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Zu nett, zu herzig, zu harmlosZahnlose Inszenierung einer Offenbach-Oper in Köln

Lesezeit 5 Minuten
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Szene aus der Offenbach-Oper

  1. Die Offenbach-Oper „Barkouf oder ein Hund an der Macht“ hat im Kölner Staatenhaus Premiere gefeiert.
  2. Leider gerät die Inszenierung ziemlich zahnlos, inklusive ausgewalzter Gags. Einzig die Sänger und der Chor agieren rundum erfreulich. Unsere Kritik.

Köln – Ist die Kölner Oper auf den Hund gekommen? Im wörtlichen Sinn muss diese Frage mit „ja“ beantwortet werden.

Und zwar auch insofern, als im Libretto von „Barkouf oder ein Hund an der Macht“ der Hund persönlich gar nicht in Erscheinung tritt, während er im Saal 2 des Staatenhauses, wo Offenbachs Opéra comique aus dem Jahre 1860 jetzt Premiere hatte, leibhaftige Gestalt annimmt. Ein niedlicher, mit Krönchen gezierter schwarzer Pudel verlässt da im dritten Akt kurz den Herrschersitz seiner riesigen Hundehütte, um sich nach schüchternem Orientierungsschnuppern ins Off zu trollen. Zum Schlussbeifall kreuzt er dann noch einmal die Bühne.

Nun ist zwar auch in Goethes „Faust“ des Pudels Kern bekanntlich Mephisto, aber nach der aggressiv-sonoren Belle aus der Hütte hatte man durchaus ein größer dimensioniertes Vieh erwartet – mit Kampfhund-Einschlag. Dass es dann nur ein Pudel ist, kommt einer surrealistischen Pointe gleich, einer Farce zweiter Potenz. Dabei hat es bei Offenbach bereits die erste Potenz in sich: Weil er die Aufstände gegen die ihm untergebenen Gouverneure leid ist, verordnet der Großmogul eines fiktiven Indien den störrischen Untergebenen eben einen Hund – Barkouf – als neuen Provinzherrscher. Was so viel heißen will, als dass es auf den „da oben“ gar nicht ankommt.

Vernichtender Blick auf die Verhältnisse

Das ist ein zynischer, böser, vernichtender Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse – die nichts mit Indien, aber viel mit dem zweiten französischen Kaiserreich zu tun haben. Kein Wunder, dass Offenbach (was ihm sonst selten widerfuhr) mit der Zensur in Konflikt kam. Zu Lebzeiten jedenfalls war „Barkouf“ kein Erfolg, und es ist dem Offenbachianer Jean-Christophe Keck hoch anzurechnen, dass er zum Offenbach-Jahr das verschollene Werk aus unterschiedlichen Quellen rekonstruierte, überhaupt erst wieder spielbar machte und damit ein Stück der Vergessenheit entriss, das ob seiner Aussage wie seiner musikalischen Substanz sogar mehr zu bieten hat als die weltbekannten mythentravestierenden Offenbachiaden.

Da gibt es subtile ironische Glanzlichter, herrliche instrumentatorische Details, bohrende harmonisch-motivische Widerborstigkeiten und kühne Modulationen. Und die Phrasenbildung kippt immer wieder aus jenen schematischen Acht-Takt-Bildungen heraus, die auch einen Hit wie „Die Großherzogin von Gerolstein“ gelegentlich mit Ödnis schlagen. 2018 an der Oper Straßburg erstmals in neuerer Zeit wieder produziert, wurde das Werk dankenswerterweise vom koproduzierenden Kölner Haus übernommen.

Leider zeigt sich Mariame Cléments Inszenierung der zugegeben schweren Aufgabe, die destruktive Brillanz dieser Opéra comique angemessen ins Bild zu setzen, nur unzureichend gewachsen. Eine Regiekatastrophe wie die „Großherzogin“ aus der vergangenen Spielzeit ist „Barkouf“ nicht – insofern kommt die Kölner Oper hier nicht auf den Hund. Clément verzichtet immerhin wohltuend auf krampfig-unverständliche Aktualisierung – wenngleich sich die neukonzipierten deutschen Sprechdialoge auch diesmal an verzichtbar-abgeschmackten Coloniensen und Düsseldorfianismen gütlich tun.

