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„Jedes Augenmaß verloren“Stadt setzt Kontrollen in der Kölner Außengastronomie aus

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Kölner Ordnungsamt bei Außendienst im Belgischen Viertel (Symbol)

Köln – Das Ordnungsamt der Stadt Köln geht bisweilen hart gegen die Gestaltung der Außengastronomie vor. Zahlreiche Wirtinnen und Wirte hadern damit, dass die Kontrolleure Stehtische und Blumenkübel oder zu viele Stühle und zu bunte Tische im Außenbereich anmahnen. Mitunter ist von „Willkür“ die Rede, weil die Regeln im Gestaltungshandbuch nicht eindeutig seien.

Nun soll ein gemeinsames Gremium mit Gastronomietreibenden und der Verwaltung die Wogen glätten, so hat es der Stadtrat nun beschlossen. Bis dieser Kreis seine Arbeit aufnimmt, sollen die entsprechenden Regeln des Gestaltungshandbuchs, in dem das Erscheinungsbild für das Mobiliar im öffentlichen Raum festgeschrieben ist, vorerst ausgesetzt werden. Und deren Kontrollen ebenso.

Kölner Stadtrat: Kontrollen des Außenmobiliars werden ausgesetzt

Bis kommenden Sommer sollen die Außengastronomien weitgehend vom Ordnungsamt unbehelligt bleiben, fordert der Stadtrat auf Antrag des Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt, sowie SPD und FDP. Stattdessen setzt das Gremium auf Eigenverantwortung.

„Der Grundsatz der qualitätsvollen Gestaltung des Mobiliars auf öffentlichen Flächen gilt auch im Sommer 2022 als Appell an die Gastronomiebetreibenden fort“, heißt es in dem Antrag. Voraussetzung ist, dass die Bestandteile der Außengastronomie wie Stühle, Tische, kleine Umfriedungen oder Sonnenschirme nicht Fußgängerinnen und Fußgängern oder Menschen mit Behinderung im Weg stehen.

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Neues Gremium erarbeitet bis 2023 Regeln für Gestaltungshandbuch

Neue Regeln für die Außengastronomie soll es dennoch geben – jedoch erst in der Zukunft. Der „Konsultationskreis“ mit Frauen und Männern aus Verwaltung, Politik, Behindertenvertretungen und der Gastronomieverbände sollen „bis zu Beginn der Außengastronomiesaison 2023“ für das Gestaltungshandbuch „tragfähige Regelungen“ erarbeiten. „Erst nach Beschlussfassung dazu werden wieder Kontrollen zur Einhaltung dieser Regelungen durchgeführt“, heißt es weiter.

Kölner Gastronomen mit Pandemie zu kämpfen

„Seit 2020 sehen sich die Gastronomietreibenden aufgrund der Pandemie neuen Herausforderungen gegenüber und die Erweiterungen der Gaststätten auf öffentliches Straßenland dienen in nicht unerheblichem Maße dem Gesundheitsschutz von Gästen und Personal“, argumentieren die Parteien. Deshalb bräuchten Wirtinnen und Wirten auch in diesem Sommer Planungssicherheit.

Zudem drohe spätestens im kommenden Herbst eine neue Corona-Welle mit möglicherweise wieder Einschränkungen für die Gastronomie. Aus diese Gründen „müssen die Regelungen ausgesetzt werden, bis eine für alle Seiten klare, nachvollziehbare und einhaltbare Regelung besteht“, heißt es weiter.

Öffentlicher Raum soll nicht Spielball werden

Regeln für die Außengastronomie müsse es selbstverständlich geben, jedoch dürfe „der öffentliche Raum nicht zum Spielball werden“, mahnte Derya Karadag (Grüne). „Liebevoll gestaltete“ Angebote im Straßenraum „dürfen nicht am Regelwerk scheitern“, sagte sie.

SPD-Fraktionschef Christian Joisten nutzte schärfere Formulierungen. Die Verwaltung habe bei den Kontrollen „jedes Augenmaß verloren.“ Auf der Deutzer Freiheit stelle die Stadt selbst kunterbunte Sitzmöbel auf und mache damit das, was sie Gastronomietreibenden verböten. „Die Willkür muss ein Ende haben“, polterte Joisten, denn Wirtinnen und Wirte fühlten sich schon lange vom Ordnungsamt „drangsaliert.“

Kölner Stadtdirektorin Blome wehrt sich gegen Vorwürfe

Das wollte Stadtdirektorin Andrea Blome, in deren Ressort das Ordnungsamt fällt, so nicht stehen lassen. „Ich verwehre mich aufs Schärfste dagegen“, dass Mitarbeitende der Stadt Gastronomie drangsalierten. Wenn zum Beispiel Rettungswege von Blumenkübeln oder Tischen versperrt seien, „dann geht das eben nicht.“

CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau sagte, dass sich nur wenige Wirte beschwert hätten, diese seien nur besonders laut gewesen. „Tausende Gastronomen“ seien mit dem Kontrollwesen des Ordnungsamts „sehr zufrieden.“ Außengastronomie habe sich während der Corona-Pandemie „radikal verändert“. Es finde viel mehr im Freien statt, etwa durch die Nutzung von Parkplätzen durch Restaurants und Kneipen. Deshalb sei es nun nötig, die bestehenden Regeln zu überarbeiten.

Reaktionen weiterer Kölner Politiker zur Außengastro-Debatte

Güldan Tokyürek (Linke) bemerkte, dass Entlastungen für die während der Pandemie stark in Mitleidenschaft gezogene Branche nötig seien. Ein erneuter Erlass der Gebühren für Außengastronomie, wie ihn die Linke einbrachte, habe das Ratsbündnis aber abgelehnt. Einen einjährigen Freibrief für die Außengastronomie halte sie indes für den falschen Ansatz, das mit ihr ein kommerzielles Angebot öffentlichen Raum beanspruche.

Deshalb müsse die Verwaltung dafür sorgen, dass das Mobiliar „aufs Nötigste“ beschränkt sei und etwa auf nicht nötige Dekorationen verzichtet werde. Volker Görzel (FDP) hielt den von Joisten geäußerten Vorwurf der Drangsalierung durch das Ordnungsamts für überzogen. Er sei „in der Aufgeheiztheit der Situation“ entstanden. Dennoch appellierte er, dass das Ordnungsamt „mit Fingerspitzengefühl“ vorgehen müsse.

Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke fasste es so zusammen: „Mit dem Beschluss kehrt wieder etwas Frieden in der Stadt ein.“