Die Stadt hätte die Politik wohl frühzeitig in die Entscheidung zum Verkehrsversuch auf der Trankgasse einbinden können. Warum tat sie es nicht?
Verkehrsversuch am Kölner DomHat Verkehrsdezernent Egerer den politischen Beschluss zur Trankgasse umgangen?
Der Kölner Verkehrsdezernent Ascan Egerer hat die Umsetzung eines politischen Beschlusses zur Umgestaltung des Bereichs um den Kölner Dom womöglich bewusst umgangen. Der Verkehrsausschuss des Stadtrates hatte Egerer im Mai 2022 mit der Neugstaltung des Bereichs um die Trankgasse in der nördlichen Domumgebung beauftragt. Parallel dazu sollte es einen Verkehrsversuch geben.
In dem damaligen Beschluss hieß es ausdrücklich, die Umsetzung des Verkehrsversuchs solle „während“ der Bauarbeiten stattfinden. Dann mussten diese verschoben werden, den Verkehrsversuch ließ Egerer trotzdem sofort stattfinden. Eine politische Mehrheit für dieses Vorgehen wäre alles andere als sicher gewesen.
Seit Jahren arbeitet die Stadt in kleinen Schritten an der Modernisierung des Domsockels, des Bereichs um das Wahrzeichen der Stadt. In dem Beschluss ging es darum, die Außenmauer des Domsockels an der Trankgasse gegenüber des Excelsior Hotel Ernst neu zu gestalten, gleichzeitig soll eine neue Rampe zur Domplatte gebaut werden.
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Kölner Trankgasse: Umbau abgesagt, Verkehrsversuch weiter geplant
Währenddessen, so der Beschluss, sollte ein Verkehrsversuch an der Trankgasse laufen. Und dieser, inzwischen umgesetzt, beinhaltet die Umgestaltung der Trankgasse zu einer Fahrradstraße. Nach dem Beschluss im Frühsommer 2022 lief ein Vergabeverfahren für die Neugestaltung des Domsockels. Bei der Vergabe gab es allerdings Probleme, der Zeitplan schien nicht zu halten.
Mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft 2024 mit fünf Spielen in Köln, während der eine weitere größere Baustelle am Dom vermieden werden sollte, hat die Stadt einem Unternehmen nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am 19. Dezember 2022 eine Absage erteilt – zwei Tage vor Ende der Frist.
Und der Verkehrsversuch? Hier lief die Suche nach Unternehmen trotzdem weiter. Das Angebot der Firma, die letztlich den Zuschlag bekommen hat, ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am 10. Januar eingegangen – ein Tag vor Ende der Ausschreibungsfrist. Die finale Zusage der Stadt folgte demnach am 22. Februar. Mehr als zwei Monate lagen also zwischen der finalen Entscheidung, den Domsockel-Umbau zu verschieben und der Zusage für das Bauunternehmen, das sich um die neue Markierung und Beschilderung kümmern sollte. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist der zeitliche Ablauf in städtischen Akten hinterlegt.
Hätte Egerers Vorgehen eine Mehrheit im Kölner Stadtrat gefunden?
Im April 2023 stellte das Verkehrsdezernat den Stadtrat dann vor vollendete Tatsachen. In einem Schreiben begründet die Verwaltung ihr Vorgehen. Unter anderem heißt es darin: „Darüber hinaus führt eine Nichtdurchführung des Auftrages in Höhe von 230.180,46 Euro brutto zum Anspruch der betroffenen Baufirmen auf Schadenersatz. Aus diesem Grund hält die Verwaltung an der Umsetzung der verkehrlichen Zwischenlösung fest.“
Nach der Zusage an das Unternehmen ist ein Anspruch auf Schadensersatz entstanden, mit dem die Stadt ihr Vorgehen im Nachhinein begründet. Die Frage, die hinter den Kulissen in Reihen der Kölner Politik längst gestellt wird: Warum hat Egerer den Verkehrsausschuss nicht über das neue Vorgehen entscheiden lassen?
Am 17. Mai 2022 beschließt der Verkehrsausschuss des Stadtrates einen Verkehrsversuch an der Trankgasse. Dieser soll während der geplanten Baumaßnahmen stattfinden. Der vorgesehene Zeitraum: Herbst 2022 bis Sommer 2024.
Am 19. Dezember 2022 erteilt die Stadt dem Unternehmen, das die Baumaßnahmen hätte übernehmen können, eine Absage. Der Hintergrund: Es gibt vergaberechtliche Probleme beim Umbau des nördlichen Dombereichs, die Maßnahme würde nun in den EM-Zeitraum fallen. Die Baumaßnahme vor der EM ist vom Tisch.
Das Angebot für die Umsetzung der Verkehrsmaßnahmen, das letztlich angenommen wird, geht bei der Stadt am 10. Januar 2023 ein.
Die Stadt erteilt dem Unternehmen für den Verkehrsversuch am 22. Februar 2023 eine Zusage. Es entstehen Schadensersatzansprüche.
Am 4. April 2023 informiert die Stadt den Verkehrsausschuss schriftlich über die neuen Entwicklungen. Die verkehrlichen Maßnahmen an der Trankgasse werde man vor dem Bau durchführen – unter anderem wegen der Schadensersatzansprüche.
Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat sich im Verkehrsausschuss im vergangenen Jahr als zunehmend unzuverlässig erwiesen, immer wieder bildet die CDU in einzelnen Abstimmungen zugunsten des Autoverkehrs eine Mehrheit mit SPD und FDP. Die Verkehrsversuche stehen spätestens seit dem Start der Tempo-20-Zone auf der Venloer Straße im vergangenen Jahr im Zentrum der Kritik. Dass die CDU den isolierten Versuch auf der Trankgasse vor der Europameisterschaft verhindert hätte, scheint durchaus denkbar.
Kölner Verkehrsdezernent Egerer: Bislang keine Antworten
Welches Konfliktpotenzial in der Entscheidung hätte liegen können, zeigten auch die Diskussionen, die infolge der neuen Verkehrsordnung seit Ende April auf der Trankgasse entstanden sind. Georg Plesser, Chef des Excelsior Hotel und Louwrens Langevoort, Intendant der Philharmonie, sprachen jeweils von „geschäftsschädigenden“ Maßnahmen. Die Erreichbarkeit sei jeweils massiv eingeschränkt. Es folgte die Forderung von CDU-Parteichef Karl Mandl, den Versuch abzubrechen. Anschließend stimmten sich Stadt und Politik vor Ort ab, die Stadt setzte kleinere Veränderungen zugunsten des Autoverkehrs um.
Die Frage, warum kein Beschluss des Verkehrsausschusses zur neuen Reihenfolge eingeholt worden war, ließ die Stadt bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Das gilt auch für neun weitere Fragen, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ der Stadtverwaltung am Sonntagnachmittag zur Situation an der Trankgasse übermittelt hatte.
Egerer teilte am frühen Montagabend mit, sein Dezernat habe die Anfrage am Montagmorgen erhalten. „Eine so komplexe, zehn Fragen umfassende Anfrage, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ uns so kurzfristig zugesandt hat, kann innerhalb dieser kurzen Frist von wenigen Stunden nicht seriös beantwortet werden, zumal zur Beantwortung weitere Dezernate und Ämter hinzugezogen werden müssen“, sagte er.