Düsselsdorf – Tag Eins nach der Proklamation von Hendrik Wüst zum neuen Spitzenmann der NRW-CDU begann mit einer Panne. Die CDU hatte geplant, dass der Münsterländer gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet der FDP-Fraktion um 9.30 Uhr seine Aufwartung machen sollte. Doch daraus wurde nichts. Der Kanzlerkandidat der Union steckte im Stau fest. Statt Laschet nahm Wüst kurzerhand CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen zu seinem Antrittsbesuch bei den Liberalen mit.
Der Schulterschluss mit dem Koalitionspartner FDP ist für Wüst von zentraler Bedeutung. CDU und FDP verfügen im Landtag nur über eine hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit. Wenn der NRW-Verkehrsminister am 27. Oktober in einer Sondersitzung des Landtags zum Laschet-Nachfolger gewählt werden soll, müssen alle Abgeordneten der Regierungskoalition geschlossen hinter Wüst stehen.
Ein Abweichler reicht aus, um den 46-Jährigen im ersten Wahlgang scheitern zu lassen. Das wäre ein herber Fehlstart in den Wahlkampf.
Vor allem Bodo Löttgen hatte im Vorfeld der Entscheidung für Wüst vor der Gefahr von Abweichlern gewarnt. In der FDP-Landtagsfraktion wischt man solche Bedenken allerdings vom Tisch. „Hendrik Wüst hat die Unterstützung der FDP. Er wird ein positiver und junger Ministerpräsident sein, der die großen Herausforderungen konstruktiv angehen wird“, sagte Marcel Hafke, Mitglied im Fraktionsvorstand der Landtagsliberalen, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Der Wechsel an der Regierungsspitze sei auch „eine großartige Chance die Schwarz-Gelbe Koalition nach vorne zu bringen und erfolgreich in den Wahlkampf zu führen“. Dietmar Brockes, Abgeordneter und Bezirkschef der FDP am Niederrhein, sieht das ähnlich: „Mit Hendrik Wüst habe ich bereits zu Oppositionszeiten vertrauensvoll zusammengearbeitet. Er lebt den Geist der NRW-Koalition, mit dem wir auch für den notwendigen Aufbruch nach der Pandemie sorgen“, sagte Brockes dieser Zeitung.
Kritiker halten Wüst für zu konservativ
Wüst war im internen Wettbewerb um das Laschet-Erbe vom Wirtschaftsflügel, der Jungen Union und den Arbeitnehmern in der CDU unterstützt worden. Kritiker waren skeptisch, weil der ehemalige CDU-Generalsekretär sich in der Vergangenheit als Konservativer profiliert hatte. Im Wüst-Lager wird der Vorwurf, der neue Frontmann sei nicht progressiv genug, energisch zurückgewiesen. „Sein Weg geht nicht nach links, nicht nach rechts, sondern nach vorne“, sagte der Kölner Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl.
Wüst habe immer Brücken in der Partei gebaut und gleichzeitig klare Positionen vertreten. „Er ist die richtige Person, um mit Aufbruch und Dynamik einen Generationenwechsel in unserer CDU einzuläuten, durchzustarten und uns in den Landtagswahlkampf 2022 zu führen“, so Kehrl.
Laschet konnte Skeptiker auf Linie bringen
In der NRW-CDU sollen jetzt bis zur Landtagswahl im Mai 2022 die Reihen geschlossen werden. Am 23. Oktober findet der Landesparteitag in Bielefeld statt. In der Düsseldorfer CDU-Zentrale geht man jetzt davon aus, dass Wüst ein sehr gutes Ergebnis erhält. Noch-Parteichef Armin Laschet war es gelungen, die Skeptiker auf die Wüst-Linie einzuschwören. In der Landespartei verfügt der Aachener, dem derzeit auf der Bundesebene auch parteiintern der Wind ins Gesicht bläst, weiterhin über die Autorität, um Personalentscheidungen durchsetzen zu können.
Was wird aus den Wüst-Kritikern?
In der NRW-CDU wird nun darüber spekuliert, welche Rolle die Wüst-Kritiker in der künftigen Aufstellung noch spielen können. Die Rückstellung von eigenen Ambitionen schadet Parteikarrieren der Erfahrung nach langfristig selten.
So geht man in Düsseldorf davon aus, dass Bodo Löttgen auch in einer von Wüst angeführten Landesregierung Fraktionschef bleiben kann. Löttgen war als Übergangsministerpräsident ins Gespräch gebracht worden. Er hätte den Weg für eine Spitzenkandidatur von Bauministerin Ina Scharrenbach oder Innenminister Herbert Reul freimachen können, die beide nicht über das notwendige Landtagsmandat verfügen, um vor Ablauf der Legislaturperiode zum Ministerpräsidenten gewählt werden zu können.
Reul ist 69 Jahre alt. Sollte er seinen Ministerjob nach der Landtagswahl verlieren, will er seine Karriere als Landtagsabgeordneter ausklingen lassen. Der NRW-Innminister hatte angekündigt, sich in seinem Heimatbezirk um ein Mandat zu bewerben.
Scharrenbach, die Chefin der Frauen-Union, könnte in einer von Wüst geführten Landesregierung ein größeres Ministerium zugeschlagen bekommen. Sollte Wüst scheitern, dürfte die Karriere der Westfälin nicht beendet sein. Bislang hatte die 45-Jährige ihren Machtanspruch nicht laut genug vorgetragen. Das könnte sich dann ändern.