Wut und Enttäuschung lässt der Karnevalsauftakt in Köln bei den Anwohnern der Feierhotspots zurück. Sie fordern, den Massenandrang besser zu regulieren und machen Vorschläge, wie das geschehen kann.
Leserbriefe zum SessionsauftaktWie will Köln künftig Karneval feiern?
Massenansturm am 11.11. in Köln (12.11.)
„Sauforgie statt Karnevals-Highlight“
Aus Sicht von Anwohnern im Kwartier Latäng war es wie immer, nur voller. Die Sanitäter kümmerten sich um hunderte Alkoholisierte, die Polizei nahm etliche Anzeigen wegen Körperverletzungen auf und gegen Randalierende gab es einige Platzverweise. Was de facto nicht funktioniert hat, war das völlig gescheiterte Konzept Innenstadt der KVB. Viele Auswärtige standen in der Innenstadt und wussten nicht, wie sie zum Hauptbahnhof gelangen konnten.
Rund um die Feiermeile machten am darauf folgenden Samstagmorgen noch tausende von Flaschen aller Art, auch Scherben, Müllberge sowie Erbrochenes und wiederum die Wildpinkeleien den frühmorgendlichen Gang zum Bäcker oder Supermarkt noch zu einem Hindernislauf. Allein daraus konnte man ableiten, dass der 11.11. mehr eine Sauforgie als ein karnevalistisches Highlight war. Das aber sind Anwohner und Anwohnerinnen schon gewohnt, auch bei anderen Festivitäten. Sie warten bereits voller Schrecken auf die nächste Horrorveranstaltung, sollte die Fußball-Nationalelf in Katar einen guten Lauf haben.Detlef Hagenbruch Köln
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Kölner Sessionsauftakt: Ist das noch Feiern oder schon Anarchie?
Die Kölner Oberbürgermeisterin spricht im Interview stolz davon, dass man halt so, wie man es in den Fernsehbildern sehe, in Köln feiere, man lasse sich das nicht verbieten. Sie redet damit der Anarchie das Wort, wenn Tausende schon angetrunken in die Stadt zum Weitertrinken drängen, auf Bahngleisen laufen, große Mengen Glasflaschen in der kompletten Innenstadt zertrümmern, in Hauseingänge urinieren und fremde Sachen beschädigen. Kollateralschäden, alles halb so schlimm. Sie muss nicht durch Urinlachen oder Glasscheiben laufen oder sich von Betrunkenen anpöbeln lassen. Gerhard Standop Köln
Bürgerversammlung und Stadt sollten gemeinsam Konzept entwickeln
Die Steigerung der Besucherzahl der Feiernden im Kwartier Latäng wurde in der Aktuellen Stunde des WDR von 30.000 auf 50.000 in diesem Jahr beziffert. Es ist schlicht nicht möglich, dass die Zülpicher Straße und die Nebenstraßen diese Masse aufnehmen. Daher mussten tausende wartende Feierfreudige an der Absperrung des einzigen öffentlichen Zugangs an der Unimensa auf die einzige große Freifläche, die Uniwiesen, ausweichen, die nun vermutlich einem Schlachtfeld gleichen.
Als Anwohnerin in nicht weit entfernter Nachbarschaft des Feierzentrums frage ich mich, was seitens der Stadt getan werden kann, damit sowohl den Feiernden als auch den Anwohnern Rechnung getragen werden kann? Warum baut man nicht Bühnen auf den Uniwiesen oder besser noch am Aachener Weiher mit seinen umliegenden weitläufigen Freiflächen auf, um das Ganze zu entzerren? Warum bewirbt man nicht die anderen Veedel wie Altstadt, Südstadt, das Agnesviertel oder Nippes und Ehrenfeld, um die Karnevalisten zu verteilen?
Ein konkreter Lösungsansatz für die Stadt Köln wäre es, eine Bürgerversammlung einzuberufen, in der sich die Kölnerinnen und Kölner gemeinsam mit der Stadt Köln aktiv an der Entwicklung eines Konzepts zur Bewältigung des Besuchersturms beteiligen. Neben der Idee der Bürgerversammlung lassen sich sicherlich Konzepte in anderen, vergleichbaren Kommunen finden, die vielleicht erfolgreicher mit Besucherandrang umgehen, welche sich die Stadt abgucken könnte. Diana Jansen Köln
Welche Karneval-Feierkultur möchte Köln für die Zukunft?
Ich habe mich am 11.11. geschämt für die Stadt, in der ich seit langem lebe. Ich bin Fan des tradierten Kneipenkarnevals. Nun kam ich am Freitagabend von einer Dienstreise kurz vor 19 Uhr am Hauptbahnhof an, mit Rollkoffer. Vor der Ankunft hatte ich schon die Nachricht: „KVB in der Innenstadt lahmgelegt“. Dann eben Taxi. Wie naiv! Der Hauptbahnhof geflutet von überwiegend peinlich kostümierten, desorientierten Menschen, der Bahnhofsvorplatz eine chaotische Ansammlung von Karnevalstouristen. Nicht fröhlich, eher bedrohlich.
