehen wollen, wird der Grund wohl das Verkehrsthema sein. Denn jenseits davon funktioniert die Zusammenarbeit trotz der Unterschiedlichkeit der drei Partner durchaus: Die vorgetragene Zufriedenheit ist nicht nur gespielt.