Der Rat der Stadt Köln hat den Beschluss über den Ausbau der Ost-West-Achse erneut verschoben. Leser kritisieren die Verzögerung.
Leserbriefe zur Ost-West-AchseKeine Entscheidung in Sicht
„Tunnelgegner haben keine tragfähigen Argumente“
Jetzt also kommen alle alten und noch neue Gruppen mit 100 neuen Fragen zu einem Projekt, das schon mit Bürgerbeteiligung vor sechs bis sieben Jahren breit diskutiert wurde. Wo Einwände nach Prüfung entkräftet wurden, erfindet man neue Fragen. Den Kritikern geht es scheint's nicht um Erkenntnis, sondern darum, Bedenken zusammenzukratzen, wo es nur geht. Die längst gefundene Position gegen die U-Bahn sucht so auch sechs Jahre nach Start der öffentlichen Debatte noch immer ein tragfähiges Fundament.
Weil die U-Bahn-Freunde einfach das bessere Argument haben, müssen so lange neue Kriterien her, bis man argumentativ halbwegs im Hemd steht. Warum ausgerechnet ökologisch motivierte Menschen, denen Fahrradfahren und Gehen wichtig sind, den Tunnel ablehnen, ist schwer verständlich. Als häufiger Fahrradfahrer und eifriger Fußgänger wäre ich froh, wenn die Arterienverklemmung in diesem engen Herzstück der Stadt etwas weniger würde und nicht wie beim 90-Meter-Zug noch schlimmer. Er löst kein Problem und macht die Strecke vom Heumarkt bis zur Aachener Straße gerade für schützenswerte Verkehrsteilnehmer noch gefährlicher.
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Ja, das Ganze wird viel Geld kosten, ja, es wird Lärm geben, aber mit der Bahn unten wird es oben für alle mehr Platz geben und ein für die Zukunft wirklich problembeladenes Nadelöhr wird offen für Stadt, Mensch und Natur. Nicht „Oben (verstopft) bleiben“, sondern „Unten macht frei“ muss die Parole lauten. Das wäre doch eine Losung für alle einstweilen noch verstockten Bedenkenträger. Mathias Brandt Köln
Ost-West-Achse: Verständnis für Verzögerung der Entscheidung
Das Gutachten und seine Inhalte en détail zu kennen, wie SPD und Grüne fordern, ist wesentlich für eine fundierte Entscheidung über die Vorlage der Stadtverwaltung. Schließlich geht es um eine milliardenschwere Grundsatzentscheidung für die künftige Gestaltung der Innenstadt. Ohne das Gutachten zu entscheiden, verhielte sich so, als entscheide eine Bank über einen Baukredit, zwar in Kenntnis des Immobilienwerts, aber ohne das Wertgutachten zu kennen. Das wäre gleichermaßen fahrlässig und regelwidrig. Christoph Menger-Skowronek Köln
Tunnelvariante: Langfristig überwiegt der Nutzen
Die vorgetragenen Argumente des Bündnisses Verkehrswende gegen die methodische Vorgehensweise des Expertengremiums, das Vorteile für den unterirdischen U-Bahn-Bau auf der Ost-West-Achse konstatiert hat, überzeugen nicht wirklich: So steht etwa der Mehrbelastung durch Lärm beim Bau des Tunnels der Wegfall des Lärms durch den Straßenbahnverkehr in aller Zukunft entgegen. Was die Archäologie anbelangt, wäre es für die Stadt doch sicherlich kein Mangel, neue Artefakte etwa aus der Römerzeit zu finden oder auch neue Erkenntnisse über die städtische Struktur zu jener Zeit zu gewinnen.
Wer sich für eine Verkehrswende und damit für eine lebenswertere Stadt einsetzt, kann die neuen Gestaltungsoptionen für eine Fußgänger- und Radfahrer-freundlichere Innenstadt durch den unterirdischen Ausbau der Ost-West-Achse nicht hoch genug einschätzen. Menschen mit Einschränkungen benötigen zur Teilhabe funktionierende Aufzüge und das nicht nur, um U-Bahnen zu erreichen. Die oberirdische Lösung mit längeren Bahnen wird aber in jedem Fall die Überquerung der Ost-West-Achse insbesondere für diesen Personenkreis erschweren.
Wenn man bedenkt, wie viele Menschen sich über gut ausgebaute U-Bahn-Netze freuen, kehrt sich das Argument, dass der Tunnelbau „komplett an den Bedürfnissen der Fußgehenden vorbei“ geht, ins Gegenteil. Klar ist, dass der unterirdische Ausbau deutlich länger dauern wird als die oberirdische Lösung und in dieser Zeit Belastungen mit sich bringt. Wer aber über diesen Zeitraum hinaus denkt, für den sind die Vorteile klar ersichtlich.
Dabei kommt ein wichtiges Argument für den unterirdischen Ausbau in der öffentlichen Diskussion noch gar nicht vor: Dass U-Bahn Anlagen – wie die Angriffe auf Kiew gezeigt haben – ein ganz zentraler Zufluchtsort für die Bewohner einer Stadt sein können. Der Krieg in der Ukraine hat uns nach 75 Jahren Frieden vor Augen geführt, dass auch wir bedroht sind und ausreichende Schutzräume für die Bevölkerung fehlen. Mit dem unterirdischen Ausbau der Ost-West-Trasse könnte also gleichzeitig mehr Sicherheit gegen äußere Bedrohungen für die Bewohner der Stadt erreicht werden. H. Werner Kammann Köln
Ost-West-Achse: Verzögerung der Entscheidung belastend
Nur mal so zum Vergleich: Der erste Bauabschnitt der Pariser Metro – zehn Kilometer mit 18 Stationen – wurde innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt – mit den technischen Möglichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, also mit Dynamit und Spitzhacke. Damals kam man auch auf das bis heute optimale und auf der ganzen Welt eingeführte Konzept „eine Linie, eine Richtung, eine Röhre“.
Wenn ich zwischen Barbarossaplatz und Poststraße mal wieder in Kurvenschräglage fast vom Sitz rutsche und minutenlang auf den einmündenden Querverkehr warte, kommt mir der ketzerische Gedanke: Einfach aufgeben, loslassen, gar nix mehr machen. Aus 100 Fragen zur Ost-West-Bahn einfach 10.000 machen, etwa nach der Farbe der Klopapierhalter in den Toiletten der neuen Stationen fragen. Dann wären wir frei. Frei von diesem unerträglichen Optimierungsdruck, frei von diesem Oberverantwortungshut, wie es eine große Kölnerin einst so treffend formulierte. Einfach weiter dämmern und schunkeln. Claus Göbelsmann Köln