Bonn – „Farbe ist Programm“ – wer bei diesem Ausstellungstitel an Frühlingserwachen oder den Regenbogen denkt, sieht vermutlich auch plüschige Schäfchen am Himmel vorüberziehen. Wenn es in der Kunst programmatisch wird, ist es nämlich mit der unschuldigen Sinnesfreude rasch vorbei, da wird erst einmal theoretisiert, und alle Theorie, das weiß man ja, ist vor allem grau. Auf die Farbe bezogen heißt das: monochrom.
Eintönig ist dann auch die dominante Farbe in der Bonner Bundeskunsthalle, auch wenn selbstredend ein großer Teil des Farbspektrums vertreten ist. Aber es mischt sich nicht wie in der Natur, sondern wird in seine Einzelteile zerlegt, um anschließend mit Bedeutung aufgeladen oder auszugsweise miteinander kombiniert zu werden. Klassische Beispiele sind das patentierte Yves-Klein-Blau (das in der Ausstellung erstaunlicherweise fehlt) und die gemalten Dreiklänge von Josef Albers, der sein halbes Leben lang nichts anderes tat, als monochrome Quadrate auf der Leinwand ineinander zu verschachteln und mit diese Übung trotzdem niemals fertig wurde. In der Welt der Farben sind die Kombinationsmöglichkeiten unendlich.
Mit der Farbe ist man als Maler niemals fertig
Vermutlich hat die Angst, von der Farbenvielfalt überwältigt zu werden, eine Menge mit der modernen Liebe zur Ein- und Wenigfarbigkeit in der Kunst zu tun. Man bringt Ordnung ins Chaos und häuft dabei noch allerlei Geheim- und Pseudowissen an. Die Farbkreise von Goethe bis Johannes Itten bilden hier keine Ausnahmen, weshalb Antje Majewski deren ausgefeilte Farbsysteme ins Parodistische dreht, etwa indem sie diese über einen schwimmbadtauglichen Plastikball verteilt.
Auch die angeblichen Heilwirkungen einzelner Farben sind ein wiederkehrendes Thema in Bonn, wobei sich die Traditionslinie von Rudolf Steiners therapeutischen Farbkammern bis zu den Blaulicht verströmenden Laternenmasten zieht, mit denen, das behauptet jedenfalls Gardar Eide Einarsson, japanische Behörden ihre Bürger vom Suizid abhalten wollen. Das eine ist wohl so nutzlos wie das andere, doch nur von Steiners Modell einer eiförmigen Gummizelle in Grün führt ein direkter Weg zum lila „Traumhaus“ von Marian Zazeela und La Monte Young, das in seiner sinnesbetäubenden Mischung aus Monochromie und Monotonie einem loungigen Albtraum gleicht.
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Ein bisschen gruselig ist auch der zentrale Saal der Bundeskunsthalle, an dessen pharaonischen Maßen wohl schon mancher Ausstellungsmacher verzweifelte. Der Künstler Liam Gillick versucht es mit einer offenen, von signalfarbigen Säulen durchzogenen Architektur, in denen sich vor allem abstrakte Großformate wie die mit Wasserfarben vollgesogenen Leinwände Helen Frankenthalers gut aufgehoben fühlen – in den improvisierten Kabinetten kümmern dagegen selbst Klassiker wie Albers oder Blinky Palermo vor sich hin.
Am Anfang der Schau steht eine etwas unmotiviert wirkende Einführung in die frühen, handkolorierten Jahre von Film und Fotografie, sogar Willy Brandt darf das deutsche Fernsehen per Knopfdruck von Schwarzweiß auf Farbe schalten. Danach folgt ein gut informierter, aber etwas beliebiger Streifzug durch die Nachkriegskunst, mit einigen üblichen Verdächtigen (ein graues Bild von Gerhard Richter, ein „Raster“ von Sarah Morris), Zuspitzungen des Altbekannten (Hito Steyerl verwandelt rote Gemälde in gerahmte Filmsequenzen) und seltene Ausflügen in die Farbsymbolik.
Rozbeh Asmani zeigt, wie Unternehmen einzelne Farben monopolisieren wollen
Bei KP Brehmers „Visualisierung politischer Tendenzen“ neigt sich die politische Farbenlehre der deutschen Bundesrepublik merklich ins Braune (vielleicht auch, weil die Sozialdemokratie in Zartrosa gekleidet wird) und Rozbeh Asmani führt vor, wie sich große Unternehmen einzelne Farbtöne als eingetragene Marken sichern wollen. Solche Ausflüge ins gesellschaftliche Feld hätte es in Bonn mehr gebraucht. Stattdessen bleiben vor allem farbtheoretische Exerzitien in Erinnerung.
Ist also Langweilig das neue Bunt? Für das zweite Halbjahr ist eine Fortsetzung der Farb-Ausstellung angekündigt. Dann darf es ruhig etwas Frühlingshafter sein.
„Farbe ist Programm“ (Teil eins), Bundeskunsthalle Bonn, bis 7. August 2022. Katalog: 28 Euro.