Die „Lebensrechtsbewegung“ will am Samstag erneut in Köln demonstrieren. Das gefällt den meisten Parteien in der Stadt nicht.
„Marsch für das Leben“„Paradebeispiel für Doppelmoral“ – Kölner Politiker kritisieren Abtreibungsgegner-Demo
„Für dieses Engagement, das bei vielen einem explizit christlichen Bekenntnis entspringt, bin ich Ihnen allen von Herzen dankbar.“ Mit dieser Botschaft richtete sich Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki in einem Grußwort im vergangenen Jahr an die Teilnehmenden des „Marsch für das Leben“. Ähnlich wie im Jahr davor.
Die Demonstration der „Lebensrechtsbewegung“, die Samstag (21. September) vor allem gegen Schwangerschaftsabbrüche in Berlin und zum zweiten Mal in Köln auf die Straße geht, wird Woelki jedoch nicht schriftlich grüßen. Das teilte das Erzbistum dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Nachfrage mit – allerdings ohne eine konkrete Begründung zu nennen.
Obwohl Woelki erst am 20. April einer „Fachtagung“ des Bundesverbands Lebensrecht, dem Organisator des „Marsch für das Leben“, im Kölner Maternushaus beiwohnte.
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Kölner Politikerinnen kritisieren Demo der Lebensrechtsbewegung
Als Umkehr beim Thema Schwangerschaftsabbrüche ist die Entscheidung von Kölns Erzbischof aber sicherlich nicht zu verstehen. Sie stehe, wie das Erzbistum erklärt, „an der Seite der Schwachen“ und schütze das „ungeborene Leben“. Vermutlich dürften die Vorwürfe gegenüber der Lebensrechtsbewegung eine Rolle gespielt haben.
Einerseits werden die streitbaren Positionen kritisch gesehen, die sie vertreten. Aber vor allem die Tatsache, dass sich beim „Marsch für das Leben“, wie auch im vergangenen Jahr in Köln, radikale Abtreibungsgegner, fundamentalistische Christen und rechte bis rechtsextreme Gruppen versammeln. Kritik, die auch ein Großteil der Kölner Kommunalpolitik teilt.
„Wer mit Ultrakonservativen, christlichen Fundamentalisten und Rechtsextremen den Schulterschluss auf einer Demonstration sucht, sollte darüber nachdenken, seinen Wertekompass neu auszurichten“, sagt etwa Christina Dumstorff, gleichstellungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Die Bewegung wolle laut Karina Syndicus von der Ratsgruppe „Klima Freunde & Gut“ nichts anderes, „als die Rechte der Frauen zu untergraben und ihnen eigene Entscheidungen abzuerkennen“.
Auch die Volt-Vorsitzende Andrea Browers sieht das so, die Werte der „Lebensrechtsbewegung“ würden einer „patriarchalen und paternalistischen Haltung gegenüber Frauen“ entspringen. Für Judit Geczi, Vorständin von Die Partei, ist der Marsch ein „Paradebeispiel für Doppelmoral“, da er den Schutz von ungeborenen Leben fordert, „während er die Lebensrealitäten von bereits geborenen Menschen ignoriert“.
SPD und Grüne rufen zu Gegenprotest in Köln auf
Ähnlich äußert sich Monika Möller von der SPD-Fraktion. Die Sozialdemokraten kämpfen für die „Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Freiheit von Frauen, über ihren Körper selbst zu bestimmen“. Daher rufen sie auch zum Gegenprotest auf. Der wird in Köln vom Bündnis Pro Choice organisiert, einem Zusammenschluss aus feministischen und antifaschistischen Gruppen.
Unterstützung gibt es ebenfalls vom Bündnis 90/Die Grünen. Die „Lebensrechtler“ nähmen Leid und sogar den Tod von Frauen in Kauf, sagt Lisa-Marie Friede, frauenpolitische Sprecherin des Kölner Parteivorstands. „Sie ignorieren die Tatsache, dass ungewollte Schwangerschaften Frauen in verzweifelte und gefährliche Situationen bringen.“
Keine Unterstützung von Kölns CDU-Chef
Im vergangenen Jahr wurde der „Marsch für das Leben“ noch auf der Webseite der Kölner CDU beworben, deren Fraktion gemeinsam mit den Grünen und Volt im Stadtrat das Mehrheitsbündnis (50 von 90 Stimmen) bildet. Parteichef Karl Mandl nannte den Marsch damals eine „Demo mit einem berechtigten Anliegen“, an der sich vorstellen könne teilzunehmen. Dafür erntete er Kritik, auch aus der eigenen Partei.
In diesem Jahr gibt es keine Ankündigung, da es „keine Veranstaltung der CDU Köln“ sei, wie ein Sprecher erklärt. Mandl äußerte sich nicht erneut (öffentlich) zu der Demonstration, betonte jedoch auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass die CDU „die Partei für das Leben“ sei und das Leid betroffener Frauen berücksichtige. Die aktuelle Beratungspflicht bei Schwangerschaftsabbrüchen nannte er einen gelungenen Kompromiss.
Von der Kölner AfD gibt es derweil konkreten Zuspruch. „Ich persönlich begrüße das Engagement für das ungeborene Leben“, sagt Christer Cremer von der AfD-Ratsfraktion. Der Marsch trete „nur für Artikel 1 des Grundgesetzes ein“. Daher solle die Polizei die Demonstration am Samstag besser schützen und die Rechte der Teilnehmenden durchsetzen – weil der Gegenprotest den „Marsch für das Leben“ vergangenes Jahr blockierte, kam dieser in Köln nicht weit.