Mit mehreren hundert Millionen Euro will die Stadt Köln ihre Kliniken retten – was heißt das für die Mitarbeiter?
„Wird ein sehr steiniger Weg“Radikale Lösung soll in Kölner Klinikkrise die Wende bringen
Nach dem Um- und Neubau für geplante 590 Millionen Euro sollen die städtischen Kliniken am einzigen Standort Merheim im Jahr 2031 noch rund 2,5 Millionen Euro Jahresverlust vor Steuern machen – statt 90 Millionen Euro in diesem Jahr. Stimmt der Stadtrat am 16. Mai für das 1+0-Modell und die Konzentration in Merheim, kann das rund 820 Millionen Euro kosten. Weil bis dahin weitere Hunderte Millionen Euro nötig sind, um den Betrieb zu sichern. Die Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist unter den städtischen Kliniken zu verstehen?
Die 1805 gegründeten Kliniken gehören der Stadt. 4500 Menschen arbeiten an den drei Standorten in Holweide, Merheim und dem Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße in Riehl. Es handelt sich um 22 Kliniken und zwei medizinisch-operative Zentren mit 1400 Betten. Der Umsatz betrug 2021 insgesamt 377,8 Millionen Euro bei 48.000 Patienten.
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Warum soll sich bei den Kliniken etwas verändern?
Weil sie seit Jahren sehr viel Verlust machen – von 2011 bis 2021 waren es 296,6 Millionen Euro. Wenn die Stadt den Kliniken kein Geld zur Verfügung stellen würden, könnten sie längst den Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten. Mehrfach wurde die Geschäftsführung ausgetauscht – doch die Ergebnisse wurden weiter immer schlechter. Deshalb hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) die Verantwortlichen aufgefordert, ein Konzept zu entwerfen, um die Verluste dauerhaft auf höchstens zehn Millionen Euro jährlich zu drücken.
Welches neues Konzept will die Geschäftsführung?
Sie will die Standorte an der Amsterdamer Straße und in Holweide aufgeben und nach Merheim verlagern, dort sollen die Leistungen vereint werden im „Gesundheitscampus Merheim“. Für diesen Campus braucht es neue Gebäude.
Was soll das neue 1+0-Modell verbessern und bringen?
Die Kliniken teilten mit: „Das vorhandene Personal muss nicht in Doppelstrukturen denken und handeln, sondern kann sich ganz auf die Patientinnen und Patienten konzentrieren. Ebenso können hierdurch die Klinikstrukturen und auch die Dienstmodelle optimiert werden.“ Generell gilt: Stadt und Politik wollen lieber sehr viel Geld in eine möglichst bessere Zukunft investieren, als einen Betrieb zu finanzieren, der Millionen Euro verbrennt, ohne dass Besserung in Sicht ist.
Was sagt der Betriebsrat zu den Plänen?
Die Vorsitzende Heike Wolf sagte: „Wir wollen, dass alle Beschäftigten weiter in Lohn und Brot stehen und wir sind gegen eine Privatisierung. Es ist gut, dass jetzt sich jetzt überhaupt mal etwas tut.“ Laut einer Analyse könnten 357 der 3353 Vollzeitstellen bis 2031 wegfallen, laut Kliniken soll das „nach Möglichkeit durch natürliche Fluktuation und Maßnahmen wie Freiwilligenprogramme oder den Einstieg in eine frühere Rente ermöglicht werden“.
Ist eine Privatisierung der Kliniken denkbar?
Nein, sagen die Kliniken und verweisen explizit auf Reker. Auch im Rat gibt es aktuell dafür keine Mehrheit, da sich Grüne, SPD, Linke und Volt dagegen aussprechen, sie haben 55 von 90 Sitzen. Allerdings ist von den fünf diskutierten Zukunftsszenarien die Privatisierung, ebenfalls nur am Standort Merheim, die einzige Option, die zunächst ein positives Jahresergebnis vor Steuern von 30 Millionen Euro bringt – doch dafür müsste der Investor ebenfalls 590 Millionen Euro in die Modernisierung stecken. Das gilt als unattraktiv. Zum Vergleich: Die 1+0-Variante, wenn die Stadt Besitzer bleibt, liegt bei 23 Millionen Euro Jahresverlust vor Steuern.
Was sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker?
Die OB teilte mit: „Die Kliniken der Stadt Köln sind als Maximalversorger unverzichtbar. Das vorgelegte Zukunftsmodell verbindet das medizinisch Sinnvolle mit dem wirtschaftlich Notwendigen. Erstmals liegt ein Plan vor, der drei Dinge miteinander verbindet: exzellente medizinische Versorgung für die Patienten und Patientinnen, Attraktivität der Kliniken der Stadt Köln für Pflegekräfte und eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive für das Unternehmen.“
Was sagt der Stadtrat zu dem Vorschlag?
Die Faktionen müssen sich erstmal beraten, ob der vorgeschlagene Weg ihnen behagt. Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin sagte: „Wenn sich bestätigt, dass es sich um die medizinisch und ökonomisch sinnvollste Lösung handelt, werden wir unsere Zustimmung geben.“ CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau forderte mehr Tempo, 2031 ist ihm zu langsam. Und SPD-Fraktionschef Christian Joisten betonte, es sei wichtig, die Situation des Personals zu beachten. Güldane Tokyürek, Sprecherin der Linken, sagte: „Wir als Linke lehnen eine Privatisierung der städtischen Klinik ebenso ab wie die Streichung von über 350 Arbeitsplätzen.“ FDP-Fraktionschef Ralph Sterck sagte: „Es wird ein sehr steiniger Weg, aber ich bin froh, dass sich überhaupt etwas bewegt.“ Volt will sich dafür einsetzen, dass die Grundstücke in Holweide und Riehl nicht auf den freien Markt kommen. Am 3. März soll der Aufsichtsrat der Kliniken zu dem Thema tagen.
Und was ist mit einem Klinikverbund mit der Uniklinik?
Die Stadt Köln wartet auf ein Signal vom Land, ob es sich den Verbund der städtischen mit den landeseigenen Kölner Unikliniken vorstellen kann. Wie schon Ende Dezember kündigte ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums eine „schnellstmögliche Entscheidung“ an.