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Trotz fehlender ExpertiseWarum Feller erfolgreicher als Gebauer sein könnte

Lesezeit 4 Minuten
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NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU)

Düsseldorf – Dorothee Feller hat die Amtsgeschäfte als Bildungsministerin von NRW übernommen. „Die Pandemie und die Folgen des Angriffskrieges gegen die Ukraine werden uns weiter herausfordern“, sagte sie in ihrer Begrüßungsrede im Ministerium. Sie hat sich viel vorgenommen, aber auch die Erwartungen an die neue Frau im wichtigen Amt sind gelinde gesagt hoch.

Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stehen die Anpassung der Gehälter für Lehrkräfte sowie die Schaffung von 10.000 neuen Stellen. Die 1966 in Dorsten geborene CDU-Politikerin war zuletzt Regierungspräsidentin von Münster, als erste Frau auf diesem Posten.

Sie ist Juristin mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht, und dass Hendrik Wüst sie trotz fehlenden bildungspolitischen Profils ins Düsseldorfer Schulministerium berufen hat, dürfte vor allem mit diesem Hintergrund zusammenhängen: Feller ist als ausgebildete Mediatorin erfahren im Beilegen von Konflikten. Keine schlechte Vorsetzung, um ihm Minenfeld der nordrhein-westfälischen Schulpolitik zu bestehen. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag heißt es, nach den Herausforderungen der Corona-Pandemie bräuchten Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern „Ruhe und Unterstützung und unsere Schulen Entlastung“.

Alles zum Thema Jochen Ott

Womöglich könnte sie ihre vermittelnde Rolle verstärkt auch im Fall der Kölner Schulplatzvergabe anbieten.

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Die Stadt war wegen des Anmeldeverfahrens für die weiterführenden Schulen in die Kritik geraten, das eine kommunale Aufgabe ist. Die Landesregierung hat die Möglichkeit, das Schulgesetz so zu ändern, dass keine Mehrfachanmeldungen mehr möglich sind. Diese Lücke im Gesetz hatte Köln genutzt, was zu chaotischen Zuständen und dazu führte, dass einige Familien ohne Zusage dastanden.

Bei einem Schulgipfel im April hatten die damalige Schulministerin Yvonne Gebauer, Regierungspräsidentin Gisela Walsken sowie Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Schuldezernent Robert Voigtsberger und Stadtdirektorin Andrea Blome versprochen, für alle Kinder einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen.

Kritik an fehlender Bildungsexpertise

Man hätte sich natürlich jemanden gewünscht, der sich mit dem Thema Schule auskennt, ist aus dem Lehrerverband NRW zu hören. Fellers Erfahrung in der Verwaltung und ihre Fähigkeit, große Apparate zu lenken, seien allerdings von Vorteil. Auch Urban Mauer, der neue Staatsminister, ist kein ausgewiesener Fachmann in Bildungsfragen. Die Berufung des bisherigen Abteilungsleiters in der Staatskanzlei wird als mögliches Zeichen gedeutet, dass man sich eine größere Nähe zwischen Ministerpräsident und Schulministerium wünsche, auch im Hinblick auf eine neuerliche Corona-Welle.

„Dorothee Feller wird in den kommenden Wochen und Monaten sehr viel kommunizieren müssen“, sagt Andreas Bartsch, Präsident des nordrhein-westfälischen Lehrerverbands, auf Anfrage. Fehlende oder mangelhafte Kommunikation war ein Versäumnis, das Fellers Vorgängerin Yvonne Gebauer (FDP) häufig vorgehalten wurde.

Ideologiefreiheit als Pluspunkt

Auch die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW meldet „Gesprächsbedarf“ an und begrüßt gleichzeitig, dass man von Dorothee Feller „keine ideologisch geprägte Debatte um die beste Schulform erwarten“ müsse. Die Arbeitsgrundlage der neuen Ministerin sei der Schulfrieden, sagt Oliver Ziehm, Vorsitzender der Elternschaft.

Als zentrale Aufgabenfelder für die Ministerin nennt der Verband die Vorbereitung auf einen Anstieg der Corona-Infektionszahlen, den Ausbau der Digitalisierung sowie mehr Durchlässigkeit zwischen den Schulformen.

Veränderung statt Verwaltung erwünscht

Die Landesvertretung der Schülerinnen und Schüler in NRW vertritt die Ansicht, dass man gerade im Schulministerium „viel Veränderung und keine reine Verwaltung“ brauche. Auch die Interessengemeinschaft der Schülerschaft nennt als vorrangige Aufgabe für die Schulpolitik den Ausbau der Digitalisierung – außerdem gelte es, den Renovierungsstau an maroden Schulen zu bekämpfen und mehr Lehrkräfte einzustellen.

Bekenntnis zum Schulfrieden

„Schön, dass mit Feller nun eine ausgewiesene Verwaltungsexpertin das Ministerium übernimmt“, so Sabine Mistler vom Philologenverband NRW. „Wir begrüßen ausdrücklich das Bekenntnis zum Schulfrieden, zum vielgliedrigen Schulsystem in NRW und zur zielgleichen Inklusion an Gymnasien“, kommentiert Mistler die Eckpunkte des Koalitionsvertrags. Man werde mit Feller bei der Durchsetzung dieser Ziele kooperieren.

Vorbereitung auf Corona

Die oppositionelle SPD-Fraktion im Landtag brachte noch vor der Sommerpause einen Antrag ins Parlament ein, in dem sie sich dafür einsetzt, Kindertagesstätten, allgemeinbildende Schulen im Primar- und Sekundarbereich sowie Förderschulen zur kritischen Infrastruktur zu entwickeln und für eine mögliche Corona-Welle im nächsten Herbst vorzubereiten.

Darüber hinaus erklärt Jochen Ott, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag, auf Anfrage: "Natürlich muss auch dringend Ruhe ins System Schule kommen und die Kommunikation mit den Verbänden wieder auf Augenhöhe gebracht werden. Da sind die Erwartungen an die neue Schulministerin hoch." Auf Chancengleichheit für ihre Kinder dürften Eltern beim Blick in den Koalitionsvertrag wohl leider nicht hoffen können, so Ott. Erzwungene Schulformwechsel, keine solide Finanzierung für einen schulscharfen Sozialindex und keine ganzheitliche Inklusionspolitik - all das zeige schon jetzt, wo die Reise hingehen werde.