Köln – Die Sorge, wie die medizinische Grundversorgung im Stadtbezirk Mülheim nach einer eventuellen Schließung des Krankenhauses Holweide aussieht, treibt seit Jahren die Menschen im Rechtsrheinischen um. Die zentralen Fragen lauten: Bleibt das Krankenhaus? Wenn ja, wird neu gebaut? Oder saniert? Wenn nein, was kommt dann? Wie entwickelt sich die stationäre Versorgung im Rechtsrheinischen? Wie wird die Notfallversorgung geregelt? Es gibt eine Online-Petition für den Erhalt des Krankenhauses. Antworten zur Zukunft der Klinik wünschen sich unter anderem Vertreter des Gesprächsforums „Der Runde Tisch Holweide“ und des „Solidaritätskomitees gegen die Krankenhausschließung“, in dem sich Mitarbeitende der Klinik engagieren.
Das Krankenhaus Holweide besteht seit fast 50 Jahren. Wie geht es weiter?
Die Situation rund um das Krankenhaus Holweide ist klarer, als es scheinen mag. Wichtig ist: Das Haus kann nicht isoliert betrachtet werden. Holweide gehört zu den Kliniken der Stadt Köln, die seit Jahren wirtschaftlich stark unter Druck sind und mit einem enormen Defizit kämpfen. Die Geschäftsleitung der Kliniken ist verpflichtet, die Voraussetzungen zu schaffen, um wieder ausgeglichene Ergebnisse erzielen zu können. Dieser Sanierungsprozess hat begonnen. Es gibt den Beschluss des Aufsichtsrates der städtischen Kliniken, eine so genannte „2+1“-Lösung anzustreben. Damit ist der Erhalt und Ausbau des Klinikums Merheim und des Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße gemeint. Holweide könnte ein Versorgungszentrum werden.
Das Votum wurde vor zwei Jahren getroffen. Was ist seither geschehen?
Dazu äußerte sich auf eine aktuelle Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Prof. Horst Kierdorf, Klinischer Direktor der Kliniken Köln: „Im Herbst 2019 wurden durch ein neues Medizin- und Standortkonzept entscheidende Weichen für die Zukunft der Kliniken Köln gestellt. Bei der Medizinstrategie steht die Bildung medizinischer Zentren im Mittelpunkt. Die ersten drei Zentren haben in diesem Jahr die Arbeit aufgenommen und arbeiten teilweise standortübergreifend.
Die Strategie sieht aber vor, das Leistungsangebot für Erwachsene mittelfristig in Merheim zu konzentrieren. Holweide soll weiterhin als Gesundheitsstandort der Kliniken Köln Bestand haben. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die organisatorisch zum Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße gehört, wird in Holweide bleiben. Im Bereich der Erwachsenenmedizin werden zurzeit verschiedene Möglichkeiten medizinischer Leistungen am Standort Holweide intensiv geprüft. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.“
Warum ist das ganze Verfahren so zäh?
Dreh- und Angelpunkt ist der geplante Klinikverbund zwischen den städtischen Kliniken und dem Universitätsklinikum Köln. Darin liegt nach Meinung vieler Experten, auch in den Reihen der städtischen Kliniken, eine große Chance, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Das Problem: Es ist eine Hängepartie, die bereits seit über drei Jahren nicht zum Ende kommt. Die Geschäftsleitung der Kliniken kann das existenziell wichtige Thema selber nicht final lösen. Die Entscheidung, auch über den Medizinstandort Holweide, liegt bei der Gesellschafterin, der Stadt Köln. Der Stadtrat hat sich für den Verbund ausgesprochen. Es gibt eine positive Machbarkeitsstudie.
Was sagt der Aufsichtsrat der Kliniken?
Ralf Unna ist seit Februar Vorsitzender des Aufsichtsrates. Der Tierarzt unterstreicht, dass an dem Beschluss vom Herbst 2019 nicht gerüttelt werden soll. Der „2+1“-Plan – mit Merheim und der Kinderklinik als zwei Krankenhäusern der Maximalversorgung und einem medizinischen Standort in Holweide – stehe. Die Ausgestaltung müsse sich nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten richten. Die nächste Sitzung des Aufsichtsrates ist am 29. Oktober. Die Position seiner Partei machte Grünen-Politiker Ralf Unna, der auch Vorsitzender des städtischen Gesundheitsausschusses ist, vorab deutlich. Demnach soll in Holweide ein MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) mit zehn Fachrichtungen entstehen.
