Innenstadt – Man muss schon genau hinsehen, um die stadtgeschichtliche Spur zu entdecken, die man hier nicht vermutet. Gleich unter dem Bruchstück eines antiken Steinsarges und neben dem Überbleibsel einer römischen Säule befindet sich ein Stück Stein im Stahlregal, das eigentlich nicht hier hin passt. Das Bruchstück mit der Nummer 32 ist nämlich rund 2000 Jahre jünger als die anderen Steine an der Außenmauer des Römisch-Germanischen Museums gegenüber der Dombauhütte.
Tausende gehen hier täglich auf dem Weg ins Museum Ludwig, zum Rheinufer oder zur Hohenzollernbrücke vorbei. Überreste aus der Römerzeit gibt es so viele, das man sie kaum als etwas besonders wahrnimmt. Unten rechts am – vom Roncalliplatz aus gesehen – hinteren Ausstellungsregal befindet sich ein Stück aus der Fassade der Josef-Haubrich-Kunsthalle, die im August 2002 abgerissen wurde – neben der Erinnerung an viele kulturelle Ereignisse und Kunst-Ausstellungen das einzige Zeugnis der 35-jährigen Geschichte des für Köln einst so wichtigen Gebäudes.
Das Haus am Neumarkt mit der markanten Fassade des Künstlers Ernst Wille wurde nicht nur dem Erdboden gleichgemacht, es wurde auch kein Ersatz geschaffen.
Mit dem Abriss verbindet sich die Erinnerung an das „Kölner Loch“, das jahrelang mitten in der Innenstadt klaffte. Die stillgelegte Baugrube wurde Anfang des Jahrtausends zum Symbol für städtisches Planungschaos, Finanznot und kulturpolitisches Desinteresse.
Als Politik und Verwaltung den Abriss der Kunsthalle beschlossen hatten, war man noch davon ausgegangen, dass ein moderner Ersatz in das neue Kulturzentrum am Neumarkt integriert wird. Die Abschiedsparty für die alte Kunsthalle mit Walter Dahn, Arno Steffen sowie Musikern von Kraftwerk oder den Einstürzenden Neubauten hatte den täuschenden Titel „Ende neu“.
Im geplanten Kulturzentrum sollten eben nicht nur das Rautenstrauch-Joest-Museum, das Schnütgen-Museum und die Volkshochschule neue Räume bekommen. Doch die Kunsthalle wurde im Laufe der nächsten Jahre aus den Planungen gestrichen.
„Guerilla-Aktion“ sorgte für Erinnerungsstücke
Proteste gegen den Abriss
Die verschwundene städtische Kunstinstitution mit einer 2000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche hatte sich als „Schaufenster der städtischen Museen“ verstanden. Sie stand auch für glorreiche Jahre, in denen Köln als Kunstmetropole immer wieder für Aufsehen sorgen konnte. Dieser Glanz war in den 1990er Jahren zunehmend verblasst. Trotzdem gab es Proteste gegen den Abriss der Halle, die den Namen des 1961 gestorbenen Kunstsammlers und SPD-Kulturpolitikers Josef Haubrich bekommen hatte.
Beim (recht späten) Protest der Kritiker – angeführt von namhaften Künstlern wie Rosemarie Trockel, Gerhard Richter und Sigmar Polke sowie dem Schauspieler Udo Kier oder dem damaligen Leiter des Museums Ludwig, Kaspar König – ging es vor allem um den Erhalt eines Denkmals der Kölner 60er-Jahre-Architektur mit städtebaulicher Bedeutung.
Wäre schon damals klar gewesen, dass es keinen Ersatz für die Halle geben würde, hätte der Widerstand sicherlich mehr Zulauf und vor allem mehr Gewicht bekommen.
Baggerfahrer besorgte fünf Steine
Auch der Künstler Norbert Arns und die Architektin Verena Kluth gehörten zu den Aktiven, die nach dem Abriss mit Aktionen auf die desolate kulturpolitische Lage rund um das „Kölner Loch“ am Neumarkt aufmerksam machten. In einer „Guerilla-Aktion“ im Mai 2003 platzierten sie ein Stück aus der Kunsthallen-Fassade als Zeugnis untergegangener Stadtbau-Architektur und als kleines Mahnmal für kluge Kulturpolitik in dem Außenregal des Römisch-Germanischen Museums.
Weihnachten 2012 wurde der Stein unter ungeklärten Umständen gestohlen. Das „Stifterpaar“ konnte Ersatz schaffen. Arns hatte nämlich einen am Abriss beteiligten Baggerfahrer überredet, ihm fünf Fassadenstücke zu überlassen. Das Museum nahm die Schenkung auch diesmal dankend an.