- Nach dem Tod von Königin Elizabeth II. sind die Menschen bestürzt.
- Julia Melchior ist Expertin für europäische Königshäuser.
- Im Interview spricht die Kölnerin über die Todesnachricht, den Besuch der Queen 1965 in Köln und die Zukunft der britischen Monarchie.
Köln – Frau Melchior, sie sind Kölnerin und Expertin für europäische Königshäuser. Wie haben Sie die Nachricht vom Tod von Königin Elizabeth II. erlebt?Julia Melchior: Obwohl ich seit vielen Jahren darauf vorbereitet bin, dass dieser Tag eintreten kann und mich auch beruflich darauf vorbereiten muss, hat mich diese Nachricht am Donnerstag doch sehr überrascht. Auf den Fotos, die wir von der Queen vor einigen Tagen gesehen haben, als sie die neue Premierministerin mit der Regierungsbildung beauftragt hat, wirkte sie schon irgendwie sehr gebrechlich und zart, aber irgendwie strahlte sie auch noch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es jetzt so schnell geht.
Ich finde aber auch, dass diese Bilder zeigen, dass sie bis zum letzten Tag einfach ihre Haltung gewahrt hat, dass Disziplin ihr oberstes Pflichtgefühl war. Mich hat das sehr beeindruckt. Sie hat das ihr ganzes Leben lang gelebt, diese Disziplin und diese Haltung und das wirklich bis zum letzten Atemzug.
Julia Melchior nach Tod der Queen: „Alle sind zutiefst betroffen“
Wie haben die Briten Ihrer Meinung nach die Nachricht aufgenommen?
Jeder hat gesehen, dass die Königin in den letzten zwei Jahren abgebaut hat, vor allem nach dem Tod von Prinz Philip. Das ganze Königreich muss auch darauf vorbereitet gewesen sein, aber trotzdem sind alle zutiefst betroffen, denn die Königin hat etwas Besonderes, auch wenn nicht alle hinter der Monarchie stehen. Es gibt auch eine große republikanische Bewegung, die für die Abschaffung der Monarchie ist.
Dennoch hat diese Königin das Land geeint. Denn über alle Generationen und über alle gesellschaftlichen Schichten und politischen Richtungen hinweg gab es dieses einhellige Urteil, das die Königin einzigartig ist. Darum ist die Betroffenheit auch so groß. Mit ihr stirbt ein Stück Zeitgeschichte und auch ein Amtsverständnis, was es so nicht mehr geben wird.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker ordnete kurz nach dem Tod der Queen im Kölner Stadtrat eine Schweigeminute an, wie deuten Sie diese Geste?
Es ist einfach ein Zeichen des Respekts und der Anerkennung, wenn überall auf der Welt dieser großen Königin gedacht wird, und auch in Köln, das ist selbstverständlich. Also man merkt, dass diese Frau jedem etwas bedeutet.
Queen Elizabeth II. 1965 zu Besuch im Kölner Dom
1965 kam die Queen im Rahmen ihres Staatsbesuchs in Deutschland auch nach Köln. Dort standen damals rund 200.000 Menschen vor dem Kölner Dom. Warum löst diese Frau weltweit eine solche Begeisterung aus?
Es hat zwei Gründe. Einmal war es diese junge, schöne Königin, eine Symbolfigur. Und hinzu kommt, dass sie das Staatsoberhaupt war. Sie hat den Deutschen die Hand gereicht.
Die Queen war auch das weltliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche, und sie war während ihres Aufenthalts in Köln im Dom. Glauben Sie, dass ihr das wichtig war?
Ja. Sie ist eine zutiefst gläubige, eine sehr fromme Frau. Insofern wird der Besuch im Kölner Dom auch für die Königin sicherlich ein bedeutsamer Moment in ihrem Leben gewesen sein.
Erstmals nach dem ersten und zweiten Weltkrieg kam mit dem Besuch ein britisches Staatsoberhaupt nach Deutschland. Welche Bedeutung hatte dieser Besuch?
Sie war der königliche Leumund für die neue Bundesrepublik. Durch diesen Besuch hat sie im Prinzip die Wiedergeburt von Deutschland gekrönt. Der letzte Staatsbesuch, den die Königin mit Prinz Philip unternommen hat, war 2015 in Deutschland, und ich glaube auch, dass das kein Zufall war. Weil die deutsch-britische Beziehung eine große Rolle spielt.
Adelsexpertin Julia Melchior: „Mit dem Tod der Queen stirbt ein Stück deutsche Geschichte“
Die die deutsch-britische Beziehung ist ein gutes Stichwort. 1965 war die Queen auch eine Art Friedensbotschafterin. Jetzt ist Charles der neue König, William bald der neue Prinz von Wales. Wie wird sich die Beziehung zu Deutschland ändern?
Mit dem Tod der Queen und von Prinz Philip, also von beiden, ist auch ein Stück deutsche Geschichte gestorben, die Verbindung zu den deutschen Fürstenhäusern. Charles selber hat aber noch ein sehr enges Verhältnis zu seinen deutschen Vettern aus dem Haus Hessen, aus dem Haus Hohenlohe und dem Haus Baden. Aber mit der Generation Prinz William stirbt diese Verbindung endgültig aus.
Prinz William als König der Zukunft
Wie werden die kommenden Jahre in Großbritannien aussehen? Viele sagen, dass Charles nur ein Übergangskönig sein wird und William der neue, moderne König.
Charles ist der König, und er wird es bleiben - entweder bis zum Tod oder bis er eines Tages selber die Entscheidungen trifft, zugunsten seines Sohnes abzudanken. Vielleicht wäre das eine zeitgemäße Entscheidung, das eines Tages zu tun, wenn Prinz Charles nicht mehr in der gesundheitlichen Verfassung ist, dieses Amt auszuführen.
Anders als bei der Queen, bei der konnte man unbedingt ausschließen, dass sie jemals abdanken würde, weil sie sich von Gott berufen gefühlt hat. Eine Königin von Gottes Gnaden in diesem Amt zu sein. Und auch nur Gott konnte ihr dieses Amt wieder nehmen.
Wichtig ist aber, dass sein Sohn heute schon eine große Rolle spielt. König Charles hat schon in den vergangenen Jahren die wesentlichen Entscheidungen getroffen, viele Aufgaben seiner Mutter übernommen und dabei seinen Sohn und Nachfolger immer mit einbezogen.
Ich erwarte, dass König Charles dieses Amt nicht so wahrnehmen wird wie die Queen, als One-Man-Show, sondern sicherlich im Tandem mit seinem Sohn Prinz William.
William spielt eine große Rolle bei der Zukunftsfähigkeit der Monarchie, denn er ist natürlich der Mann, der in zehn, 15 oder 20 Jahren der nächste und dann sicherlich auch auf längere Zeit der König sein wird. Also er ist der König der Zukunft.
Was Charles und William zusammen jetzt leisten müssen, ist, den jungen Leuten den Nutzen der Monarchie zu zeigen. Denn unter den jungen Briten, den unter 24-Jährigen, sind nur ungefähr 30 Prozent für die Monarchie, und die deutliche Mehrheit ist dagegen.