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„Ganz wichtig ist die Einrichtung einer Notfallpraxis im 24/7-Betrieb. Sie muss also durchgängig besetzt und erreichbar sein.“ Kierdorf versichert, „dass wir auf gar keinen Fall Leistungen abbauen wollen, sondern diese in Merheim konzentrieren. Sowohl der Stadt als auch uns ist es wichtig, dass eine gute Versorgung – auch für Notfälle – im rechtsrheinischen Köln erhalten bleibt. Dies werden wir bei allen Entscheidungen berücksichtigen.“
Was bedeutet das für die stationäre Versorgung im Rechtsrheinischen?
Sollte in Holweide ein MVZ entstehen, würde der Schwerpunkt dort auf der ambulanten Versorgung der Patienten liegen. Im Stadtbezirk Mülheim gäbe es kein Krankenhaus im klassischen Sinn mit festen Stationen und medizinischen Betten mehr. Derzeit gibt es neben Holweide im Rechtsrheinischen folgende Krankenhäuser mit Bettenstationen: Eduardus-Krankenhaus in Deutz, Evangelisches Krankenhaus in Kalk, Klinikum Merheim, Krankenhaus Porz am Rhein und das Alexianer Krankenhaus in Porz als Fachklinik für psychisch kranke Erwachsene. Wichtige Anlaufstellen für Patienten aus den rechtsrheinischen Stadtteilen sind unter anderem das Rheinlandklinikum in Dormagen, das Klinikum Leverkusen und das Evangelische Krankenhaus Bergisch Gladbach.
Wie sieht der Betrieb im Krankenhaus Holweide aktuell aus?
Nach Auskunft der Unternehmenskommunikation der Kliniken sind zurzeit in Holweide 14 Stationen in Betrieb. Die Belegung orientiert sich an der Zahl der vorhandenen Pflegekräfte. Die Situation ändert sich mitunter täglich. Mehr als 100 Betten können aufgrund des Personalmangels, der alle Klinken bundesweit trifft, dauerhaft nicht belegt werden. Zwei Stationen können aufgrund des baulichen Zustandes nicht mehr in Betrieb genommen werden. Holweide habe, so Ralf Unna, im Moment eine Auslastung von 56 Prozent.
Welche Schritte des neuen Medizinkonzeptes sind umgesetzt?
Seit dem 1. Oktober wird die unfallchirurgische Versorgung von Erwachsenen komplett in der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie im Krankenhaus Merheim angeboten. Es ist eine der für diesen Bereich größten Kliniken in Nordrhein-Westfalen. Das Zentrum für interdisziplinäre Viszeralmedizin (ZIV) ist das erste von zehn geplanten Zentren, das die Arbeit aufgenommen hat.
Direktor Horst Kierdorf sieht darin große Vorteile für Patienten und Pflegekräfte. „Das Zentrumskonzept ist für die Pflegekräfte ein Meilenstein. Sie steuern den Patienten wie Lotsen durch den Behandlungsprozess und sind eine feste Größe während des stationären Aufenthaltes. Die Pflegekräfte bilden eine Konstante für die Patientinnen und Patienten, während die behandelnden Ärzte wechseln können.“
Sanierung oder Neubau des Klinikgebäudes?
Derzeit mag es niemand offen aussprechen, aber die Stimmen mehren sich, die einen Abriss und Neubau favorisieren. Bereits vor zwei Jahren wurden dafür mehr als 200 Millionen Euro veranschlagt. Das scheint aber langfristig wirtschaftlicher zu sein als eine Kernsanierung, die ebenfalls mit einem dreistelligen Millionenbetrag zu Buche schlagen würde. Das Krankenhaus besteht seit 1972.
Zu dem Komplex gehören neben der Klinik und deren Anbauten wie Intensivstation und OP-Trakt, die Zentralverwaltung, Wirtschaftsgebäude und Personalwohnhäuser. Das Krankenhaus hat zwölf Geschosse (inklusive zwei im Untergeschoss) und verfügt über eine Bruttogeschossfläche von 38.000 Quadratmetern. Alle bebauten und unbebauten Liegenschaften an allen drei Klinikstandorten gehören der Kliniken der Stadt Köln gGmbH.