Überall Müll und Scherben. Und kein Taxi, das mich hätte nach Hause bringen können. Also ging ich zu Fuß und zog meinen Koffer hinter mir her. Ich staunte darüber, wie all die Straßen, die ich passierte, innerhalb einiger Stunden so verwandelt werden konnten in eine großflächige Müll-Deponie. Auf dem letzten Kilometer meines Heimwegs muss ich über die Rhöndorfer Straße. Sie ist eher abgelegen, bietet aber gratis Parkplätze auf einer Länge von ungefähr 500 Metern. Ich sah die Autokennzeichen BG, SU, SI, MR, GI, LU, HH, WIL, LB und ein Auto aus den Niederlanden und zwei aus Italien.
Was ist los in Köln am 11.11.? Ich denke, dass wir die Stadt an diesem Tag ausliefern an Menschen, die gerne sehr ausgelassen feiern möchten und aus ganz Deutschland und darüber hinaus kommen. Ich bin nicht spießig. Feiern ist ok. Aber ich habe meinen Koffer an diesem Abend 8215 Schritte hinter mir hergezogen. Und bei mindestens jedem zehnten Schritt habe ich mich gefragt, ob das eine gute Entwicklung ist.
Ich gönne den Kneipen und Kiosken ihre Geschäfte. Aber es sollte meines Erachtens am 11.11. nicht nur um Umsätze und um Sicherheitskonzepte gehen. Sondern um die Frage, welche Kultur des Feierns wir in Zukunft in Köln dulden möchten. Ich fand es an diesem Tag nicht normal, mich in meiner Stadt nicht willkommen zu fühlen. Thomas Hallet Köln
Karneval: Künftig Eintrittskarten für Feierareale verkaufen
Zu wenig Platz für zu viele Menschen, wer hätte das im Vorfeld erahnen können? Zum Glück ist diesmal nichts Schlimmeres passiert, wer denkt bei einem Tunneleingang nicht an die furchtbare Katastrophe in Duisburg? Die einzige Lösung, damit in Zukunft keine Katastrophe passieren kann, sind weniger Menschen vor Ort.
Und das ginge ganz einfach: Jede in der Zülpicher Straße ansässige Kneipe darf entsprechend der Raumgröße von der Stadt Köln kontingentierte Eintrittskarten verkaufen. Und nur, wer eine offizielle Eintrittskarte hat, kann das Feier-Areal betreten. Dadurch bleiben diejenigen ohne Eintrittskarte schon im Vorfeld zu Hause oder feiern woanders. Entsprechend umgesetzt und publik gemacht, sollte das schon an Weiberfastnacht 2023 möglich sein. Gero Klevenow Köln
Enttäuschung über Feierverhalten der Fridays-for-Future-Generation
Wer am 11.11. Zeuge der Tonnen von Müll, Scherben und Fäkalien wurde, spürte eher Endzeitstimmung als Greta-Thunberg-Vibes. Waren die „Fridays for Future“ für die „Next Generation“ aus Lastenrad fahrenden Hipstern, Ökobaumwolle shoppenden Veganerinnen und Hafermilch schlürfenden Pseudo-Gutmenschen vielleicht doch nur eine billige Ausrede, um dem Schulunterricht und den Vorlesungen fernzubleiben?
Der respektlose Umgang mit Natur, Tieren und Mitmenschen zeigt nur allzu deutlich, dass hier keine Generation von Aktivisten, sondern Egoisten heranwächst. Vielleicht sollten sich die feiernden Herrschaften nach ihrem nächsten Massaker an Weiberdonnerstag am Aachener Weiher und im Kwartier Latäng einfinden, um die Engel der AWB dabei zu unterstützen, die Schwäne, Enten und Gänse vor einem elenden Erstickungstod durch Müll zu retten und sich mit einem Besen bewaffnen, damit die unschuldigen Hunde sich auf dem aus völliger Gleichgültigkeit und Dummheit entstandenen Teppich aus Glasflaschenresten nicht die Pfötchen blutig laufen.
Während die sogenannten „Jecken“ am Freitagabend friedlich in ihren Bettchen im Kölner Umland schlummerten, begann der Slalomlauf um Schnapsleichen, Erbrochenes und allerhand sonstige Überbleibsel des Massakers für die Anwohner der Zülpicher Straße. Auch am 15.11. sind noch lange nicht alle Spuren beseitigt. Ein herzliches Dankeschön an die Stadt Köln, die mal wieder durch vollständige Überforderung glänzte.Sabine Endres Köln
11.11.: Köln wird zur No-go-Area
Ich habe es aufgegeben nachzuzählen, wie oft in der umfangreichen Berichterstattung der Begriff „Feiernde“ vorgekommen ist. Alkohol- und sonstige Exzesse, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Missachtung der Weisungen von Ordnern und Polizisten haben nichts mit „Feiern“ zu tun. Wir erleben hier einen massenhaften, ungehemmten und rücksichtslosen Vandalismus breiter Massen, völlig losgelöst vom schönen rheinischen Karnevalsbrauchtum.
