Cristian Măcelaru dirigierte am Silvesterabend WDR Big Band und WDR Sinfonieorchester in der Kölner Philharmonie. Ganz glückte die Verbindung von Jazz und Klassik nicht.
Kölner SilvesterkonzertJazz und Klassik aus einer Hand
Die Zugabe war den Zeitumständen angemessen: Melancholisch gedämpft ließen die Hörner die Melodie von „Auld lang syne“ (in der Bearbeitung von Jörg Achim Keller) vorüberziehen – gleichsam die Klang gewordene und zugleich verzagte Hoffnung, dass das Jahr 2023 im Weltmaßstab besser werde als das zu Ende gehende 2022. Noch einmal hatten sich zu diesem Abschiedsgruß im Kölner philharmonischen Silvesterkonzert das WDR Sinfonieorchester und die WDR Big Band unter Chefdirigent Cristian Măcelaru zusammengefunden – ganz im Sinn der Programmidee, die auf eine spektakuläre Begegnung der traditionell getrennten Welten setzte.
In den USA kennt man die strikte Trennung zwischen Jazz und Klassik so nicht
Aber was heißt hier „traditionell“? Die produktive Konfrontation und Verschmelzung von Jazz und „klassisch“-sinfonischem Repertoire mag dem konservativen europäischen Spartendenken fremd sein. Für die amerikanische Musik hingegen, in deren Kultur nicht zuletzt Măcelaru sozialisiert wurde, ist sie essenziell. Gershwin und Bernstein – für diese Giganten gab es kein Entweder – Oder.
Das gibt es auch nicht für Wynton Marsalis (geboren 1961), der mit zwei kürzeren Stücken den Programmreigen eröffnete: mit der (in Deutschland erstaufgeführten) Fanfare „Herald, Holler and Hallelujah!“ und dem „Reconstruction Rag“ aus seiner „Blues Symphony“. Beide lassen sich in ihrer schlendernden, blue-notes-gesättigten Lässigkeit (auch) als Hommage an die Blütezeit des Ragtime hören. Auf dem dicht besetzten Podium ging es zwischen Blechriege und Schlagzeug der Big Band sowie Hörnern und Holzbläsern des Sinfonieorchesters quer durch die Formationen, deren Mitglieder einander immer wieder amüsierte Anerkennung zollten.
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Ein zugkräftiges Konzept allein ist noch kein Erfolgsgarant
Freilich ist ein originelles und auf Anhieb zugkräftiges Konzept allein noch kein Erfolgsgarant – und das selbst dann nicht, wenn an der Opulenz und Güte der Performance und an den zahlreichen Soli von Tuba und Saxofonen bis zu Harfe und Klavier nichts auszusetzen ist. Manchmal klappt die Symbiose halt doch nicht so richtig.
Strawinskys „Ebony Concerto“ für Klarinette und Jazzband etwa gehört nicht zu den stärksten Werken des Komponisten, vor allem wird hier das Formproblem einer Integration von Jazz-Standards und Konzertform nicht befriedigend gelöst: Der Solist (hier: Johan Hörlén) steht viel zu lange beschäftigungslos herum. Auch mit Rolf Liebermanns Concerto für Jazzband und Sinfonieorchester von 1954 sprang der Funken noch nicht so richtig über. Woran lag es? Kann es sein, dass in dieser Konstellation und Umgebung ein dazu symphonisch eingebundener und gezähmter Jazz einfach nicht in einer Weise zu sich selbst finden kann, wie es ihm zu wünschen wäre?
Nach der Pause fiel die Sache dann auch sichtbar auseinander: Im Reißverschlussverfahren erklangen Sätze aus Tschaikowskys „Nussknacker“-Suite in der Originalversion wie in Jazz-Arrangements von Duke Ellington und Billy Strayhorn. Während jeweils eine Formation aktiv war, musste die andere zuhören. Das notorische Publikumsklatschen auch nach kurzen Sätzen tat ein übriges, den Zusammenhang zu zerreißen. Fazit: Die Idee eines solchen Begegnungskonzerts ist nach wie vor bestrickend, aber an der Umsetzung hapert es noch.