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Angesiedelt wird die Handlung in einer totalitären Diktatur des 20. Jahrhunderts mit den üblichen Accessoires der jubelnden Massen und eines brutalen Sicherheitsapparats – wobei Assoziationen an Nordkorea genauso naheliegen wie solche an den Faschismus. Dem kommt dann allerdings eine genauere historische Situierung am Schluss problematisch in die Quere: Der nach Barkoufs Schlachtentod zum neuen Gouverneur ernannte Offizier Saeb und seine Geliebte, das Blumenmädchen Maima, erscheinen als deutliche figurale Anspielung auf Napoleon III. und seine Frau Eugénie – was de facto bedeutet, dass „Barkouf“ während der kurzen republikanischen Phase zwischen Pariser Julimonarchie und zweitem Kaiserreich spielen soll. Das ist auch sachlich fragwürdig, denn der „eigentliche“ Herrscher des fiktiven Indien ist ja vorher wie nachher nicht irgendein Gouverneur, sondern der Großmogul.

Angemessener wäre gewesen, hätte die Regie das Phänomen des Bonapartismus in Marx’ genialer Schrift „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“ geerdet. Dort wird das theoretische Gerüst von „Barkouf“ – eine Charaktermaske an der Spitze soll der Bourgeoisie ihre Klassenherrschaft sichern – frei Haus geliefert.

Ausgewalzte Gags

Hin und wieder – etwa im zweiten Akt, wenn der Bühnenraum (Julia Hansen) durch kafkaesk-alptraumträchtige Regale voller unerledigter Akten eingeschnürt wird – rührt Clément die Schwingen einer Deutung jenseits wohlfeiler Zwerchfell-Aktivierung. Das bleibt leider im Ansatz stecken. Auf die Strecke ist die Regie einfach zu nett, zu herzig, zu harmlos – und angesichts einiger ausgewalzter Gags auch nicht besonders lustig.

Leider bleibt auch die musikalische Realisation einiges schuldig. Das liegt nicht oder doch nur kaum an den Sängern, die ihre Sache, soweit man hören kann, gut machen. Erfreulich zumal die sehr sujetgerechten Leistungen der Tenöre Matthias Klink als herrschsüchtiger Intrigenschmied Bababeck und Patrick Kabongo als lyrischer Schmeichelheld Saeb sowie der Soprane Susanne Elmark als geschmeidig-koloraturenfertiges Blumenmädchen Maima und Judith Thielsen als Orangenhändlerin Balkis. Auch der stark geforderte Chor agiert zuverlässig. Leider kommen die Stimmen im Zuschauerraum nicht immer gut an – möglicherweise ist es die Raumsituation der breiten Bühne, die eine angemessene Fokussierung verhindert.

Stefan Soltesz am Pult des Gürzenich-Orchesters schlüsselt die Partitur analytisch angemessen auf – da gibt es elegant austarierte Übergänge und gegenstrebige Details mit schöner Plastizität zu hören. Und gerade in den lyrisch-verhaltenen Arien entfaltet sich teils ein kostbarer Zauber. Aber in den beschwingten Strecken fehlt es an Energie, Temperament und Esprit. Vielleicht kommt hier auch die mangelnde Vertrautheit des Orchesters mit dem Metier ins Spiel, diesbezüglich sind gute französische Ensembles besser aufgestellt. Lebhafter Beifall mit wenigen Buhs für die Regie.

STÜCKBRIEF

Musikalische Leitung: Stefan Soltesz Inszenierung: Mariame Clément Bühne und Kostüme: Julia Hansen Darsteller: Matthias Klink, Bjarni Thor Kristinsson, Patrick Kabongo, Martin Koch, Sunnyboy Dladla, Susanne Elmark, Judith Thielsen, Kathrin Zukowski Dauer: knapp drei Stunden inklusive Pause Weitere Aufführungen: 17., 20., 23., 27. Oktober, 1., 3. November