Zu Silvester, im Belgischen Viertel, bei Fußballspielen und vielen sonstigen Gelegenheiten sieht es doch nicht anders aus. Nachdem sich Politik und Verwaltung ratlos geben, meide ich solcherlei Treiben im eigenen Interesse. Die Stadt wird zeitweise zur „No-go-Area“. Christoph Menger-Skowronek Köln
„Wir brauchen eine Diskussion über Glasverbot im öffentlichen Raum“
Ich bin entsetzt über den laschen Umgang der Stadt Köln mit den Ereignissen am 11.11. Wann hat bei der Stadt Köln endlich mal jemand den Mut, das Thema Massenandrang wirklich anzupacken? Wir riskieren Tote und Verletzte, wenn es zu einer Massenpanik kommt.
Es sind weder die Polizei noch die KVB, die hier die Hauptverantwortung tragen. Sondern die Oberbürgermeisterin und Stadtdirektorin Andrea Blome, deren Kommentare ich als zunehmend arrogant empfinde. Die von Blome in typischem Politikerjargon angekündigte „Analyse“ sollte schnell erfolgen. Karneval steht vor der Tür.
Als Bürgerin erwarte ich auch, dass man sich Gedanken macht über die riesigen Grasflächen und vielen Bürgersteige, die jetzt wochenlang mit kleinsten Glassplittern übersät sind. Das ist nicht nur ärgerlich für Fahrradfahrer, sondern auch für Kleinkinder und Hunde eine echte Gefahr.
Wir brauchen eine Diskussion über Glasverbot im öffentlichen Raum und über wirklich fühlbare Strafen für Wildpinkler. Auch wenn nicht alle erwischt werden können; wenn es teuer wird, spricht sich das auf Twitter und Facebook sehr schnell herum. Ingrid Rieskamp Köln
Karneval: Nachhaltig feiern
Friday for future? Wenn Freitag, der 11.11.2022, der Zukunftsvision der jungen Generation entspricht, dann gute Nacht: Scherben, Dreck und Exkremente. Ich plädiere für mindestens 50 Euro Eintritt an den Hotspots mit Kontrollen und massiven Sanktionen. Ich bin es satt, die Hinterlassenschaften wegzuräumen. Wie wäre es mit einer Entschädigung für Anlieger durch Eintrittsgelder? Elvira Römer Köln
Sessionsauftakt: Haarscharf an einer Katastrophe vorbeigekommen
Ich bin gebürtige Kölnerin und fand den Karneval in Köln immer lustig und stimmungsvoll. Die Fotos von der überfüllten Zülpicher Straße waren für mich erschreckend. Vermutlich sind wir an einer Katastrophe haarscharf vorbeigekommen. Ich erinnere an das Unglück in Duisburg bei der Loveparade im Jahr 2010.
Das Sicherheitskonzept und der anschließende „erhellende“ Satz von Frau Reker: „Hier ist natürlich festzustellen, dass zu viele Menschen auf zu kleinen Raum sind“, verstören mich sehr. Warum ist das hier in Köln so? Gehört das zum Verständnis von Brauchtum – wir lassen es mal laufen und sind dann überrascht? Petra Meyer Köln
Ist das noch Brauchtum?
Das „Sicherheitskonzept“ am 11.11. bestand offensichtlich darin, das Zülpicherviertel abzuriegeln und die Menschenmassen anderswohin zu schicken. Konzept? Plan? Fehlanzeige. Die Folge war eine weitgehende Vermüllung von Teilen der Innenstadt und die Umwandlung ganzer Straßen in öffentliche Toiletten. Es gab weder genügend Abfallbehälter noch genügend Toiletten, sondern Straßen voller Glasscherben und sonstiger Abfälle sowie Wildpinkler an jeder Ecke. Wollen wir das? Soll das Brauchtum sein?
Er wird Zeit, dem Werben um immer mehr Karnevalstouristen ein Ende zu setzen, ein Glasverbot durchzusetzen und konsequent gegen „Wildpinkler“ vorzugehen. Und wer Getränke verkauft, muss auch verpflichtet werden, Toiletten aufzustellen. Es wird Zeit für eine ehrliche Bestandsaufnahme. Und es wird Zeit für Maßnahmen, die eine Wiederholung solcher Zustände verhindern. Wer die Zustände wie Frau Reker schönredet, nimmt billigend in Kauf, dass sie sich weiter verschlechtern. Wolfgang Jehle Köln
Jecken sollten verantwortlich handeln
Nicht der Karneval, nicht die Stadt Köln, nicht das Karnevalskomitee, nicht die Pandemie tragen die Verantwortung oder sind Ursache für erhöhten Alkoholkonsum, rücksichtsloses Verhalten, Schamlosigkeit und eine egozentrische Geisteshaltung – an welchem Tag des Jahres auch immer.
Seinen Unrat da, wo man geht und steht, fallen zu lassen, ist allein die Entscheidung der Verursachenden, auch wenn Alkohol im Spiel ist. Ich halte es für wenig überzeugend, Verantwortung für das eigene Tun und Handeln als „fremd verursacht“ zu begründen. Viktoria Renner Köln